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Hakenkreuz und durchgestrichener Davidstern an einer Gedenkstätte in Berlin.

© Daniel Reinhardt/dpa

Judenfeindlichkeit: Zweifel an Polizeistatistik zu antisemitischer Kriminalität

Die gegen Juden gerichtete Kriminalität hat 2018 drastisch zugenommen. Aber sind die meisten Täter rechts, wie die Polizei sagt?

Von Frank Jansen

Die Zahlen sind erschreckend hoch, dennoch gibt es Zweifel an der Glaubwürdigkeit. Nach dem Bericht des Tagesspiegels über die bundesweit enorme Zunahme antisemitischer Kriminalität haben sich Leserinnen und Leser gemeldet, die den Statistiken der Polizei nicht trauen. Dabei geht es vor allem um die mutmaßlichen Motive der prügelnden, schmierenden und pöbelnden Judenhasser.

Für 2018 wie in den Jahren zuvor meldet die Polizei, eine große Mehrheit der antisemitischen Täter sei dem Spektrum von Neonazis und anderen Rechten zuzuordnen. Doch das sei unglaubwürdig, heißt es exemplarisch in der Zuschrift einer Leserin. Die Delikte muslimischer Täter würden „unterschlagen“. Und der Beauftragte der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, gibt den Zweiflern Recht. Allerdings nur ein wenig.

„Ich glaube nicht, dass die Polizei unkorrekt arbeitet“

Die Polizei ordne antisemitische Delikte manchmal zu schnell dem Bereich der rechten Kriminalität zu, sagt Klein im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Wenn die Beamten nicht genau wüssten, welchen Hintergrund eine Tat habe, zum Beispiel bei der Schmiererei „Juden raus“ an einer Hauswand, würde sie bisweilen dennoch in der Rubik „Politisch motivierte Kriminalität (PMK) – rechts“ eingetragen. Und nicht bei „PMK – nicht zuzuordnen“.

Der Grund ist für Klein unschwer zu erkennen. Bei den aufgeklärten antisemitischen Delikten gebe es tatsächlich ein Übergewicht rechter Taten, sagt Klein. Allein bei den ermittelten Gewaltdelikten seien rechts motivierte Judenfeinde die überwältigende Mehrheit der Beschuldigten Angesichts dieser Bilanz würden Polizeibeamte zu Beginn der Ermittlungen öfter als nötig antisemitische Straftaten als PMK - rechts einstufen. Nach dem Motto: Das werde sich hinterher sowieso herausstellen, wie Klein sagt.

Er plädiere dafür, die Polizei solle in den Eingangsstatistiken zu antisemitischer Kriminalität mehr die Kategorie „nicht zuzuordnen“ nutzen. Aber auch dann, betont Klein, bleibe es mit Sicherheit dabei, dass die meisten Täter rechten Milieus zuzuordnen sind. „Ich glaube nicht, dass die Polizei unkorrekt arbeitet“, sagt Klein. Es gebe keine Hinweise, judenfeindliche Straftaten von Muslimen und Migranten würden in den Statistiken unterschlagen.

Die Bundesregierung hatte diese Woche in der Antwort auf eine Anfrage von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) einen drastischen Anstieg antisemitischer Kriminalität gemeldet. Die Zahl der Delikte insgesamt stieg um knapp zehn Prozent auf 1646 (2017: 1504). Bei der Teilmenge der Gewalttaten gab es sogar einen Zuwachs um mehr als 60 Prozent auf 62 Delikte (2017: 37).

Unklar ist, wann die Regierung die Zahlen erläutert

In diesem Teil der Antwort sind bereits Nachmeldungen aus den Ländern zu antisemitischen Straftaten von Januar bis Dezember 2018 enthalten, trotzdem könnten die Zahlen noch steigen. In den Angaben der Regierung zu weiteren Fragen von Pau fehlen jedoch Nachmeldungen der Polizei. Das betrifft die speziellen Rubriken zu Politisch motivierter Kriminalität „rechts“, „links“, „ausländische Ideologie“, „religiöse Ideologie“ und „nicht zuzuordnen“.  Den nun komplett vorliegenden Antworten der Regierung auf die regelmäßig pro Quartal gestellten Anfragen von Pau sind dennoch auch bei den vorläufigen Zahlen eindeutige Trends zu entnehmen.

Demnach geht die Polizei bei 670 judenfeindlichen Delikten im vergangenen Jahr von rechten Tätern aus. Nur acht Delikte wurden Linken zugerechnet. Bei 25 antisemitischen Straftaten stellte die Polizei Täter mit einer „ausländischen Ideologie“ fest. Details werden nicht genannt, gemeint sind aber beispielsweise Palästinenser, die israelfeindliche Parolen brüllen. 17 Delikte haben Täter mit einer „religiösen Ideologie“ begangen. Dabei handelt es sich meist um fanatisierte Muslime, darunter auch deutsche Konvertiten. In der Rubrik „PMK – nicht zuzuordnen“ sind 35 Straftaten vermerkt.

Wann die Bundesregierung mitteilt, wie sich die nun bekannt gegebene, weit höhere Summe von 1646 antisemitischen Delikten zusammensetzt, ist offen. Dass am Ende aber nicht mehr die rechten Antisemiten in der Kriminalstatistik dominieren, hält Felix Klein für ausgeschlossen. „Am Bild wird sich im Großen und Ganzen nicht viel ändern“, sagt der Beauftragte der Bundesregierung.  

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