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Er habe die "EU-Bürger als Sündenböcke missbraucht" und die "schrecklichste Wahlkampagne" gefahren, die sie je erlebt habe, sagte Maike Bohn von 3Million.

© AFP

Kampf für die Rechte der EU-Bürger: Lobbyorganisation hält Johnson-Regierung für überfordert

Die „3Million“ kämpfen für die Rechte von EU-Bürgern. Denen drohe im schlimmsten Falle die Abschiebung. Die Initiative geht von einem jahrelangen Kampf aus.

Die Lobbyorganisation der EU-Bürger in Großbritannien hält die Regierung von Premierminister Boris Johnson mit dem Brexit für völlig überfordert. „Der Brexit überfordert die Regierung total, und wir könnten dabei unter die Räder kommen“, sagt Maike Bohn, deutsche Auswanderin und Sprecherin von „3Million“, der Lobbyorganisation der geschätzt mehr als drei Millionen EU-Bürger in Großbritannien. Johnson habe die Parlamentswahl „mit der schrecklichsten Wahlkampagne, die ich in meinen 25 Jahren hier erlebt habe“, gewonnen, sagt Bohn im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Das Unterhaus hatte gestern mit großer Mehrheit den Brexit-Vertrag angenommen.

„Er hat die EU-Bürger als Sündenböcke missbraucht und behauptet, dass wir das Gesundheitssystem aussaugen und dass Terroristen aus der EU nach England kommen.“ Tatsächlich zeigten aber Berichte der eigenen Regierung, dass Großbritannien von der Einwanderung profitiere. „Ein Regierungsoberhaupt darf solche Lügen nicht verbreiten.“ Als besonders gravierend erachtet die Sprecherin Johnsons Aussage, dass EU-Bürger Großbritannien viel zu lange wie ihr „zuhause“ behandelt hätten: „Das ist so, als würde Merkel sagen, die Türken hätten sich in Deutschland viel zu breit gemacht.“ Auch nach dem Brexit bleibe die Gefahr, dass Johnson EU-Bürger weiterhin als „politischen Spielball“ benutzen werde, sagt Bohn. „Durch die rechten Parolen dieser Regierung, die unsere Rechte gerne noch weiter einschränken möchte, ist kein Vertrauen mehr da.

Johnson benutze die EU-Bürger als Sündenböcke

Die „3Millions“ sammeln derzeit Spenden, um sich für geplante Gerichtsprozesse zu rüsten. Zu ihren Kernforderungen gehört etwa, das derzeitige System, in dem sich EU-Bürger für einen Aufenthaltstitel bewerben müssen, durch eine einfache Registrierung zu ersetzen, die auch nach der Übergangsphase noch offen ist. „Es werden sich niemals alle rechtzeitig bewerben“, befürchtet Bohn. Vor allem Kinder, sozial Benachteiligte, Senioren und Studenten seien sich oftmals nicht bewusst, dass auch sie betroffen sind. Ohne Aufenthaltstitel droht ihnen ab Mitte 2021 die Abschiebung.

Schließlich fordern die „3Million“ eine „wirklich unabhängige“ Institution, die über die Umsetzung des Austrittsabkommens wacht. „Das Problem ist, dass viele Immigrationsregeln von der Regierung einfach geändert werden können“, sagt Bohn. Es sei ein Fehler der EU gewesen, dass sie der britischen Regierung in vielen Fragen Handlungsspielraum eingeräumt habe. Eigentlich wollten sich die „3Million“ mit dem Brexit auflösen. „Viele dachten, wenn das Brexit-Abkommen unterzeichnet ist, gäbe es keine Probleme mehr für uns.“ Nun drohten aber hunderttausende Menschen von der Brexit-Bürokratie „zermalmt“ zu werden. Bohn richtet sich deshalb noch auf einen jahrelangen Kampf ein. (AFP,Tsp)

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