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Wohnen in Berlin: Schriftzug an einer Hausfassade.

© imago images / Müller-Stauffenberg

Kampf gegen Mietsteigerungen: Was die Bundesregierung zusätzlich plant

Die Mieten in Großstädten steigen zügig. Die Regierung will noch schärfer dagegen vorgehen. Welche Pläne gibt es – und was taugen sie? Fragen und Antworten.

Es ist sozusagen ihr Abschiedsgeschenk. Nach der Europawahl am 26. Mai will Katarina Barley ihren Posten als Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz abgeben und nach Brüssel wechseln. Vorher hat die Europa-Spitzenkandidatin der SPD am Mittwoch noch mal ein wichtiges Vorhaben vorgelegt, sie will die als wenig zugkräftig geltende Mietpreisbremse verschärfen – denn Mieten wird für immer mehr Bürger zum Verschuldungsrisiko.

Was ist die Mietpreisbremse?

Über 50 Prozent der Bürger wohnen in Deutschland zur Miete – da die Steigerungen in Großstädten zuletzt enorm waren, wurde 2015 von der Bundesregierung die Mietpreisbremse eingeführt. Bei der Wiedervermietung von Wohnungen in Gebieten mit knappem Wohnraum und hohen Mieten darf die Miete seither höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Die Bundesländer können selbst entscheiden, ob eine angespannte Lage vorliegt. Berlin hat die Bremse rasch eingeführt – allerdings greift sie nicht bei Neubauten, nach Luxusrenovierungen oder bei möblierten Wohnungen. Die Schlupflöcher machen das durch Lobbydruck aufgeweichte Projekt aus Sicht der Kritiker eher zu einem „Mietpreisbremschen“.

Was würde sich durch Barleys Vorstoß ändern?

Mieter haben die Option, ihre Vermieter zu rügen, wenn sie den Eindruck haben, dass ihre Miete über dem gesetzlich zulässigen Maß liegt. Die sogenannte Rückzahlpflicht soll nun verlängert werden. Die Miete muss nach einer Rüge angepasst werden und der Mieter bekommt das Geld zurück, das er zu viel gezahlt hat. Das wurde im vergangenen Jahr erleichtert. Bislang wurde hier jedoch nur bis zum Zeitpunkt der Rüge zurückgerechnet. Mit dem neuen Entwurf soll dieser Zeitraum bis zur Vertragsunterzeichnung ausgedehnt werden. Bisher hatten es Vermieter darauf ankommen lassen, eine Rüge zu bekommen, weil sie erst von der Rüge an die Miete zurückzahlen mussten. Dieser Anreiz würde künftig entfallen, weil sie rückwirkend bis zur Vertragsunterzeichnung die Miete zurückzahlen müssen.

Ist das die einzige Nachschärfung?

Nein, Barley setzt auf eine zusätzliche Abschreckung von Vermietern, die bisher eher lässlich mit den gesetzlichen Bestimmungen umgehen. Dies betrifft den „Mietwucher“-Paragrafen im Strafgesetzbuch (Artikel 5), der bei völlig überhöhten Mietforderungen greift und drastische Strafen nach sich zieht. Genauso hoch war hier allerdings die Schwelle für einen Nachweis von Mietwucher, denn der Mieter musste nachweisen, dass der Vermieter eine Not- und Zwangslage ausnutzen wollte. Und wer kann das schon? Nun soll der Inhalt der Vorschrift ins Zivilrecht überführt werden, indem es im Bürgerlichen Gesetzbuch festgehalten wird. Das würde die Schwelle für die Verurteilung zu Strafzahlungen senken.

Die Mietpreisbremse ist auf fünf Jahre begrenzt. Wird sie nun verlängert?

Auch das steht im Gesetzesentwurf: „Vor dem Hintergrund der sich deutlich verschärfenden Lage an vielen örtlichen Wohnungsmärkten“ sei die Befristung bis zum 31. Dezember kommenden Jahres nicht gerechtfertigt. Die Frist soll verlängert werden – um weitere fünf Jahre. Unverändert bleibt, dass die Länder die Bremse selbst scharf stellen müssen.

Ein Kritikpunkt ist seit Langem der Mietspiegel – kommt es hier auch zu Nachschärfungen?

Ja, in einem zweiten Entwurf soll die gesetzliche Grundlage für die Erhebung der am Ort üblichen „Vergleichsmiete“ so geändert werden, dass nicht mehr Verträge einfließen, die in den vorangegangenen vier Jahren erhoben wurden, sondern in den vergangenen sechs. Das ist keineswegs eine kleine Korrektur an einem Detail, sondern wird nach Ansicht von Experten den Anstieg der ortsüblichen Mieten gemäß des Mietspiegels verlangsamen – denn vor sechs Jahren waren die Mieten noch weit günstiger. Folglich dämpft das die durchschnittlichen Vergleichsmieten, auf die maximal zehn Prozent aufgeschlagen werden dürfen. Barley erklärte, damit würden Preissprünge am Wohnungsmarkt „nicht mehr so krass auf die Mieten durchschlagen“.

Wie realistisch ist es, dass die Entwürfe durchkommen?

