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Wer will die SPD führen?

© AFP/Tobias Schwarz

Kandidaten für den SPD-Vorsitz: Wo bleiben nur die Prominenten?

Sozialdemokratische Spitzenpolitiker scheinen die Verantwortung für die eigene Partei zu scheuen und bleiben in Deckung. Etliche Genossen sind darüber sauer.

Von Hans Monath

In der SPD wächst die Unzufriedenheit darüber, dass sich kaum prominente Sozialdemokraten um die Nachfolge von Andrea Nahles als Parteichefin bewerben und die Führungsaufgabe deshalb zunehmend als unattraktiv erscheint. Bei den der SPD verbundenen US-Demokraten würden 20 Bewerber antreten, sagte der Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer dem Tagesspiegel: "Bei uns treten offiziell nur zwei Kandidaten an, und wir treten auf der Stelle." Mit Blick auf die Weigerung von SPD-Parteivizes, für den Vorsitz zu kandidieren, meinte der erfahrene Abgeordnete: "Jeder hat seine Gründe. Die Gesamtheit der Gründe ist eine Blamage."

Auch der baden-württembergische SPD-Landeschef Andreas Stoch kritisierte das lange Verfahren zur Neubesetzung des Parteivorsitzes. "Wir müssen aufpassen, dass die SPD nicht als führungslos wahrgenommen wird", sagte er dem Magazin "Focus".

Tatsächlich scheint es, als mieden prominente Genossen die Verantwortung für die eigene Partei. Die drei Interims-Parteichefs Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel haben erklärt, dass sie für die Nahles-Nachfolge selbst nicht zur Verfügung stehen. Vizekanzler und Vizeparteichef Olaf Scholz begründet seinen Verzicht damit, der Parteivorsitz sei mit seinen Regierungsämtern nicht vereinbar.
Immerhin ein Mitglied der Bundesregierung will es wissen: Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, tritt gemeinsam mit der früheren NRW- Familienministerin Christina Kampmann an, die nun Landtagsabgeordnete in Düsseldorf ist. Sie sind bislang die einzigen offiziellen Kandidaten.

Doppelspitzen melden sich

Mit Karl Lauterbach, der ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen kommt, hat ein Vizechef der Bundestagsfraktion seinen Hut in den Ring geworfen. Der Gesundheitsexperte will mit der Klimapolitikerin Nina Scheer aus Schleswig-Holstein das Führungsduo bilden. Beide plädieren für ein Ende der großen Koalition.

Früh hatte die Berliner Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan Interesse an dem Spitzenamt gezeigt und erklärt, sie könne sich eine Doppelspitze mit Kevin Kühnert vorstellen. Der Juso-Chef aber hält sich weiter bedeckt. Auch der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Hans Wallow aus Bonn will sich um den Vorsitz bewerben.

Offenbar noch nicht über eine Kandidatur entschieden haben zwei politische Schwergewichte der SPD, nämlich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey. Weils Standardantwort auf Fragen nach dem Bundesvorsitz lautet: "Ich habe in Niedersachsen eine wichtige und schöne Aufgabe und keine Ambitionen auf einen Wechsel nach Berlin." Ein Bericht, wonach der Ministerpräsident in einem Telefonat mit der Interims-Parteispitze seinen Verzicht erklärt habe, wurde in SPD-Kreisen in Hannover als "Spekulation" abgetan.

Giffey sprach sich schon vor Wochen für eine Parteichefin oder einen Parteichef aus, die oder der ihrem eigenen politischen Profil sehr nahekommt. Das wirkte, als wollte die Berlinerin einen Testballon starten. Allerdings steht die Promotion der früheren Bezirksbürgermeisterin von Neukölln unter Plagiatsverdacht – eine mögliche Aberkennung des Doktortitels bezeichnen etliche in der Parteispitze als ein zu hohes Risiko. Auch verweist die Ministerin darauf, dass sie Beruf und Familie im eigenen Leben weiter vereinbaren will.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey.

© Michael Kappeler/dpa

Weitere Bewegung erwartet

Am Freitag erklärte die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange, dass sie erneut für den Parteivorsitz kandidieren will – diesmal im Duo mit ihrem Bautzener Amtskollegen Alexander Ahrens. Lange war im April 2018 auf dem Parteitag gegen Andrea Nahles angetreten und hatte als Außenseiterin beachtliche 27,6 Prozent erhalten. Ihr gutes Ergebnis galt allerdings auch als Ausdruck des Unmuts vieler Delegierter mit der damaligen Parteiführung.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke stört sich nicht daran, dass es bisher wenige prominente Bewerber gibt. "Es gibt viele geeignete Kandidaten. Einige haben sich schon gemeldet, andere werden sich noch melden", sagte der SPD-Landeschef der dpa. Er finde es "auch richtig, dass wir uns als SPD insgesamt die Zeit nehmen, nicht einen Vorsitzenden wieder ratzfatz aus dem Hut zu zaubern, einer geht, der nächste kommt, sondern dass wir wirklich mit den Mitgliedern, aber auch mit den Menschen im Land diskutieren".

In der SPD wird erwartet, dass kommende Woche Bewegung in den Bewerbungsprozess kommt und sich weitere potenzielle Kandidaten erklären – vor allem auch Stephan Weil. Zwar läuft die Frist für Anmeldungen noch bis zum 1. September. Allerdings wird an diesem Tag sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen der Landtag gewählt. Zumindest Sozialdemokraten mit politischer Erfahrung und Gewicht wissen, dass die Bekanntgabe einer Kandidatur kurz vor dem Termin die wahlkämpfenden Genossen in den beiden Ost-Bundesländern massiv stören würde, die angesichts schlechter Umfragen ohnehin schon genug Probleme haben. Wer mit dem Gedanken spielt, anzutreten, wird sich deshalb früher entscheiden müssen – und nicht bis zum letzten Tag warten können.

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