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Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) gibt am Montag vor ihrem Abflug ein Statement.

© Michael Kappeler/dpa

Kann AKK Kanzlerin?: Die Zweifel in der eigenen Partei wachsen

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer weckt in der Union Zweifel an ihrer Eignung als Nachfolgerin von Angela Merkel. Ihr Umgang mit dem Fall Maaßen ruft Kopfschütteln hervor.

Von Robert Birnbaum

Ein Zweitjob als Verteidigungsministerin kann für eine CDU-Vorsitzende seine Vorteile haben. Am Montag besucht Annegret Kramp-Karrenbauer das deutsche Aufklärungskontingent in Jordanien. Der Stützpunkt in der Nähe von Amman, von dem Bundeswehr-Tornados ihre Aufklärungsflüge für die internationale Truppe gegen die Terrortruppe IS starten, ist thematisch und geografisch so weit weg von Sachsen, dass Kramp-Karrenbauer wenigstens für diesen Tag etwas Abstand zur Causa Hans-Georg Maaßen gewinnt.
Am Sachverhalt ändert das allerdings wenig.

Über den früheren Verfassungsschutzchef ist schon einmal eine Parteivorsitzende zu Fall gekommen. AKK ist nicht Andrea Nahles und die CDU nicht die SPD. Aber auch unter Christdemokraten nimmt das Kopfschütteln über eine Chefin zu, die Maß und Mitte nicht zu finden scheint.

Daheim in Deutschland weidet sich zum Wochenanfang erst einmal die SPD an der Stolperei beim Regierungspartner. Diverse Anwärter auf den SPD-Vorsitz melden sich zu Wort. Der SPD-Linke Karl Lauterbach bedauert, dass Kramp-Karrenbauer auf Maaßens Agieren zu spät reagiert und einen Parteiausschluss bloß angedeutet habe, SPD-Vize Ralf Stegner nennt den Ex-Beamten „aufgrund seiner offenkundigen Sympathie für die Rechte“ indiskutabel und Generalsekretär Lars Klingbeil fordert ebenfalls via „Spiegel online“ eine „klare Haltung“ statt „Zickzackkurs“.

Zick-Zack-Kurs

Das Dumme daran ist, dass sich die Kritik nicht einfach als Ablenkungsmanöver missgünstiger Konkurrenten von eigenen Problemen abtun lässt. Es war nun mal ein Zickzack, den Kramp-Karrenbauer hingelegt hat, als sie sich in einem Interview erst mehrdeutig auf eine Frage nach einem Parteiausschluss Maaßens einließ und es dann doch nicht so gemeint haben wollte. Es war auch nicht der erste Fall dieser Art: In der Debatte über Meinungsäußerungen im Internet nach dem Rezo-Video zeigte die Saarländerin das gleiche Muster. Und in beiden Fällen spricht einiges dafür, dass sie nicht einfach ungeschickt formuliert hatte, sondern es genau so meinte und nur vor massivem Widerstand zurückwich.

Im Fall Rezo kam der aus der Netzgemeinde, die ihr Zensurgedanken unterstellt. Im Fall Maaßen kam er von den eigenen Wahlkämpfern. Michael Kretschmer in Sachsen und Mike Mohring in Thüringen sind alles andere als glücklich darüber, dass der Ex-Verfassungsschützer Maaßen mit Attacken gegen die eigene Partei übers Land zieht. Ingo Senftleben in Brandenburg würde sich den ungebetenen Wahlkampfhelfer sogar am liebsten gleich verbitten.

Am 15. August 2019 verabschiedet die Bundesministerin der Verteidigung, Annegret Kramp-Karrenbauer, ihre Vorgängerin im Amt, Dr. Ursula von der Leyen, mit einem Großen Zapfenstreich.
Am 15. August 2019 verabschiedet die Bundesministerin der Verteidigung, Annegret Kramp-Karrenbauer, ihre Vorgängerin im Amt, Dr. Ursula von der Leyen, mit einem Großen Zapfenstreich.

© imago images / auslöser-photographie

Aber dem Unbequemen von höchster Warte aus zu drohen, bediente genau die Opfererzählung, die die CDU-Ultras von der „WerteUnion“ und ihr Promi-Mitglied Maaßen mit der AfD gemeinsam haben: Man will uns den Mund verbieten! Maaßen genießt seit seinem Hinauswurf in diesen Kreisen Heldenstatus.

