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Plakat der Kampagne gegen Soros

© Attila Kisbenedek/AFP

Kampagne gegen Soros in Ungarn: "Das erinnert an Europas dunkelste Stunden"

Der US-Milliardär George Soros ist entsetzt über eine millionenschwere Plakataktion der Regierung Orban gegen ihn - wie auch die Zivilgesellschaft. Israel dagegen heißt sie gut.

Von riesigen blauen Plakaten schaut das Gesicht des US-Finanzinvestors und Milliardärs George Soros auf die Passanten herab. Ganz Budapest scheint damit tapeziert zu sein. Sogar auf den Böden der Straßenbahnen sieht man das hämisch wirkende Grinsen des 86-Jährigen. „99 Prozent lehnen illegale Einwanderung ab“, ist neben dem Foto zu lesen. Darunter, in großen Lettern: „Lassen wir nicht zu, dass es Soros ist, der am Ende lacht!“

18 Millionen Euro für Plakate

Die Aktion der Regierung von Viktor Orban hat umgerechnet mehr als 18 Millionen Euro gekostet. Sie ist Teil einer Kampagne gegen die Arbeit des Philanthropen Soros, der einst Orbans Studium in Oxford finanzierte. In diesen Kontext gehört auch das Gesetz gegen die Central European University und das sogenannte NGO-Gesetz. Seit Juni sind Nichtregierungsorganisationen mit ausländischen Geldgebern verpflichtet, sich in Ungarn offiziell registrieren zu lassen und ihre Finanzquellen offenzulegen. „In dieser Kampagne geht es der Regierung darum, im öffentlichen Raum überall präsent zu sein,“ erklärt Réka Kinga Papp, Kommunikationsberaterin für Nichtregierungsorganisationen. Solange das Feindbild der Migranten bedient wird, lenke die Regierung von der Korruption in den eigenen Reihen ab.

Plakatkampagne am Bahnsteig einer U-Bahn.
Plakatkampagne am Bahnsteig einer U-Bahn.

© Pablo Gorondi/AP/dpa

Jüdische Gemeinschaft warnt vor antisemitischen Gefühlen

Zudem erklärt die konservative Regierung nun den ungarischstämmigen Juden Soros und „seine NGOs“ gewissermaßen zu Feinden des Landes – und bedient damit indirekt antisemitische Klischees. Das sieht zumindest die jüdische Gemeinschaft des Landes so. „Diese Kampagne ist zwar nicht offen antisemitisch, aber sehr geeignet dafür, dass sie unkontrollierte antijüdische Gefühle weckt“, schrieb Andras Heisler, Präsident der Gemeinschaft Jüdischer Gemeinden in Ungarn (Mazsihisz), vergangene Woche in einem offenen Brief an Orban. Wie zur Bestätigung erschien am Montag ein Artikel in der regierungstreuen Zeitung „Magyar Idök“ (Ungarische Zeiten), in dem George Soros als „wahrhaftiger Präsident“ der Europäischen Kommission darstellt wird, der an der Marionette Jean-Claude Juncker die Strippen zieht.

George Soros kritisiert die Kampagne

Auch der Angegriffene ist entsetzt. „Die Kampagne erinnert an Europas dunkelste Stunden“, sagte ein Sprecher von Soros dem Tagesspiegel und fügte hinzu: „Die ungarische Regierung stellt Soros’ Ansichten zu Migration und Flüchtlingen bewusst falsch dar.“ Während der Milliardär mit den von ihm geförderten Projekten europäische Werte vertrete, sei die Fremdenfeindlichkeit der Regierung Orban anti-europäisch. Die wiederum will den Vorwurf des Antisemitismus nicht gelten lassen. Der Premier selbst verteidigt die Kampagne mit dem Hinweis, Soros sei für massenhafte illegale Einwanderung vor allem aus dem Nahen Osten verantwortlich, die wiederum Ungarns Sicherheit bedrohe. Jeder, der dies tue, müsse mit „Gegenmaßnahmen“ rechnen – völlig unabhängig von Herkunft oder Religionszugehörigkeit.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hält am 10.02.2017 im Burggarten-Basar in Budapest, Ungarn, seine jährliche Rede zur Lage der Nation.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hält am 10.02.2017 im Burggarten-Basar in Budapest, Ungarn, seine jährliche Rede zur Lage der Nation.

© Szilard Koszticsak/MTI/AP/dpa

Israel unterstützt Orban

Pikanterweise bekommt Orban Unterstützung von Israel – auf höchster Ebene. Zwar schloss sich zunächst Israels Botschafter in Ungarn, Yossi Amrani, der Sichtweise der jüdischen Gemeinden an und warnte, mit den Plakaten werde Hass wie Angst geschürt. Doch kurze Zeit später relativierte das von Premier Bibi Netanjahu geführte Außenministerium in Jerusalem die Äußerung ihres eigenen Diplomaten. Man verurteile generell jede Form von Antisemitismus. Das bedeute jedoch nicht, so hieß es sinngemäß in einer Stellungnahme, dass es zwingend falsch sei, Soros zu kritisieren. Dieser würde in Israel Organisationen unterstützen, die den jüdischen Staat verleumdeten und dessen Recht auf Selbstverteidigung infrage stellten.

Netanjahu am Dienstag zu Gast in Budapest

Orban und Netanjahu, der am Dienstag als offizieller Gast in Budapest erwartet wird, eint nicht nur der gemeinsame Gegner Soros. Israels Ministerpräsident ärgert sich wie sein ungarischer Amtskollege über verschiedene NGOs. Vor einem Jahr wurde ein „Transparenz“-Gesetz verabschiedet, das Organisationen schärfere Auflagen für ihre Arbeit macht. So müssen Gruppen, die mehr als die Hälfte ihrer Zuwendungen aus dem Ausland erhalten, dies in ihren Veröffentlichungen ausweisen. Kritiker sehen darin auch einen Versuch, gerade linke Nichtregierungsorganisationen einzuschüchtern. Ähnliches gilt wohl auch für Ungarn.

Bürger reißen Plakate ab

Die Anti-Soros-Plakatkampagne endet Samstag – pünktlich zum Beginn der Schwimm-WM in Budapest, zu der zahlreiche internationale Gäste erwartet werden. Doch viele Bürger wollten nicht so lange warten. Vielerorts wurden die Slogans mit absurden Sätzen überschrieben, die im Klang dem ursprünglichen Satz ähneln. Zoltán Vajda, Bezirksbürgermeister der linken Partei Együtt („Zusammen“) hat im 16. Bezirk Budapests dazu aufgemuntert, die Plakate abzureißen und stellte Bürgern sogar Polizeischutz zur Verfügung.

Egyutt-Aktivisten zerreißen Plakate in Budapest.
Egyutt-Aktivisten zerreißen Plakate in Budapest.

© Pablo Gorondi/ap/dpa

Vertrauen in NGOs nimmt ab

Ihr Ziel hat die Regierungsaktion womöglich dennoch erreicht. „Viele Menschen trauen sich nicht mehr, die Hilfe von NGOs in Anspruch zu nehmen“, sagt Reka Kinga Papp. „Währenddessen brechen zivilgesellschaftliche Organisationen zusammen und können grundsätzliche Hilfe für Obdachlose, behinderte Menschen oder Waisenkinder nicht mehr leisten.“ Große internationale Spenderorganisationen scheuen sich immer häufiger, Projekte in Ungarn zu unterstützen, da die politische Situation zu unsicher ist, um eine Durchführung zu garantieren.

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