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Das Bundesverfassungsgericht fällt womöglich ein Grundsatzurteil zu Befugnissen des Verfassungsschutzes.

© picture alliance/dpa/dpa/POOL

Update

Karlsruhe beanstandet Geheimdienstvorschriften: Bayerns Verfassungsschutzgesetz verstößt teilweise gegen das Grundgesetz

Seit Bayern sein Verfassungsschutzgesetz reformierte, sehen Verbände etliche Grundrechte verletzt. Dem kann das oberste Gericht teilweise folgen.

Die weitreichenden Befugnisse des bayerischen Verfassungsschutzes verstoßen teilweise gegen Grundrechte. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beanstandete am Dienstag eine ganze Reihe von Vorschriften im Verfassungsschutzgesetz des Freistaats.

In seiner bisherigen Fassung verletze das bayerische Gesetz das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Fernmeldegeheimnis und die Unverletzlichkeit der Wohnung, sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stefan Harbarth, am Dienstag bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. Der Erste Senat grenzt sowohl bei der Überwachung als auch bei der Auswertung und Weitergabe der Erkenntnisse die Befugnisse des Verfassungsschutzes ein.

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Das Grundgesetz lasse dem Gesetzgeber „substanziellen Raum, den sicherheitspolitischen Herausforderungen auch im Bereich des Verfassungsschutzes Rechnung zu tragen“, sagte Harbarth weiter. „Zugleich setzt die Verfassung hierbei gehaltvolle grundrechtliche Schranken.“

Landesinnenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte das bayerische Verfassungsschutzgesetz 2016 grundlegend überarbeiten lassen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Klage koordiniert hatte, sah etliche Grundrechte verletzt und wollte mit ihrer Klage eine bundesweite Ausbreitung verhindern.

Befugnisse "noch nie in solcher Breite" angegriffen worden

Die Verfassungsbeschwerde bezog sich auf einen ganzen Strauß an Regelungen, unter anderem zur Online-Durchsuchung, zum Einsatz sogenannter V-Leute, zur Überwachung von Wohnungen und zu längeren Observationen.

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Richterin Gabriele Britz, die im Ersten Senat für das Verfahren als Berichterstatterin zuständig ist, hatte in der Verhandlung im Dezember gesagt, bisher seien nachrichtendienstliche Befugnisse noch nie in einer solchen Breite angegriffen worden.

Dabei geht es im Einzelnen meist nicht darum, ob das Instrument überhaupt eingesetzt werden darf, sondern um die Frage, unter welchen Bedingungen dieser Einsatz gerechtfertigt ist. Wie groß muss eine Bedrohung sein? Muss vorher ein Richter seine Genehmigung erteilen? Gibt es eine unabhängige Kontrolle? Und was passiert mit den Daten?

Hoffnung auf Grundsatzurteil

In der Verhandlung hatten die Richterinnen und Richter viele Punkte sehr kritisch hinterfragt. Minister Herrmann verteidigte die Reform, die der Landtag damals allein mit CSU-Stimmen beschlossen hatte: Bayern habe damit auch auf mehrere Urteile aus Karlsruhe reagiert.

Nach der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) habe außerdem Einigkeit bestanden, dass der Austausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei verbessert werden müsse.

Die GFF hingegen sah ein grundlegendes Problem darin, dass hier zunehmend die Grenzen verwischen. Ihr Vorsitzender Ulf Buermeyer kritisierte, die Hürden für den Austausch von Informationen seien kontinuierlich gesenkt worden. Dabei gilt eigentlich das sogenannte Trennungsprinzip: Die Geheimdienste wissen viel, dürfen aber nicht eingreifen - dafür ist die Polizei zuständig, die nicht alles weiß.

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Die GFF hatte auf ein Grundsatzurteil gehofft, das Auswirkungen auf die Verfassungsschutzbefugnisse insgesamt haben würde. In anderen Landesgesetzen und im Bund seien die Voraussetzungen für den Einsatz verdeckter Ermittler oder sogenannter V-Leute sowie für längere Observationen vergleichbar niedrig. Auch die Regelungen zur Datenübermittlung seien in vielen Ländern ähnlich weit gefasst wie in Bayern.

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Verfassungsbeschwerde erheben kann nur, wer „selbst, gegenwärtig und unmittelbar“ in eigenen Rechten betroffen ist. Als Kläger hat die GFF deshalb drei Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) gewonnen, die im bayerischen Verfassungsschutzbericht als „linksextremistisch beeinflusste Organisation“ erwähnt wurde.

Gegen die umstrittenen Gesetzesänderungen hatte 2017 auch die Landtagsfraktion der Grünen Klage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Die Entscheidung steht noch aus. Seit 2016 hat es noch einige Änderungen an dem Gesetz gegeben. (dpa)

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