Aber auch viele gutbürgerliche Christdemokraten sehen in ihm weiterhin den loyalen Spitzenbeamten, als den ihn sein Dienstherr Horst Seehofer halten und sogar befördern wollte, und nicht einen illoyalen Selbstvermarkter. Dabei geht der Mann selbst einem Konservativen wie dem Innenpolitiker Armin Schuster langsam auf die Nerven: „Wir sollten Maaßens selbst gewählte Märtyrerrolle nicht durch solche Diskussionen aufwerten“, sagt der frühere Bundespolizist der „Welt“.

Doch genau das ist passiert. Zwei Wochen vor den ersten beiden Landtagswahlen des Herbstes landet die CDU wieder bei der Selbstbeschäftigung mit einem ungelösten Problem. Ungeachtet aller strammen Beschlüsse gegen jede Form der Zusammenarbeit ist der richtige Umgang mit der AfD ungeklärt. Ausgrenzen oder auf die Wähler zugehen? Dahinter lauert eine noch viel größere Frage: Wie viel Spannweite zwischen Erzkonservativem und Liberalität kann die Volkspartei CDU noch ausbalancieren?

Die Vorsitzende Angela Merkel hat diese Teile der Partei ignoriert und in Kauf genommen, sie vor den Kopf zu stoßen. Ihre Nachfolgerin ist auf sie zugegangen. Inzwischen muss sich Kramp-Karrenbauer aber wie Goethes Zauberlehrling vorkommen. Neulich hielt bei einer CDU-Veranstaltung an der Glienicker Brücke eine Frau von der WerteUnion ein Plakat mit der triumphierenden Aufschrift hoch: „Wir bewegen Politik!“

Frecher Verstoß gegen innerparteiliche Solidarität

Die Parteivorsitzende empfand das als frechen Verstoß gegen jede innerparteiliche Solidarität. Dass sie im Parteipräsidium von West-Kollegen, aber etwa auch dem Brandenburger Senftleben mehrfach aufgefordert wurde, etwas gegen die Anmaßung der Zwergtruppe zu unternehmen, die sich selbst zur einzig wahren CDU erklärt, dürfte ebenfalls den Grund bereitet haben für ihre Attacke auf Maaßen.

Noch in ihrem Dementi klang das nach: Jeder dürfe seine Meinung sagen, aber bitte mit gegenseitigem Respekt!

Doch da war der Schuss schon übers Ziel hinausdonnert: Zur Unzeit, zu weitgehend, zu unüberlegt. So sehr sich viele früher über Merkels dickfelliges Schweigen erregt haben, so sehr finden jetzt etliche, dass AKK nicht jeden Konflikt gleich an sich ziehen müsste – und schon gar nicht parteiinterne Kleinkriege. „Für so was hat man einen Generalsekretär“, rügt einer aus der Parteiführung. Den innerparteilichen Streit zu kultivieren, warnt ein anderer, kopiere den Fehler der SPD. Die Vorsitzende verzettele sich, statt sich um große Linien zu kümmern, klagt ein eigentlich sympathisierender Dritter. Dass die Wahlergebnisse am 1. September jetzt endgültig auch an ihr kleben, ist ohnehin jedem klar.

Halblaut aber steht bei solchen Sätzen inzwischen die Frage mit im Raum, ob die Frau wirklich die Richtige ist als nächste Kandidatin für das Kanzleramt. Nicht, dass denkbare personelle Alternativen so viel überzeugender erschienen. Aber in Zeiten, in denen Politik oft nur an den Emotionen gemessen wird, die sie mobilisiert, kann kollektives Kopfschütteln leicht große Wucht entfalten.

Andrea Nahles ist ein Musterbeispiel dafür. Die SPD-Vorsitzende musste am Ende nicht nur deshalb gehen, weil ihr – nicht zuletzt im Fall Maaßen – schwere taktische Fehler unterlaufen waren. Ihre Partei war es auch einfach leid, sich für verkorkste Auftritte und schräge Gesangseinlagen zu entschuldigen. Nimmt man das als Maßstab, hat Kramp-Karrenbauer nicht mehr viele Patzer frei.

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