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Wer im Libanon Treibstoff für sein Fahrzeug braucht, muss viel Geduld haben.

© Mohamed Azakir/REUTERS

Kaum noch Öl und Gas vorhanden: Die USA und der Iran wetteifern, Libanons Energiekrise zu lösen

Der Libanon hat kaum noch Öl und Gas für die Energieversorgung. Hilfe verspricht die von Teheran finanzierte Hisbollah-Miliz – auch die USA wollen Retter sein.

Lange Schlangen vor den Zapfsäulen, nur eine Stunde Strom pro Tag: Der Libanon hat kaum noch Öl und Gas für die Energieversorgung von Verbrauchern, Unternehmen und Krankenhäusern. „Ich hätte nie gedacht, dass ich das Ende der Welt erleben würde“, schrieb die libanesische Autorin Lina Mounzer in einem Gastbeitrag für die „New York Times“.

Aber genau das spiele sich wegen des Zusammenbruchs der Wirtschaft derzeit in ihrem Land ab. Jetzt wetteifern internationale Rivalen darum, Abhilfe zu schaffen – der Iran und die USA wollen Retter in der Not sein.

Das Wirtschaftsmodell, das auf einer Anbindung des libanesischen Pfundes an den US-Dollar und hohen Kapitalzuflüssen aus dem Ausland basierte, war 2019 zusammengebrochen. Seitdem hat das Pfund 90 Prozent an Wert verloren, vier von fünf Libanesen leben in Armut.

Wer nicht in harter Währung bezahlt wird und keine Verbindungen im Staatsapparat besitzt, kämpft um das tägliche Überleben. Selbst Brot und Trinkwasser in Plastikflaschen werden knapp, wie Mounzer berichtet.

Schlägereien an Tankstellen

Krebspatienten können nicht mehr behandelt werden, weil das Geld für die Einfuhr von Medikamenten fehlt. Da es kaum noch Benzin gibt, brechen an Tankstellen Schlägereien und Schießereien zwischen frustrierten Autofahrern aus. Ampeln und Aufzüge in Wohnhäusern funktionieren nicht mehr, selbst der Diesel für den Betrieb von Generatoren in Kliniken ist rar.

Hilfe verspricht die von Teheran finanzierte Hisbollah-Miliz, eine der mächtigsten politischen Gruppen im Land. Sie hat über ihr nahestehende Geschäftsleute im Iran drei Tanker mit Treibstoff bestellt; zwei davon sind nach Angaben des Unternehmens Tanker Trackers, das den weltweiten Tankerverkehr überwacht, inzwischen unterwegs.

Mit dem iranischen Diesel könnten vor allem private Generatoren im Libanon angetrieben werden, was die Energieversorgung für viele Firmen, Kliniken und Normalbürger erleichtern würde. Allerdings würde eine Tankerladung den Diesel-Bedarf der sieben Millionen Menschen im Libanon nur ein paar Tage lang decken, berichtete die Zeitung „The National“ aus Abu Dhabi unter Berufung auf Experten.

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Trotzdem wäre die Lieferung von iranischem Öl und Diesel ein spektakulärer politischer Erfolg für die Hisbollah und für Teheran. Die libanesische Regierung erklärte zwar, sie habe nichts mit dem geplanten Deal zu tun, der unter den USSanktionen gegen den Iran verboten ist, doch das dürfte die Hisbollah kaum aufhalten.

Washington will Iran ausstechen

Möglicherweise wird der iranische Treibstoff zunächst in Syrien entladen und von dort aus per Lastwagen in den benachbarten Libanon gebracht. Damit hätte der Iran seinen regionalen Einfluss von der afghanischen Grenze bis zum Mittelmeer unter Beweis gestellt. Die „Achse des Widerstandes“ gegen Amerika, wie der Iran seine Verbündeten nennt, könnte sich als Wohltäter für die leidgeplagten Libanesen feiern lassen.

Washington arbeitet deshalb mit Hochdruck an einer Alternative, um die Hisbollah und den Iran auszustechen. Gas aus Ägypten soll per Pipeline über Jordanien und Syrien zu einem Kraftwerk im Norden Libanons gepumpt werden, wo daraus Strom gewonnen werden kann.

Die drei Länder einigten sich bei einem Treffen in dieser Woche auf das Projekt, für das noch Reparaturen an der Pipeline nötig sind. Finanziert werden soll der Gasimport über die Weltbank.

Libanon braucht mehr Strom

Weil die US-Partner Ägypten und Jordanien bei dem Vorhaben mit der Regierung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad kooperieren, befreite Washington die beiden Länder vom Verbot, Geschäfte mit Damaskus zu machen.

Für Assad bieten sowohl die Pläne der Hisbollah als auch die Gaslieferungen mit dem Segen der USA die Gelegenheit, aus seiner internationalen Isolation wegen des syrischen Bürgerkrieges auszubrechen.

Zumindest im Moment hat die Hisbollah im Machtkampf um libanesische Tankstellen und Generatoren die Nase vorn. Bei freier Fahrt können die Tanker aus dem Iran innerhalb weniger Tagen die Küste Libanons oder Syriens erreichen.

Dagegen werde das Gas aus Ägypten nicht vor Ende des Jahres fließen, sagte die libanesische Energie-Expertin Diana Kaissy dem Sender Al Dschasira aus Katar.

Außerdem ist die Pipeline nicht die Lösung aller Probleme. Kaissy schätzt, dass mit dem Gas aus Ägypten etwa 450 Megawatt Strom produziert werden kann. Das ist zwar ein beachtlicher Beitrag, wie sie sagt. Der Libanon kann derzeit nur 700 Megawatt selbst bereitstellen. Aber der Gesamtbedarf des Landes liegt bei 3600 Megawatt. Thomas Seibert

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