Schon bei der Ankündigung hatte der Koalitionspartner CDU/CSU kräftig gebremst. Barley sieht dem Tauziehen in der großen Koalition mit „relativ viel Optimismus“ entgegen und berief sich auf Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag. „Ich bin aber auch Realistin“, fügte die Noch-Ministerin hinzu: „Die Auseinandersetzungen auf diesem Feld sind unheimlich hart, härter als auf anderen Gebieten“. Der nordrhein-westfälische CDU-Ministerpräsident Armin Laschet sowie Mietrechtsexperten der CDU/CSU hatten bereits im Vorfeld die Idee zur Rückzahlungspflicht zu viel bezahlter Mieten ab Vertragsunterzeichnung scharf kritisiert.

Die Deutsche Wohnen bezweifelt die Rechtssicherheit des Mietspiegels, der bei den Bestandsmieten die entscheidende Rolle spielt. Gibt es hier Reformen?

Nein, diese Forderung, die beispielsweise auch die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher (Linke), am Montag zur Vorstellung des Berliner Mietspiegels erneut erhob, erhörte Barley nicht. Dabei entzweit dieser Streit sogar die Gerichte: Eine Kammer des Berliner Landgerichts beispielsweise zog bei strittigen Fällen wiederholt Gutachter zu Rate und verurteilte einen Mieter zu Mieterhöhungen. Eine andere Kammer dagegen kippte ein Gutachten und begründete das damit, dass die Zahl der vom Gutachter herangezogenen Wohnungen bei Weitem nicht so groß sei wie zur Ermittlung der ortsüblichen Miete im Mietspiegel. Dieser Streit dürfte auch wegen der Bedenken von Berlins größtem Vermieter Deutsche Wohnen so lange anhalten, bis der Gesetzgeber einschreitet.

Ist darüber hinaus noch etwas geplant von der Bundesregierung?

Ja, auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) „plant noch Maßnahmen“,sagte Barley. Ihr Wunsch ist es, dass ihre zwei Gesetzesentwürfe und der von Scholz als „kleines Mietenpaket“ vom Bundestag verabschiedet werden. Scholz will Barley zufolge „alternative Wohnformen“ begünstigen: So soll eine Studentin, die bei einer älteren Person einzieht und statt der Miete im Haushalt hilft, dafür – anders als bisher – keine Steuern zahlen müssen.

Vor allem in Städten wie Berlin, wo Senioren oft allein in großen Wohnungen leben, könnte dies Schule machen. Steuerfrei und nicht mehr als „geldwerten Vorteil“ einstufen wolle der Finanzminister auch die kostengünstige Überlassung von Wohnraum an Mitarbeiter: Jedenfalls wenn die Miete nicht „zwei Drittel des Ortsüblichen unterschreitet“.

Weil die Mieten so hoch sind, wollen viele eine Immobilie kaufen. Preise sind aber oft horrend. Dazu kommen Maklerkosten. Wollte die SPD das nicht auch ändern?

Ja, die Sozialdemokraten wollten das „Bestellerprinzip“ einführen. Wie in der Kneipe sollte bezahlen, wer bestellt. Bisher bestellen Verkäufer einen Makler und der Käufer muss zahlen. 7,5 Prozent des Kaufpreises in Berlin. „Dabei muss der nur über die Straße gehen und vor sich her murmeln, dass er eine Wohnung hat und schon ist sie weg“, sagt Barley. Das sei keine generelle Geringschätzung der Makler-Tätigkeit: In weniger gefragten Städten müssten Makler hart arbeiten, um Wohnungen zu verkaufen. Und der Blick aufs Ausland zeige, dass „realistische Courtagen“ dort bezahlt würden, wo der Verkäufer die für ihn erbrachte Leistung bezahlen müsse. Aber der Widerstand gegen diese Reform ist groß.

Wie groß ist inzwischen das Verschuldungsrisiko durch die Wohnproblematik?

Sehr groß. Selbst Haushalte mit mittleren Einkommen könnten wegen gestiegener Wohnkosten kaum noch Rücklagen bilden für unvorhergesehene Rechnungen oder Reparaturen, warnt die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung. Bei ihrer Jahresfachtagung in Erfurt legte die Bundesarbeitsgemeinschaft am Mittwoch eine ganze Reihe von Forderungen vor. So soll die Vergabe von mietpreisgebundenen, staatlich geförderten Sozialwohnungen nicht mehr von der Vorlage einer Auskunft zur Kreditwürdigkeit abhängig gemacht werden.

Das größte Problem für überschuldete Personen sei, „dass sie nichts mehr bekommen, sobald sie einen negativen Schufa-Eintrag haben“, sagte Geschäftsführerin Ines Moers der dpa. Eine weitere Forderung: Beantragen Menschen, deren Einkommen gepfändet wird, einen Wohnberechtigungsschein oder Wohngeld, soll nicht das Nettoeinkommen berücksichtigt werden, sondern das nach der Pfändung noch verfügbare Geld. Laut Bundesarbeitsgemeinschaft sind rund 6 bis 7 Millionen Menschen in Deutschland überschuldet – das heißt, die Zahlungspflichten sind auf Dauer höher als die Einkommen.

Die Bundesregierung will zudem das Wohngeld ab 2020 auf 190 Euro erhöhen, um Mietern zu helfen. Denn immer öfter frisst die steigende Miete den Lohn auf – daher dürfte dies nicht der letzte Bremsversuch werden.

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