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Saif al-Kasaesbeh (rechts), der Vater des ermordeten jordanischen Piloten bei einer Trauerfeier. Ist dies der Wendepunkt im Kampf gegen den IS?

© Reuters

Kampf gegen "Islamischen Staat": Wie stabil ist Jordanien?

Nach dem grausamen Mord am jordanischen Piloten Muas al Kasasba steht das kleine Königreich im Nahen Osten im Fokus. Es ist einer der schwächsten Staaten innerhalb der Anti-Terror-Koalition. Wird Jordanien der Bedrohung durch den IS-Terror stand halten können?

Jordaniens König Abdullah II. war gerade in der amerikanischen Hauptstadt, als ihn die Bilder von dem abscheulichen IS-Video erreichten, auf dem der gefangene F-16-Pilot Muas al Kasasba in oranger Guantanamo-Kleidung bei lebendigem Leib angezündet und verbrannt wird.

„Mit Wut und Trauer haben wir die Nachricht vernommen, dass der Pilot und Held Muas al Kasasba von der Terrororganisation IS getötet wurde - von der feigen, fehlgeleiteten Verbrecherbande, die nichts mit unserer Religion zu tun hat“, erklärte der sichtlich bewegte Monarch noch von Washington aus im heimischen Staatsfernsehen, bevor er seinen US-Besuch abbrach und nach Hause zurückflog.

In solch schwierigen Zeiten sei es Pflicht der Söhne und Töchter der Nation zusammenzuhalten. Dies werde letztlich zu größerer Stärke führen, fügte Abdullah II. hinzu und ließ keine 12 Stunden später als erste Vergeltung zwei verurteilte Extremisten demonstrativ hinrichten, die verhinderte Selbstmordattentäterin Sajida al-Rishawi und das Al Qaida-Mitglied Ziad al-Karboli.

Gleichzeitig kündigte seine Regierung dem „Islamischen Staat“ eine Antwort an, die die Erde werde erbeben lassen. „Das Blut des Märtyrers ist nicht umsonst geflossen“, deklamierte ein Armeesprecher. „Unsere Rache wird das Ausmaß des Schmerzes haben, der allen Jordaniern zugefügt wurde.“ In Amman und Kerak, der Heimat des 26-jährigen Offiziers, kam es zu spontanen Protesten gegen die mörderischen Fanatiker, aber auch gegen die eigene Regierung.

Risse in der Koalition gegen den IS

Und so können weder die martialische offizielle Rhetorik noch die Sprechchöre auf den Straßen verdecken - der Schock sitzt tief in Jordanien und der Druck wächst, aus der Anti-IS-Koalition auszuscheiden. Neben den USA, Frankreich und Großbritannien beteiligten sich bislang auch Saudi-Arabien, die Emirate und Bahrain an den Luftangriffen gegen die blutrünstige Terrormiliz. Doch mittlerweile zeigt die fragile, regionale Kriegskoalition erste Risse.

Die Saudis fliegen nur noch wenige symbolische Einsätze. Die Emirate, die sich anfangs mit einer Bomberpilotin brüsteten, stiegen sogar ganz aus, wie die „New York Times“ am Mittwoch berichtet. Bereits kurz nach der Gefangennahme des Jordaniers am 24. Dezember beorderte Abu Dhabi alle F-16-Jets auf die Fliegerhorste zurück aus Angst um seine Piloten.

Auch in Jordanien billigen längst nicht alle der acht Millionen Einwohner den Kriegskurs ihres Monarchen. Der Twitter-Hashtag „#Dieser Krieg ist nicht unser Krieg“ ist extrem populär. Jordanien ächzt unter der Last von mehr als einer Million syrischer Flüchtlinge. Mit dem Irak teilt sich das Königreich eine 180 Kilometer lange Grenze, an die der „Islamische Staat“ nach seiner Mosul-Großoffensive im letzten Sommer bis auf wenige Kilometer herangerückt ist.

