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Markus Söder, Vorsitzender der CSU und Ministerpräsident von Bayern, steht am Rande des ARD-Sommerinterview in der Sendung «Bericht aus Berlin» vor dem Reichstag.

© Fabian Sommer/dpa

Kanzlerkandidatur: Markus Söder macht es richtig

Der CSU-Mann meint, die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur der CDU könne bis März warten. Er hat recht - und die SPD kann von ihm lernen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ist das nun alles nur „nonchalant“, wie der Hamburger CDU-Chef Roland Heintze meint? Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender, scheint sich in gewissem Sinn zu zieren, wenn es um die Kanzlerkandidatur der Union geht. Ein ums andere Mal sagt er: Mein Platz ist in Bayern. Und jetzt auch noch, dass CDU und CSU sogar bis März nächsten Jahres warten könnten, ehe sie ihren Bewerber um die Merkel-Nachfolge benennen. Also, was treibt Söder? Je länger er so redet, desto mehr vertieft sich der Eindruck: Er hat schlicht recht.

CDU und SPD tun gut daran, mit der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur noch zu warten

Viele Gründe sprechen dafür, mit der Ausrufung des Spitzenkandidaten zu warten, bei der Union, im Übrigen aber auch bei der SPD. Sagen wir so: Später ist besser, und zwar zur Klärung der Verhältnisse, gesellschaftspolitisch wie in den Parteien. Zutreffend ist doch, dass die Entwicklung der Corona-Pandemie die Verantwortlichen voll und ganz fordert. Nahezu jeden Tag muss die Entwicklung neu bewertet und neu entschieden werden. Das bindet die Konzentration, und das gebietet die Situation. Sich in personelle Spielchen zu verstricken, wirkte da unernst – und wäre, wenn es einer täte, fast schon ein Ausschlusskriterium. Politik für alle heißt wohlverstanden: Es gibt Wichtigeres als die eigene Person. Krisen sind nicht einfach ein Karrierevehikel.

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Deshalb stimmt, dass sich die Zeitachsen durch Corona verschieben. Bei der Union ist das ohnedies geboten, wenn der Satz gilt: „Wer Krise kann, kann Kanzler.“ Dafür müssen dann umso klarer Fragen beantwortet werden: War Söder in der Bekämpfung der Coronakrise erfolgreich? Oder war womöglich Armin Laschet erfolgreicher, der NRW-Ministerpräsident, erster Aspirant auf den CDU-Bundesvorsitz und auch auf die Kanzlerkandidatur?

Oder spricht – anders gedacht – nicht gerade für einen wie Friedrich Merz, dass der die Aktionen der Regierenden in der Coronakrise mit dem nötigen Abstand als Nicht-Regierender unbelastet beurteilen und ganz offen sagen kann, was jetzt nötig ist?

Es muss nicht unbedingt ein Vorteil für die Kanzlerkandidatur sein, in der Krise in der Exekutive zu sein

Das wird sich alles erst noch weisen. Eben bis März vielleicht. Außerdem werden Langzeitkandidaten nicht notwendigerweise besser. Womit besonders die SPD ja so ihre Erfahrungen gemacht hat. Grundsätzlich ist es so: Wer Kanzler*in ist, hat es einfacher; er oder sie muss handeln und wirbt damit für sich.

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Kandidaten können das so nicht. Diese Position gibt es allein dem Wort nach, Machtausübung gestattet sie keine. Deshalb versuchen sie meistens schon früh, nirgends anzuecken, Kanten abzuschleifen, um für möglichst viele über die eigene Partei hinaus attraktiv zu sein. Weil die, wie der Begriff schon sagt, ein Teil vom Ganzen ist. Auch darauf ist die Niederlage des Martin Schulz bei der vergangenen Bundestagswahl zurückzuführen. Er hatte sich als Kandidat über Monate verschlissen, wirkte am Ende nur noch gebraucht. Das erhöht die Attraktivität nicht, wie man sieht.

Ein Kanzlerkandidat braucht die berühmte Steinbrück'sche "Beinfreiheit"

Nun tritt Angela Merkel aber zum Jahresende 2021 nicht mehr an, so dass Union und SPD sich dann mit Kandidaten messen, die es erst noch werden wollen, Kanzler, und es nicht schon sind. Regierungserfahrung ist da hilfreich, allerdings nicht allein das Erfolgskriterium. Deshalb hat Söder sogar doppelt recht – nämlich zugleich was die Union und die SPD betrifft: Die Zeit kann vieles besser zeigen. Wer ist beliebt, zunächst in den eigenen Reihen und dann darüber hinaus? Ohne die eigene Partei wird ja niemand Kanzler. Wer verstellt oder verbiegt sich um des erhofften Erfolgs willen? Der verspielt die Chance ganz sicher, und der nimmt sich selbst die nötige „Beinfreiheit“ (Peer Steinbrück), die ein Kanzlerkandidat braucht. Denn Führung ist nicht, sich selbst unkenntlich zu machen, sondern im Gegenteil um Gefolgschaft für deutlich erkennbare Schwerpunkte zu werben. Authentizität ist hier notwendige Voraussetzung, um zu überzeugen.

In dem Sinn passt dann das Wort von der Nonchalanche: Ungezwungenheit bezwingt. Getriebenheit nicht.

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