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© dpa

Kaukasus-Krieg: Georgien: Russland bombardiert zivile Ziele

Tote und Verletzte, zerstörte Häuser, brennende Städte: Die Kämpfe um die Region Südossetien sind am Samstag blutig weiter gegangen. In Georgien wurde am Vormittag offiziell das Kriegsrecht verhängt. Russische Einheiten greifen laut Angaben aus Tiflis Georgien im 15-Minuten-Takt an.

Südossetien befindet sich seit Donnerstagnacht im Krieg, ebenso Russland und Georgien. Russland hat nach Angaben des Nationalen Sicherheitsrats in Tiflis eine "umfassende Militäraktion" gegen ganz Georgien gestartet. Kampfflugzeuge würden "etwa alle 15 Minuten in georgischen Luftraum eindringen und im ganzen Land hauptsächlich wirtschaftliche, zivile und militärische Ziele treffen", sagte der Chef des georgischen Sicherheitsrats, Alexander Lomaja, der "Welt am Sonntag". Die Angriffe erfolgten zeitgleich an etwa fünf bis sechs Orten. Zudem gebe es "Bodenoperationen mit Panzern und schwerer Artillerie", sagte er. Moskau setze außerdem Infanteriesoldaten und Fallschirmjäger ein.

"Wir bezeichnen die Situation als vollständigen Krieg Russlands gegen Georgien", sagte Lomaja der Zeitung weiter. Georgien sei zwar vorbereitet gewesen darauf, dass Russland militärische Ziele im Land angreifen würde, nicht aber, dass auch zivile Einrichtungen Ziel der russischen Bombardements werden würden. Seinen Angaben zufolge wurden bis Samstagnachmittag 40 georgische Soldaten getötet und etwa hundert verletzt. Die Opferzahl unter der Zivilbevölkerung steige ständig.

Georgien für Waffenstillstand

Saakaschwili bot einen Waffenstillstand an. Alle Konfliktparteien sollten die Kämpfe um Zchinwali, die Hauptstadt der abtrünnigen georgischen Region Südossetien, sofort einstellen und mit einer Entmilitarisierung beginnen, sagte Saakaschwili nach Angaben der Agentur Interfax in Tiflis. "Wir bieten an, das Feuer sofort einzustellen." Von Russland gab es dazu zunächst keine Reaktion.

Als "ersten Hinweis für die Ernsthaftigkeit seines Angebots" habe Saakaschwili den Rückzug georgischer Truppen aus Zchinwali angeordnet, sagte der Sekretäf des Sicherheitsrates in Tiflis, Alexander Lomaia. Es gebe aber weiter "heftige Kämpfe" um die südossetische Hauptstadt. Und es gibt Tote und Verletzte auf beiden Seiten, sagte Lomaia.

Zunächst Ausweitung des Kriegs auf Abchasien

Vor Saakaschwilis Angebot hatte eine aktuelle Meldung aus Abchasien Unruhe gestiftet: Kampfbomber sollen am Samstagmittag georgische Stellungen in der Konfliktregion Abchasien beschossen haben. Dies konnte als ein erster Hinweis auf die Ausweitung des Krieges gedeutet werden. Betroffen sei das von Georgien kontrollierte obere Kodori-Tal, sagte Alexander Lomaja. Es gebe Tote und Verletzte. Die Führung in der von Georgien abtrünnigen Region Abchasien bestätigte die Angriffe. Es handele sich aber um abchasische und nicht um russische Flugzeuge, hieß es. Die genaue Herkunft der Bomber bleibt zunächst also offen.

Viele Informationen aus der Krisenregion sind mittlerweile aber offiziell und eindeutig bestätigt: Fest steht, dass Russland sich an der Seite Südossetiens in den Krieg mit eingemischt hat und bewaffnete Angriffe gegen georgische Truppen führt. Fest steht auch, dass Georgien mit einer Großoffensive in Südossetien einmarschiert ist, um die abtrünnige Republik wieder unter Kontrolle zu bringen. Und: Georgien hat mittlerweile offiziell erklärt, dass es sich im Krieg befindet. Aus diesem Grund will Georgien nun seine gesamten Truppen aus dem Irak abziehen. "Wir bereiten gerade unseren Abzug vor", sagte der Chef der georgischen Truppen im Irak, Bondo Maisuradse. Es werde der Befehl erwartet, die rund 2000 Soldaten bis spätestens Montag nach Georgien zurückzuverlegen. Das US-Militär habe dem Abzug der georgischen Soldaten bereits zugestimmt.

