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Startet durch bei der Digitalisierung: Gesundheitsminister Jens Spahn am Mittwoch im Bundeskabinett.

© Tobias Schwarz/AFP

Kabinett beschließt Spahns Digitalisierungsgesetz: Gesundheits-Apps künftig auf Rezept

Jens Spahn darf Ernst machen mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Das Kabinett billigte seine Pläne. Allerdings erst mal nur in abgespeckter Version.

Ärzte sollen ihren Patienten ab Januar nicht nur Medikamente und traditionelle Heilanwendungen, sondern auch Gesundheits-Apps verschreiben dürfen. Das sieht ein Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn vor, den das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat. Dabei geht es beispielsweise um Anwendungen, die chronisch Kranke an das regelmäßige Einnehmen ihrer Arznei erinnern, oder Tagebücher für Diabetiker. Die Krankenkassen haben den gesetzlich Versicherten solche digitalen Helfer künftig zu erstatten. Einzige Bedingung dafür: Die Apps müssen eine grobe Sicherheits- und Qualitätsprüfung bestanden haben.

Solche Angebote könnten die Versorgung der Patienten verbessern und die Arbeit der Ärzte erleichtern, sagte Spahn. Die Patienten sollten sich darauf verlassen können, dass digitale Anwendungen und sinnvolle Apps „schnell und sicher in die Versorgung kommen“.

Kassen zahlen Digitalanwendungen ein Jahr auf Probe

Dafür soll für die Hersteller nun ein zügiger Zulassungsweg geschaffen werden. In einer ersten Stufe hätte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu prüfen, ob die Anwendungen vorgegebene Grunderfordernisse an Sicherheit, Qualität, Funktionsweise und Datenschutz erfüllen. Tun sie das, werden sie ein Jahr lang von den Kassen erstattet. In dieser Zeit müssten die Hersteller belegen, dass ihre Apps „positive Effekte für die Versorgung“ haben. Wie viel Geld die Kassen dann dafür zahlen, wäre mit dem GKV-Spitzenverband auszuhandeln.

Mit einem weiteren Digitalvorhaben hat der Minister allerdings erst mal Schiffbruch erlitten: Nach einem Veto des Justizministeriums flogen vorgesehene Regelungen zur Einführung einer elektronischen Patientenakte aus dem Entwurf. Sie sollen nun – um den Starttermin des Vorhabens zum Jahreswechsel 2020/2021 nicht zu gefährden - erst später über ein separates Gesetz angegangen werden.

Veto des Justizministeriums zur Gesundheitsakte

Konkret geht es dabei um das Problem, dass die Patientenakte in der Anfangszeit aus technischen Gründen nur nach einem Alles-Oder-Nichts-Prinzip funktioniert hätte. Wenn Versicherte ihrem Arzt oder Physiotherapeuten Zugriff auf die Akte gewährt hätten, wären für diese automatisch immer auch sämtliche Daten sichtbar gewesen. Der Zahnarzt hätte von den depressiven Episoden seines Patienten erfahren, der Orthopäde von dessen zeitweiliger Drogensucht. Bestimmten Ärzten nur Zutritt zu Teilbereichen der Akten zu erlauben, wäre erst später möglich gewesen – und das Justizministerium sah in Spahns Gesetzentwurf deshalb den Datenschutzaspekt nicht genügend berücksichtigt.

In der Unionsfraktion ärgern sie sich darüber. Im Justizressort sollte „schleunigst die Erkenntnis reifen, dass Gesundheitsdaten für die Versorgung und den medizinischen Fortschritt von erheblichem Wert sind“, meint Tino Sorge, Fraktionsberichterstatter für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Es gelte nicht nur Daten, sondern auch Patienten zu schützen, mahnte er – etwa vor gefährlichen Wechselwirkungen bei Arzneimitteln oder unnötigen Doppeluntersuchungen . Die elektronische Patientenakte sei ein Kernvorhaben dieser Legislaturperiode. „Dieses Leuchtturmprojekt darf nicht durch gut gemeinten, aber zum Nachteil der Patienten überhöhten Datenschutz ausgebremst werden.“

Grüne: Spahn kocht ohne Rezept

Die Grünen-Expertin Maria Klein-Schmeink, dagegen schreibt dem Minister die Verantwortung für die Panne zu. „Ohne Not“ und ausschließlich aus politischen Motiven habe dieser einen unrealistischen Termin für die Patientenakte gesetzt, sagte sie. "Ihm war seine gesetzliche Frist wichtiger als die Akzeptanz der Versicherten." Dafür bekomme Spahn „nun die Quittung“ – und den Versicherten bleibe nun zum Start der Patientenakte der Anspruch versagt, dass Ärzte und andere Leistungserbringer dort persönliche Gesundheitsdaten eintrügen. „Damit ist die Akte zum Start nur eine nutzlose Attrappe.“

Bedenklich an Spahns Gesetzentwurf sei zudem, dass Spahn bislang keine Strategie für die Digitalisierung vorgelegt habe. "Damit fehlt seinen Aktivitäten bislang etwas ganz Wesentliches: eine Richtung. Er gleicht damit einem Koch, der ohne jegliches Rezept fröhlich immer weitere Zutaten in den Topf wirft."

Krankenkassen in der Bewertung uneins

Kritik kommt auch von den Krankenkassen. Eine Patientenakte bringe Versicherten nur Nutzen, wenn Ärzte dort persönliche Behandlungsunterlagen ablegen und sie jederzeit darauf zugreifen könnten, sagte der Vorstandschef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas. Deshalb sollten Mediziner zum geplanten Starttermin der Akte im Jahr 2021 auch verpflichtet sein, Versicherten auf Wunsch dort ihre persönlichen Daten zu laden. "Wenn dieses Recht der Patienten aus dem Gesetz gestrichen wird, fehlt ein wesentlicher Mehrwert der Patientenakte."

Der AOK-Bundesverband hält dagegen. „Tempo geht nicht vor Qualität", ließ sich Vorstandschef Martin Litsch vernehmen. Die Interessen der Patienten sowie der Datenschutz müssten weiterhin oberste Priorität haben. Deshalb sei es "sinnvoll, Details zum Start der elektronischen Patientenakte später gesetzlich zu regeln und in diesem Zuge auch die rechtlichen Voraussetzungen für ein sicheres individuelles Berechtigungsmanagement zu schaffen".

Keine Sanktionen für säumige Apotheker

Was sich gegenüber den ursprünglichen Entwürfen ebenfalls geändert hat, ist der Umgang mit den Apothekern. Ihre Frist zur die Anbindung an die Telematik-Infrastruktur wurde um sechs Monate verlängert – und zwar vom 31. März 2020 auf den 30. September 2020. Spahn kam damit Forderungen von Apothekerverbänden entgegen, die einen schnelleren Anschluss als technisch kaum möglich bezeichnet hatten. Anders als bei Ärzten und Kliniken hat Spahn für säumige Apotheker auch keine Sanktionen vorgesehen. Medizinern, die nicht mitmachen, wird seit Juli ein Prozent ihres Honorars abgezogen. Zum März 2020 soll sich diese Strafzahlung nun auf 2,5 Prozent erhöhen.

Des weiteren werden Ärzte über Spahns Gesetz angehalten, künftig mehr elektronische Post zu versenden. Für solcherart versandte Arztbriefe soll es künftig mehr Geld geben als fürs Faxen. Auch Heil- und Hilfsmittel sollen künftig digital verschrieben werden. Und für Online-Sprechstunden sollen Mediziner künftig auf ihrer Internetseite werben dürfen.

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