König Abdullah II. hat daher vorsorglich auf irakischer Seite etwa hundert Spezialkräfte stationieren lassen, um zu verhindern, dass IS-Kämpfer Grenzübergänge angreifen und in ihre Gewalt bringen. Entlang der Grenze, die größtenteils durch Wüste führt, wurden die Patrouillen verstärkt. Auf jordanischer Seite stehen 40.000 Soldaten, verstärkt durch 1000 US-Elitetruppen, die eigentlich hierher verlegt worden waren, um bewaffnete Übergriffe aus dem Bürgerkriegsland Syrien abzuwehren.

Ist es nun vorbei mit der Zustimmung für den IS?

Saif al-Kasaesbeh (rechts), der Vater des ermordeten jordanischen Piloten bei einer Trauerfeier. Ist dies der Wendepunkt im Kampf gegen den IS?
Saif al-Kasaesbeh (rechts), der Vater des ermordeten jordanischen Piloten bei einer Trauerfeier. Ist dies der Wendepunkt im Kampf gegen den IS?

© Reuters

Auch bei einem Teil der jordanischen Bevölkerung genießt der „Islamische Staat“ Sympathie und Zustimmung, deren genaue Dimensionen sich – wie in Saudi-Arabien, Libanon oder Kuwait – nur schwer abschätzen lassen. Die Anhänger kommen meist aus den Armenvierteln der Städte Amman, Irbid, Zarqa oder Maan, wo salafistische Prediger und Muslimbrüder das ideologische Monopol haben. 2000 bis 2500 Jordanier kämpfen in Syrien und Irak in den Reihen der Extremisten - nach Tunesien und Saudi-Arabien das drittgrößte arabische Ausländerkontingent. Videos von jordanischen Jihadis, die ihre Pässe zerreißen und König Abdullah II. mit dem Tode drohen, zirkulieren seit Monaten im Internet.

Und so ließ der Staatschef kürzlich die Richtlinien für islamische Prediger und die Strafen für Online-Hetzer drastisch verschärfen. Verboten wurden alle Aussagen, die zur Gewalt gegen die Königsfamilie sowie gegen Staatschefs anderer arabischer Staaten, Amerikas oder Europas anstacheln. Verfolgt werden Cyber-Werber, die junge Leute für den Islamischen Staat zu rekrutieren versuchen. Folgsame Kleriker dagegen bekommen ein staatliches Monatssalär von umgerechnet 500 Euro plus Prämien für religiöse Fortbildung oder Reisen ins Ausland.

„Es gibt keine Jobs, keine Entwicklung und keine Würde.“

Die stärkste Bastion radikaler Kräfte in Jordanien ist Maan, 200 Kilometer südlich von Amman. Die Stadt ist seit zwei Jahrzehnten ein Unruheherd. Ihre Arbeitslosigkeit liegt bei über 20 Prozent, ihre Armutsrate bei nahezu 25 Prozent - und ist damit die höchste im ganzen Land. Die einzige Präsenz des Staates sei die Präsenz der Bereitschaftspolizei, beklagte einer der Stadtväter bitter. „Es gibt keine Jobs, keine Entwicklung und keine Würde.“

Mehrmals in den letzten zwölf Monaten, zuletzt im Oktober, kam es zu islamistischen Aufmärschen, bei denen Teilnehmer auch die schwarzen Fahnen des „Islamischen Staates“ schwenkten. Deren Propagandisten bejubelten dann auch die unruhige Islamistenhochburg in einer Serie von Internetbotschaften und priesen Maan als das „Fallujah Jordaniens“. Das irakische Fallujah in der sunnitischen Anbar-Provinz hatte der „Islamische Staat“ im Januar 2014 als erste Stadt Mesopotamiens erobert. Damit legten seine Krieger das Fundament für die große Offensive im letzten Sommer, durch die ihnen am Ende 40 Prozent des irakischen Staatsterritoriums in die Hände fiel.

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