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Die Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene verbreitet QAnon-Wahnsinn und verherrlicht Gewalt.

© REUTERS

Kein Bruch mit dem extremen Flügel: US-Republikaner schaffen die Abkehr vom Trumpismus nicht

„Standing Ovations“ für die gewaltverherrlichende Abgeordnete Taylor Greene: Das Machtkalkül kann die US-Republikaner teuer zu stehen kommen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Juliane Schäuble

Welche Partei will die „Grand Old Party“ nach dem Ende der Trump-Präsidentschaft sein? Eine konservative mit einflussreichen moderaten Vertretern, die sich von Donald Trump emanzipiert, oder eine populistische Rechtsaußen-Partei, die auch Verschwörungstheoretiker und Extremisten freudig aufnimmt?

Wer erwartet hatte, nach dem angekündigten Showdown am Mittwochabend mehr darüber zu wissen, wurde enttäuscht. Die US-Republikaner haben sich um eine klare Entscheidung gedrückt. Ganz offensichtlich glauben sie, beides zugleich sein zu können.

Fünf Stunden lang saßen die Abgeordneten der republikanischen Fraktion im Kongress zusammen. Thema des Treffens war die Zukunft von zwei Frauen aus ihrer Mitte, die für die beiden Richtungen stehen: Liz Cheney aus Wyoming, die Nummer drei der Fraktion im Repräsentantenhaus und Vertreterin der traditionell-konservativen Republikaner, versus Marjorie Taylor Greene, eine erstmals in den Kongress gewählte Abgeordnete aus Georgia, die QAnon-Wahnsinn verbreitet und Gewalt verherrlicht.

Cheney solle, so forderten es die immer noch zahlreichen Trump-Anhänger in der Runde, für ihre Zustimmung zum Impeachment-Verfahren gegen den Ex-Präsidenten abgestraft werden und aus der Fraktionsführung fliegen. Bei Greene dagegen, die sich auf die Unterstützung durch Trump beruft, ging es um die Frage, ob die Abgeordnete wegen ihrer extremen Rhetorik in der Vergangenheit ihre Mitgliedschaft in zwei Ausschüssen verlieren sollte.

Keine der beiden wollte sich öffentlich wie gefordert entschuldigen - aber beide stellten sich der internen Kritik und rechtfertigten sich. Allerdings war schon diese Gleichsetzung der beiden ein Offenbarungseid.

Greene erklärte nach Informationen von US-Medien, dass sie sich „in einem dunklen Moment“ ihres Lebens zu QAnon verirrt habe und dies nun bereue, auch dass ihre Aussagen in der Vergangenheit die Partei belastet hätten. Das schien den meisten Abgeordneten zu genügen. Ja: Sie erhielt dafür sogar „standing ovations“ und soll nun eine zweite Chance bekommen.

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Wie glaubwürdig Greenes Reue ist, weiß wohl nur sie. Öffentlich hat sie sich nicht von QAnon abgewandt oder für ihre Gewaltverherrlichung und ihren Antisemitismus entschuldigt. Auch trägt sie weiter eine Maske mit der Aufschrift: „Trump hat die Wahl gewonnen“.

Wahrscheinlicher ist daher, dass sie ganz genau wusste, wie sie die Partei um den Finger wickeln kann, die panische Angst davor hat, von enttäuschten Trump-Unterstützern abgestraft zu werden. Und damit die Mehrheitsfähigkeit bei künftigen Wahlen zu verlieren.

Ein Drahtseilakt, der böse enden kann

Angesichts dieses Dilemmas versucht die GOP einen Drahtseilakt, der böse enden kann: Keine Seite soll nachhaltig verprellt werden. Kann das aufgehen?

Die Kritiker sprechen bereits davon, dass der Bürgerkrieg in der Partei beendet sei, gewonnen hätten die Trumpisten. Wenn Joe Biden versuche, auch um die Seele der Republikanischen Partei zu kämpfen, habe er bereits verloren. Denn diese habe gar keine Seele mehr.

Prominente Austritte gibt es bereits, manche Groß-Spender halten sich zurück, seit ein Trump-Mob das Kapitol stürmte - eine Tat, die einige in der Partei lieber Linksextremisten in die Schuhe schieben wollen, als ihre eigene Verantwortung dafür zu hinterfragen. Gleichzeitig sprudeln die Spendeneinnahmen bei Greene und Co.

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Die Demokraten werden alles daran setzen, die Republikaner vorzuführen - das beginnt bereits am heutigen Donnerstag, wenn das Repräsentantenhaus über Greene diskutiert und sie aller Voraussicht nach aus dem Finanz- und dem Bildungsausschuss werfen wird. Zumindest im Kongress hat die Abgeordnete dann kaum mehr Einflussmöglichkeiten.

Nancy Pelosi will nicht zur Tagesordnung übergehen

Die oberste Demokratin im Kongress, Nancy Pelosi, hat am Mittwoch aber auch gezeigt, dass sie nicht einfach zur Tagesordnung übergehen will: In einer Pressemitteilung vermerkte sie bei der Parteizugehörigkeit von Fraktionschef Kevin McCarthy ein Q statt ein R - die Republikaner als QAnon-Partei. Damit müssen die nun leben.

Liz Cheney wiederum hat am Mittwochabend über die extreme Rechte in ihrer Partei triumphiert, der es nicht gelang, sie für ihre „Hilfe für den Feind“ abzustrafen. Der überwiegende Teil der Fraktion hat sich hinter sie gestellt. Allerdings in einer geheimen Wahl, was es offenbar einfacher macht, Trump abzuschwören. Warum das so ist? Ganz einfach: Aktuelle Umfragen zeigen, dass Greene bei potenziellen republikanischen Wählern deutlich beliebter ist als Cheney.

In Sicherheit ist Cheney damit so oder so nicht. Denn ihre Gegner werden nun in ihrem Heimatstaat Wyoming versuchen, ihre politische Karriere zu beenden. Und: Ziemlich sicher werden mögliche Gegenkandidaten von Trump unterstützt, den Cheney wegen seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol zur Verantwortung ziehen will.

Die „Grand Old Party“ hatte die Chance, mit Trump und ihrem extremen Flügel zu brechen. Sie hat sich dagegen entschieden, zumindest vorerst. Ja, ihr Dilemma ist groß. Aber diese kalte Machtkalkulation kann sie noch teuer zu stehen kommen.

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