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"Journalistenwatch": Hetze ohne Spendenquittung

Dem rechtspopulistischen Blog "Journalistenwatch" wurde die Gemeinnützigkeit entzogen. Zuletzt hatte Hans-Georg Maaßen dem Verein zu Aufmerksamkeit verholfen.

Am Wochenende outete sich ein Prominenter als Leser des rechtspopulistischen Blogs Journalistenwatch. Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen teilte auf Twitter einen Artikel dieses Portals, das systematisch revisionistische, rassistische und antisemitische Inhalte verbreitet. Später löschte Maaßen die Empfehlung kommentarlos. Beiträge unterschiedlicher Persönlichkeiten aus dem rechten Spektrum erschienen in den vergangenen sieben Jahren in dem Onlinemedium: Die Publizisten Akif Pirinçci und Vera Lengsfeld veröffentlichten dort Texte ebenso wie der Verleger Götz Kubitschek oder der damalige österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ). Eine Videokolumne von Henryk Broder wird publiziert und ein Videoformat des Sprechers der Identitären in Österreich, Martin Sellner.

Nach Information von Zeit Online hat Journalistenwatch nun aber einen Unterstützer weniger: den Staat. Das Finanzamt Meißen entzog dem Trägerverein des Portals die Gemeinnützigkeit. Spender können ihre finanzielle Unterstützung nicht mehr steuerlich absetzen. Die Behörde wollte sich mit Verweis auf das Steuergeheimnis nicht offiziell äußern.

Im Impressum von Journalistenwatch fehlt seit spätestens Anfang Juni 2019 der Hinweis auf den Gemeinnützigkeitsbescheid des Finanzamts und die Steuernummer des Vereins. Die Vereinsvorsitzende Marilla Slominski dementierte den Verlust der Gemeinnützigkeit nicht, sondern bat auf Anfrage nur darum, ihre Mitarbeiter nicht weiter zu "belästigen". Nach der Anfrage von Zeit Online findet sich im Impressum ein Verweis auf die Satzung des Vereins, der eine Gemeinnützigkeit suggeriert. 

Ein Knotenpunkt der Szene

Das Portal ist seit seiner Gründung 2011 zu einem der einflussreichsten Medien der Neuen Rechten geworden. Es ist ein Knotenpunkt der Szene, ein Scharnier auch zwischen den zwei verfemten Lagern der Strömung, den islamfeindlichen Rechtspopulisten und den völkischen rechtsextremen Strategen.

Nach Angaben von Journalistenwatch besuchen Hunderttausende Menschen täglich die Seite. Verifizierbar ist das nicht, weil das Onlinemedium seine Reichweite nicht unabhängig messen lässt. Aber der Statistikanbieter Alexa schätzt die Resonanz auf fast 300.000 Seitenbesuche am Tag. Laut dem Analysedienst 10000flies erreicht Journalistenwatch vor allem über die sozialen Medien viele Leser – auf Facebook liegt es noch vor Angeboten wie FAZ, SZ oder ZEIT ONLINE.

Auf der Website werden reißerische und menschenverachtende Artikel publiziert mit Überschriften wie "17-jähriges Goldstück aus Somalia auf Sextrip in Bonn" oder "Irrenhaus Deutschland: Moslems sind Nazis, und Nazis sind Moslems?". Über hundert weitere Texte, zum Beispiel über "Terror-Goldstücke" und "Macheten-Fachkräfte", so werden hier Migranten häufig genannt, wurden bisher auf der Seite veröffentlicht.

In vielen Artikeln machen Autoren Stimmung gegen alles, was nicht ins radikal rechte Weltbild passt: Einige Autoren hetzen gegen Vertreter jüdischer Organisationen, gegen Seenotretter, Politiker etablierter Parteien und kritische Journalisten seriös arbeitender Medien. Die Macher verallgemeinern, spitzen zu und verzerren so die Realität. Sexuelle Übergriffe von Geflüchteten werden beispielsweise gemeldet, die viel häufigeren Vergewaltigungen durch deutsche Täter sind hingegen kein Thema.