Krieg um die südossetische Hauptstadt

Neben diesen Informationen gibt es zum Krieg im Kaukasus viele widersprüchliche Angaben und unbestätigte Informationen. Nach neuester Auskunft von russischer Seite soll Russland die südossetische Hauptstadt Zchinwali eingenommen und unter Kontrolle gebracht haben. Russische Soldaten haben die Stadt von georgischen Truppen "völlig befreit", sagte der Chef der russischen Bodentruppen, Wladimir Boldjrew, den Agenturen Interfax und Itar-Tass. Ein Sprecher der Bodentruppen des russischen Militärs sagte Interfax, Fallschirmjäger seien über der Stadt abgesprungen.Georgien meldet allerdings etwas anderes: Die Provinzhauptstadt Zchinwali und die umliegenden Gebiete seien inzwischen vollkommen unter Kontrolle des georgischen Militärs, sagte der Chef des georgischen nationalen Sicherheitsrats, Alexander Lomaja.

So widersprüchlich diese Angaben sind: Die Kämpfe zwischen russischen und georgischen Truppen gingen am Samstag unvermindert weiter. Es gebe "heftige Gefechte" zwischen georgischen und russischen Soldaten in Südossetien, sagte Alexander Lomaja. Auch von russischer und südossetischer Seite wird kein Zweifel daran gelassen, dass im Kaukasus Krieg herrscht. Nach bislang noch unbestätigten Angaben aus Südossetien seien mittlerweile über 1600 Menschen ums Leben gekommen, darunter viele Zivilisten. Zudem seien seit Beginn der Kriegshandlungen mehr als 30.000 Menschen aus der Kaukasusregion geflohen.

Russische Luftangriffe auf georgischem Gebiet

Georgien berichtete unterdessen von russischen Luftangriffen bis weit in georgisches Kerngebiet hinein. So wurden bei russischen Luftangriffen auf einem georgischen Militärflughafen in Senaksk mindestens zwölf Soldaten getötet, meldete der Tifliser Radiosender Imedi am Samstag. Der Schwarzmeerhafen Poti wurde nach Angaben des georgischen Außenministeriums "vollständig" durch russische Luftangriffe zerstört. Der Hafen ist für den Erdöltransport vom Kaspischen Meer bedeutend und liegt nahe der Baku-Supsa-Pipeline. Die Zivilbevölkerung in Poti sei durch die Luftangriffe gefährdet. Die russische Armee weist allerdings jegliche Vorwürfe von sich, wonach die Zivilbevölkerung Ziel von Angriffen sein soll.

Die internationale Staatengemeinschaft versucht nun, eine einheitliche Position zum Krieg im Kaukasus zu finden und zu schlichten. Die USA und die EU riefen beide Seiten zum sofortigen Ende der Kämpfe auf. Uno, EU sowie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kündigten die Entsendung gemeinsamer Vermittler nach Georgien vor. In New York konnte sich der UN-Sicherheitsrat auch bei einem zweiten Anlauf auf keine gemeinsame Erklärung einigen. Nach Angaben des derzeitigen Ratsvorsitzenden, des belgischen UN-Botschafters Jan Grauls, vertagte das Gremium seine Beratungen auf Samstag. "Einige Mitglieder brauchen noch etwas Zeit", sagte Grauls.

Fragwürdige Legitimation

Moskau hatte seine mit UN-Duldung in der Region stationierten Friedenssoldaten am Freitag um reguläre Einheiten verstärkt. Dies ist völkerrechtlich umstritten, weil jene neuen Soldaten kein Mandat für den Einsatz in der Konfliktzone haben. Weil aber fast 90 Prozent der Menschen in Südossetien russische Pässe haben, sieht Russland sein Verteidigungsrecht gewahrt. In der Gemischten Kontrollkommission in Südossetien hat neben Russland auch Georgien 500 Friedenssoldaten. Tiflis setzt sich international dafür ein, dass den Russen das Mandat entzogen wird. (ae/sba/AFP/dpa)

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