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Polizei-Kontrolle in der Kurfürstenstraße in Berlin

© dpa

Kampf gegen Menschenhandel: Prostitutions-Verbot: Schweden als Vorbild für Deutschland?

"Prostitution abschaffen" fordert die feministische Zeitschrift "Emma". In Schweden gibt es schon seit 1999 Haftstrafen für Freier - mit offenbar positiven Auswirkungen. Viele Aktivisten würden ein ähnliches Gesetz auch gerne in Deutschland einführen.

Prostitution wird in Deutschland meistens geduldet. Allerdings gibt es um Sperrgebiete und Zonen, in denen das Gewerbe erlaubt ist, auch immer wieder Streit. Deshalb gibt es seit einiger Zeit auch in Deutschland eine Debatte darüber, ob Prostitution nicht generell verboten werden sollte.

Die schwedische Justizkanzlerin Anna Skarhed, die ein entsprechendes Gesetz in Schweden schon 1999 vorbereitet hat, ist mit der Wirkung zufrieden: „Wir haben es geschafft, die gesellschaftliche Wahrnehmung zu verändern.“ Skarhed hat am Freitag zu einer Veranstaltung der schwedischen Botschaft in Berlin den Stockholmer Polizisten Jonas Trolle mitgebracht, der sich über eine hohe Erfolgsquote bei der Aufdeckung von Prostitution und Menschenhandel freut: „So einfach wie es für die Freier ist, die Prostituierten zu finden, so einfach ist es für uns, die Täter zu finden.“

Vor 12 Jahren wurde in Deutschland genau das Gegenteil gemacht. Der Bundestag beschloss, dass Prostitution nicht mehr sittenwidrig ist. Eine Deregulierung der Prostitution sollte das Geschäft aus der Schmuddelecke holen und den Frauen so mehr Schutz bieten. Allerdings behaupten Kritiker, Deutschland sei zum Bordell Europas verkommen. Sollte man also den schwedischen Weg in Deutschland ebenfalls gehen?

Im Herbst hat die „Emma“ eine Kampagne gestartet: „Wir fordern: Prostitution abschaffen!“. 90 Prominente machten sofort mit. Zahlreiche weitere schlossen sich an. Die Emma-Frauen wollen das schwedische Modell auch für Deutschland. Deshalb haben sie zum Vortrag in die schwedische Botschaft eingeladen, wo Polizisten, Anwälte und Sozialarbeiterinnen aus Deutschland und Schweden berichteten, wie sie mit Prostitution umgehen, was sich verändert hat und vor welchen Herausforderungen sie stehen.

Der Riss geht mitten durch Europa

Die Debatte um Prostitution beschäftigt Europa seit Monaten. Frankreich hat es Schweden nachgemacht: Neuerdings werden auch dort die Freier bestraft. Das Europäische Parlament hat vor zwei Wochen eine nicht bindende Resolution verabschiedet, in der es den Ländern empfiehlt, es Schweden und Frankreich gleich zu tun und den Kauf von Sex zu kriminalisieren. Dabei gehe es darum, Menschenhandel zu bekämpfen. Aber auch freiwilliger gekaufter Sex verletze die Menschenwürde. Das ist der Tenor.

Doch ist dieser schwedische Weg umstritten. Es gibt auch Gegenstimmen, auch unter Feministinnen, die auf die Selbstbestimmung der Frau abheben und sagen, wenn eine Frau sich freiwillig entschließt, ihr Geld in diesem Gewerbe zu verdienen, habe ihr keine "Emma" und keine Regierung dreinzureden. Was hilft den Prostituierten wirklich? Eine Bestrafung der Freier oder die Legalisierung ihres Geschäfts?

70 Prozent der Schweden lehnen Prostitution ab

Die schwedische Justizkanzlerin Anna Skarhed berichtet, durch das Gesetz habe sich nicht nur die Straßenprostitution halbiert, sondern auch die Einstellung der Menschen geändert. Die meisten Schweden lehnten heute Prostitution ab. Sex für Geld, das gebe es immer weniger, Schweden sei einfach kein attraktiver Markt mehr für Zuhälter und Menschenhändler. Im Vergleich mit den liberaleren Nachbarn Dänemark und Norwegen sei hier ein Fortschritt klar zu erkennen.

In Deutschland sind Flatrate-Bordelle salonfähig.

In Deutschland ist es schwer, zu handeln

Uwe Dörnhöfer von der Kriminalpolizei München hingegen kämpft mit vielen Widrigkeiten. "Freiwillige Prostitution" sei zwar legal, tatsächlich sei Zwangsprostitution aber Alltag. Gegen die versuche er vorzugehen. Doch da der Kauf einer solchen Dienstleistung nicht unter Strafe steht, und die Zuhälter und Vermittler im Verborgenen operieren, würden oft nur die Huren bestraft. Auch was den Kampf gegen Menschenhandel angehe, seien den Beamten oft die Hände gebunden, da klare Beweise und dezidierte Aussagen der Opfer nötig seien, berichtet die deutsche Staatsanwältin Kerstin Lotz. In Schweden sei es da viel einfacher zu handeln, bestätigt ihr schwedischer Kollege Thomas Ahlstrand.

