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Olaf Scholz.

© Axel Schmidt/Reuters

Kampf gegen Geldwäsche: Scholz muss Schäubles großes Rad vergrößern

Da hatte sich der Ex-Finanzminister verschätzt: Die Behörde gegen Geldwäsche ist zu klein und unzulänglich ausgestattet, und ihr fehlt Expertise. Nachfolger Olaf Scholz muss nachjustieren

Wolfgang Schäuble wollte ein größeres Rad drehen im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung. Lange lagen ihm internationale Partner in den Ohren, Deutschland tue hier zu wenig. Auch innenpolitisch schaukelte sich das Thema hoch. Und so handelte der CDU-Politiker und schuf eine Behörde. Genauer gesagt: Er holte die seit längerem bestehende Finanzaufklärungseinheit, der offizielle Titel lautet "Financial Intelligence Unit" (FIU), vom Bundeskriminalamt zum Zoll und damit in den Verantwortungsbereich des Finanzministers. Das war im vorigen Jahr. Im Juni startete die neue Zollbehörde, kurz vor der Bundestagswahl, nach der Schäuble dann Bundestagspräsident wurde. Das Ministerium war monatelang ohne Kopf, bevor Olaf Scholz das Amt im März übernahm.

Zwischenzeitlich hatte sich die Opposition auf die FIU eingeschossen, gipfelnd in einer Bundestagsdebatte Anfang Juli, in der der Linken-Bundestagsabgeordneten Fabio de Masi die Bundesrepublik als „Gangsterparadies“ bezeichnete. „Hunderte Milliarden Euro schmutziges Geld aus Korruption, Menschen-, Waffen- und Drogenhandel oder Steuerhinterziehung der Reichen und Mächtigen werden jedes Jahr in Deutschland gewaschen“, sagte de Masi, geübt in der Kunst der Übertreibung. Doch über Anfragen hatten er und andere Abgeordnete herausgefunden, dass das Projekt Geldwäschebekämpfung im Finanzministerium alles andere als rund lief. Bis März hatten sich wegen Personalmangels und Softwareproblemen fast 30000 unbearbeitete Verdachtsmeldungen von Banken und anderen Finanzinstituten angesammelt, die zu sichten und zu bewerten Aufgabe der FIU ist. Immerhin 13380 Vorgänge konnten an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet werden, gut 9000 wurden wegen fehlenden Verdachts zu den Akten gelegt.

Notfalleinsatz beim Zoll

165 Mitarbeiter sollte die Einheit haben, bis heute sind nur gut hundert Stellen besetzt. Um den Meldungsstau abzubauen, mussten hunderte Zollbeamte von ihren Aufgaben abgezogen werden. Weil das EDV-System nicht funktionierte, liefen Meldungen per Fax ein und mussten von zusätzlich eingestellten „Datenerfassungskräften“ händisch ins System eingegeben werden. Immerhin scheint die Sache nun einigermaßen im Griff zu sein: Zum 6. Juli, heißt es im Finanzministerium, sei der Meldungsstau so weit abgearbeitet worden, dass zumindest alle Vorgänge einmal durchgesehen wurden. Die prioritären Fälle, das sind vor allem jene mit Verdacht auf Terrorfinanzierung, sind demnach jetzt bei den Ermittlungsbehörden gelandet.

Scholz und seine neue Führungscrew haben einige Monate gebraucht, sich ein Bild zu machen. Das Ergebnis: Der Leiter der FIU bekommt eine neue Aufgabe beim Zoll, der neue Chef – ebenfalls ein Zollbeamter – fängt am 1. August an. Die Zahl der festen Planstellen soll fast verdreifacht werden – auf 475, ein Zeichen dafür, wie sehr Vorgänger Schäuble sich beim Bedarf verschätzt hatte. Freilich weiß man auch im Ministerium, dass es schwierig wird, diese Stellen bis zum kommenden Jahr auch zu besetzen. IT-Kräfte vor allem sind begehrt, und schon beim Wechsel der Ressortzuständigkeit vom BKA zum Zoll gingen die Polizisten nicht mit. Die FIU hatte daher zuletzt nur zwei Mitarbeiter mit echter Ermittlungserfahrung im Geldwäschemetier. Ein Grund: Beim Zoll arbeiten Polizeikräfte fünf Jahre länger als bei der Bundespolizei.

Sammel- und Sortiereinheit

Allerdings ist die FIU bisher gar nicht als Polizeieinheit gedacht, sondern als Sammel- und Sortierbehörde für Verdachtsfälle. Die müssen Banken und Geldinstitute nach dem Geldwäschegesetz melden. Etwa wenn Finanztransaktionen der Höhe oder der Menge nach einen Verdacht begründen oder der Bank bekannt wird, dass ein Kunde zum Beispiel im Drogenmilieu aktiv ist oder im Immobiliensektor auffällige Geschäfte tätigt.

Freilich fehlt der FIU der Einblick in wesentliche Bereiche der Geldwäsche und der Terrorfinanzierung. So ist der Nichtfinanzsektor kaum im Visier; hier soll weiterhin versucht werden, das Meldeverhalten im Immobiliengeschäft und bei den Rechtsberatern zu verbessern. Und völlig neu für die staatlichen Kontrolleure ist die Geldwäsche mittels Kryptowährungen wie Bitcoin.

Polizeigewerkschaft fordert mehr Expertise

Ziel ist jedenfalls, die FIU schlagkräftiger zu machen – auch durch den Einsatz von mehr Leuten mit kriminalistischer Erfahrung. Ob es so viele werden, wie die Gewerkschaft der Polizei (GdP) für richtig hält, ist aber ungewiss. Frank Buckenhofer, Chef der Bezirksgruppe Zoll der GdP, hält es zwar für eine richtige Entscheidung, dass die FIU in den Sprengel des Finanzministeriums verlegt wurde, weil hier die Polizeikompetenz mit der Finanzkompetenz zusammenkomme. Aber es ist ihm eben zu wenig kriminalpolizeiliche Expertise in der FIU. „Der Großteil derjenigen, die heute entscheiden, ob ein Verdacht konkret genug ist, um die Ermittlungsbehörden einzuschalten, sollte entsprechenden Sachverstand haben“, sagte er dem Tagesspiegel. Da im Bundestag aber nicht mehr die Polizeikenner im Innenausschuss zuständig seien, sondern der Finanzausschuss, sieht er die FIU - wie auch den gesamten vollzugspolizeilichen Zoll - ein wenig im „parlamentarischen Schatten“.

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