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Katarina Barley (SPD), Bundesjustizministerin, sieht die Rapper auch als Erscheinung von Antisemitismus.

© Kay Nietfeld/dpa

Jugendschutz: Für Müll gibt es eine Abfuhr

Die Justizministerin fordert, was sie als Familienministerin unterließ: Gewaltpropaganda und Sexismus im Fall der Rapper Kollegah und Farid Bang entgegenzutreten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Die amtierende Justizministerin Katarina Barley kann zwar keinen Echo zurückgeben, aber auch sie hatte etwas zu sagen zur Debatte um die Rüpelrapper Kollegah und Farid Bang, deren Erfolg für sie offenbar auch ein Erstarken von Antisemitismus erkennen lässt. „Es ist unsere große Aufgabe, dieser Entwicklung entgegenzutreten.“

Stimmt.

Stimmt jedenfalls, sofern der Vorwurf stimmt. Vom ewigen Jurastudenten Felix Blume, wie Kollegah bürgerlich heißt, ist immerhin bekannt, dass er derartige Zuschreibungen zurückweist. Einer anderen Entwicklung jedoch könnte man durchaus entgegentreten, nämlich der unbeschränkten Publikation von Sexismus und Gewaltverherrlichung, wie sie das Duo auf seinem aktuellen Werk „Jung, brutal, gutaussehend 3“ betreibt. Kommt es auf den Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM), werden Verkauf und Werbung beschränkt. Möglich ist das laut Jugendschutzgesetz insbesondere, wenn es sich um unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen und Selbstjustiz anreizende Medien handelt. Das klingt exakt nach dem, was die Künstler als vermeintlich coole Nummer propagieren, weshalb sich die Vorgängerwerke 1 und 2 bereits auf dem Index befinden.

Bis zum Antrag dauerte es Monate

Bei Erscheinen des Albums im Dezember stand Barley als Familienministerin an der Spitze der Riesenpyramide öffentlicher Stellen, die bei der BPjM antragsberechtigt sind. Nun, angesichts der öffentlichen Diskussion, hat sich immerhin die Berliner Polizei aufgerafft.

Warum nicht früher? Weil der „Oberprüfstelle für Schund- und Schmutzschriften“, wie der BPjM-Vorläufer zur Weimarer Zeit hieß, der zweifelhafte Ruf anhaftet, eine Zensurbehörde zu sein. Die behördlichen Antragsteller fühlen sich deshalb immer auch ein wenig wie Denunzianten. Natürlich ist da die grundgesetzlich geschützte Kunstfreiheit und nicht zuletzt die Scheu, als Spießer zu gelten. Es gibt etliche Beispiele indizierter Werke, bei denen man aus heutiger Sicht den Kopf schütteln muss, wie sie auf die Liste gelangen konnten.

Manches, was mal indiziert wurde, wirkt heute perverser denn je

Andererseits gibt es auch wohl ähnlich viele Beispiele, bei denen man sich fragen muss, weshalb es nicht früher ging. Die Softporno-Kollektionen etwa, mit denen die TV-Privatsender einst nächtens Zuschauererfolge feierten. Deren Erregungsmuster bestand oft darin, dass ältere Herren sehr jung aussehende Frauen zum Verkehr nötigten. Das wirkt aus heutiger Sicht oft betulich und unfreiwillig komisch, aber angesichts glücklicherweise erneuerter gesellschaftlicher Übereinkommen perverser denn je.

Die beiden Rapper sind Künstler, und nicht alles, was sie machen, ist Müll. Aber hier legen sie es darauf an, als Statement. Man sollte zusehen, dass er von der Straße kommt. Auch als Statement.

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