Gibt es glückliche Huren?

Die deutsche Sozialarbeiterin Sabine Constabel kennt die Realität deutscher Prostituierter. Die meisten kämen aus Osteuropa, seien blutjung und wüssten nicht einmal, was ein Kondom ist. Nach dem Prinzip „Höchste Leistung zum billigsten Preis“ müssten sie sich verkaufen. Was die Männer von ihnen verlangten sei grausam, die jungen Mädchen hätten von den meisten Praktiken vorher noch nie gehört. Von Freiwilligkeit lasse sich da nicht sprechen.

Höchstens 20 Prozent der deutschen Prostituierten hätten eine Alternative zum Anschaffen. Für die vielen ausländischen Zwangs- und Armutsprostituierten würde der Ausstieg Hunger und Elend bedeuten. „Ich habe noch keine einzige glückliche Hure gesehen“, sagt die schwedische Sozialarbeiterin Lisa Green. Und überhaupt, ergänzt Constabel, selbst solche die nach eigener Aussage gern als Hure arbeiten, redeten sich die Freiwilligkeit doch nur ein: „Prostitution ist nun mal ein großes Theater: Da werden Illusionen verkauft.“ Davon lebe das Geschäft, daran klammerten sich die Frauen.

Flatrate-Bordelle sind in Deutschland salonfähig

Moderator Ranga Yogeshwar, einer der Erst-Unterzeichner des "Emma"-Appells, erzählt immer wieder von seinen jugendlichen Kindern. Dass 18-jährige Jungs Pornos sähen und nach einer Abitur-Feier ins Bordell weiterzögen, sei kein Skandal, sondern normal. Selbst Flatrate-Bordelle seien doch in Deutschland salonfähig. Wie kann das sein?, fragt er seine Gäste in der schwedischen Botschaft.

Tatsächlich sei die Akzeptanz in Schweden geringer. „An einem Bordell vorbeizukommen, wäre ein Schock“, findet Sozialarbeiterin Green. Es sei doch so: Dass Frauen Sexobjekt und Ware sind, ist nicht nur im Bordell so, dieses Bild werde auch in Fernsehshows, Musikvideos und Werbung vermittelt. Das schwedische Prostitutions-Gesetz sei ein erster Schritt in die andere Richtung, dessen Ziel die Geschlechtergleichheit sei.

Große Einigkeit im Saal

Dass Schweden hier das Vorbild ist, da sind sich alle einig. Am liebsten würden sie das Gesetz gleich morgen auch in Deutschland einführen. Bleibt Ranga Yogeshwar nur die Frage, wieso das nicht passiere. Wieso sind die Schweden uns da so weit voraus? „Tja, wir sind einfach fantastisch“ lacht Schwedin Green. Und das findet auch das Publikum und lacht beherzt mit. Es wird überhaupt viel applaudiert und „Genau“ und „Richtig“ gemurmelt.

Kritische Stimmen, und das ist das große Manko dieser Veranstaltung, gibt es nicht. Wirklich belastbare Zahlen haben die Schweden nicht geliefert. Eine Diskussionen war nicht vorgesehen.

Die Sexarbeiterinnen selbst oder Vertreter von Hurenverbänden wurden gleich gar nicht eingeladen. Auf eine Aktion barbusiger Femen-Aktivistinnen wartete man vergeblich, die Mädchen hörten mit ihren Blumenkränzen auf dem Kopf brav zu. Sie sind nämlich auch Alice Schwarzers Meinung. 

Zwischen freiwilliger, erzwungener und Armutsprostitution wurde nicht unterschieden. Das sei nicht zu unterscheiden, die Grenzen fließend, hieß es. Kann man aber wirklich eine Sexarbeiterin im noblen Studio mit einer verschleppten, minderjährigen Osteuropäerin vergleichen?

Und: Die Frage, wie die Erfolge des schwedischen Gesetztes gemessen werden könnten, wurde nicht beantwortet. Gibt es in diesem undurchsichtigen Geschäft überhaupt verlässliche Zahlen? Kann ein Verbot die die Prostitution wirklich abschaffen oder wandert diese nicht in den Untergrund ab? Viele Fragen blieben offen.

So war diese Veranstaltung in der schwedischen Botschaft eher eine Gemeindeversammlung, in der die eh schon Überzeugten gestärkt wurden, aber keine Veranstaltung, aus der Zweifler klüger herausgegangen wären als sie hineingegangen sind. Schade. Wenn die Verfechter des schwedischen Weges von seiner Richtigkeit so überzeugt sind, hätten sie doch locker den Gegenargumenten der Kritiker standhalten können. Sind sie sich also selber noch nicht ganz sicher? Dann wäre es umso fruchtbarer gewesen, sich auch die Gegenseite anzuhören.

Livia Gerster

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