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Tausend Sitzungen seit 1949: Der Bundesrat hat ein rundes Jubiläum.

© Michael Kappeler/dpa

Jubiläumssitzung im Bundesrat: 1000 und eine Macht

Die Gründung des Bundesrats 1949 war eine kleine Revolution. Jetzt steht die 1000. Sitzung an. Der Bundespräsident schaut vorbei.

Jubiläum im Bundesrat: Am Freitag kommt die Länderkammer zum tausendsten Mal zusammen seit 1949. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier redet aus diesem Anlass im Plenum. Sozusagen vor seiner Stellvertreterriege - immerhin sind es ja die Bundesratspräsidenten, die das Staatsoberhaupt vertreten, wenn es wegen Auslandsreisen, Urlaub oder Vakanz des Amtes nötig ist.

Dass tausendmal nichts passiert ist im Bundesrat seit 1949, wird man nicht behaupten können. Auch wenn es im Plenum selten hoch hergeht. Ausnahmen bestätigen die Regel. Wie etwa die Debatte um das rot-grüne Zuwanderungsgesetz im März 2002, als viele Vertreter der Unions-Länder nach einer umstrittenen Abstimmung den Saal verließen – Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte das uneindeutige Votum der rot-schwarzen Koalition Brandenburgs als Zustimmung gewertet, womit das Gesetz vorerst durch war. Es wurde dann in Karlsruhe gekippt.

Der Unterschied zum Bundestag

Doch warum kommt der Bundesrat nun zu seiner 1000. Sitzung zusammen, während parallel der Bundestag, der ja weiter häufiger tagt, auf seiner Website für Freitag die 210. Sitzung vermeldet? Die Länderkammer zählt seit 1949 durch, der Bundestag stoppt die Nummerierung mit jedem Ende einer Wahlperiode.

Die Länderkammer ist also „immerwährend“, wie einst der Reichstag in Regensburg nach 1663, mit dem ihn die Verfassungstradition verbindet. Es gibt keine Wahlen zum Bundesrat und damit keine Legislaturperioden, er ergänzt sich permanent nach den Wahlergebnissen und Koalitionsbildungen in den Ländern. An den Wahlperioden des Bundestags will man sich nicht orientieren, man ist schließlich ein eigenständiges Verfassungsorgan.

Selbstbewusst von Beginn an

Das Selbstbewusstsein des Bundesrats hat sich gleich in der ersten Sitzung gezeigt, am 7. September 1949 in Bonn. Der erste Präsident der Kammer, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Karl Arnold (CDU), plädierte für einen starken Bundesrat mit dem Argument, eine Verfassung könne nicht „an den vorhandenen Machtfaktoren“ vorbei gebaut werden, und die Länder seien als Machtfaktoren nach der totalen Niederlage „als erste wieder in Erscheinung getreten“. Diese Sichtweise einer Gründung der Republik von den Ländern her hat sich in den Debatten des Bundesrats über tausend Sitzungen hinweg bis heute gehalten.

Der Bundesrat ist tatsächlich stärker als sein direkter Vorgänger, der Reichsrat der Weimarer Republik. Die Neukonstruktion von 1949 war eine kleine Revolution. Im Parlamentarischen Rat war noch über die Wiedererrichtung des „Parlaments der Oberregierungsräte“ gespottet worden (das Zitat wird meist Theodor Heuss zugeschrieben). Alle Vorgänger waren in der Tat Gesandtenkongresse gewesen.

Der Unterschied zu früher

Nun aber sollte etwas anderes entstehen, eine Länderkammer, mit der Demokratie und Republik im zweiten Anlauf stabiler gestaltet werden sollte. Es sollten sich jetzt die Spitzenpolitiker der Länder, voran die Ministerpräsidenten, auf der Bundesebene stärker einbringen können. Die Erfahrung des schwachen Weimarer Reichstags spielte da eine Rolle, aber auch die der Schwächung der Länder nach 1919.  

Der neue Bundesrat war nicht zuletzt als Kammer der Ministerpräsidenten konzipiert, die ja auf dem Weg zur neuen Verfassung nach 1946 keine geringe Rolle gespielt hatten.  Auch das meinte Arnold mit den „Machtfaktoren“. Die SPD hatte zunächst einen gewählten Senat vorgeschlagen, war dann aber auf das neue Bundesrats-Modell eingeschwenkt, als sie erkannte, dass es mit der Einbindung der Länderchefs in die Bundespolitik einem Senat viel näher war als der alte Reichsrat.

Adenauers Furcht

Zudem gab es von nun an ein echtes Plenum mit Debatten, auch wenn sie nicht immer so kontrovers verlaufen wie im Bundestag. Aber die Länderkammer näherte sich damit weit stärker als die Vorgängerinnen einem parlamentarischen Modus an.

Konrad Adenauer, der erste Kanzler, sah das alles mit großem Misstrauen. Er befürchtete, der Bundesrat könne zu einer Art „Nebenregierung“ zum Bundeskabinett werden. Die ersten Jahre verliefen denn auch nicht immer konfliktfrei.

In der Pandemie seit fast einem Jahr ist es um den Bundesrat etwas still geworden. Die Abstimmung zwischen der Bundesregierung und den Ländern läuft, wie schon in der Flüchtlingspolitik nach 2015, vor allem über die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), mit der sich die Kanzlerin regelmäßig trifft. Da passt, für die gesamte Runde, der Begriff Nebenregierung schon eher.

Bisweilen im Schatten der MPK

Aber da der Infektionsschutz legislativ zwar Bundessache ist, die Umsetzung jedoch wie bei allen Gesetzen über die Länderverwaltungen läuft, muss koordiniert werden. Die MPK als Gegenüber ist der schnellere Weg als das übliche Verordnungsverfahren mit dem Bundesrat. Pandemiebedingte Gesetzesänderungen gehen jedoch stets den gewohnten Gang durch beide Kammern. In seiner tausendsten Sitzung beschäftigt sich der Bundesrat daher unter anderem mit der Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. 

Über die runde Zahl hinaus wird diese Plenarrunde der Länderkammer wohl wenig Geschichte machen. Abgesehen vom Auftritt  des Staatsoberhaupts natürlich. Steinmeier ist erst der zweite Bundespräsident, der sich im Bundesrat blicken lässt. Die Premiere fand im November 2015 statt, als Joachim Gauck eine Rede hielt. Anlass damals: 25 Jahre zuvor hatten die Vertreter der ostdeutschen Länder erstmals im Bundesrat gesessen.

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