Förderung der "Volksbildung"

Der "Journalistenwatch e.V. – Verein für Medienkritik und Gegenöffentlichkeit" wurde vor sieben Jahren in Berlin gegründet und betreibt das Blog. Von Anfang an versuchte der Verein, gemeinnützig zu werden. Bereits in der ersten Satzung, die Zeit Online vorliegt, heißt es im Paragraph 1, dass Journalistenwatch "ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke" verfolge, insbesondere "die Förderung der demokratischen und staatsbürgerlichen Bildung". Später wurde daraus "Volksbildung".

Noch 2016 forderte das Amtsgericht Berlin aber eine Nachbesserung in der Satzung, damit die Gemeinnützigkeit zuerkannt werden könne. Kurz darauf verlegten die Gründer den eingetragenen Verein dann nach Jena, wo er im Februar 2017 als gemeinnützig anerkannt wurde. Nun warb das Portal mit diesem Hinweis Geld ein: "Sie sparen mit jeder Spende Steuern und können so dem 'Merkel-Regime' noch zusätzlich eins auswischen."

Im vergangenen Jahr entbrannte eine Debatte um die Gemeinnützigkeit politisch ausgerichteter Vereine. Die linken Globalisierungskritiker von Attac verloren ihre Gemeinnützigkeit, auch der linksliberalen Deutschen Umwelthilfe sollte nach Willen von CDU-Politikern dieser Status aberkannt werden – Letzteres bisher ohne Erfolg. 

Allerdings haben auch rechte Vereine Schwierigkeiten mit der Anerkennung als gemeinnützig. Dem AfD-Unterstützerverein "zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten e.V." aus Stuttgart wurde die Gemeinnützigkeit 2017 gar nicht erst zuerkannt. Andere rechtslastige Vereine wie die Ludendorff-Gedenkstätte im bayerischen Tutzing oder die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft in Hamburg gelten seit Jahrzehnten als gemeinnützig, berichtete das ARD-Magazin Panorama im Frühjahr.

Werbeeinnahmen von großen Firmen

Als das Finanzamt Jena, wohl auch durch kritische Berichte über Journalistenwatch, auf die Aktivitäten der Seite und den Widerspruch zum vermeintlichen Vereinszweck aufmerksam wurde, verlegte der Verein vergangenes Jahr seinen Sitz abermals, diesmal ins sächsische Meißen, wie der Tagesspiegel herausfand.

Mit einer rechtlich korrekten Satzung ist es in Deutschland relativ einfach, die Gemeinnützigkeit für einen Verein zu erhalten. Finanzbeamte prüfen zunächst nur nach Papierlage, meist auch das nur kursorisch. Die zuständigen Finanzbehörden haben schlicht zu wenig Mitarbeiter, um die tatsächlichen Aktivitäten von Vereinen zu prüfen. Die Aberkennung des steuerbegünstigten Status ist daher schwerer, oft kommt es zu langwierigen Verfahren bei Finanzgerichten. Abstimmungen zwischen den Finanzbehörden aus Sachsen und Thüringen führten wohl nun zu dem Ergebnis, die Gemeinnützigkeit von Journalistenwatch abzuerkennen.

Auch wenn der Verein inzwischen im sächsischen Meißen gemeldet ist, scheint das Medium auch von Sachsen-Anhalt aus betreut zu werden. Die Gründer des Portals haben sich unweit des Hauses der rechtsextremen Identitären in Halle niedergelassen, in der Nachbarschaft des neurechten Antaios-Verlags, der Zeitschrift Sezession und des Instituts für Staatspolitik, einer Ausbildungsstätte von Funktionären der Neuen Rechten. Die AfD hat in der Region große Wahlerfolge erreicht.

Erst links, dann rechts

Der Vereinsgründer Thomas Böhm hat eine merkwürdige journalistische Karriere hingelegt. Nach dem Volontariat bei der linken tageszeitung (taz) arbeitete er für das Berliner Boulevardblatt B.Z., um sich später mit einer Illustrierten für alle Hundeliebhaber im Internet selbstständig zu machen. Böhm gründete in Deutschland die rechtspopulistische Partei Die Freiheit mit, eine Schwesterpartei der "Partij voor de Vrijheid" von Geert Wilders in den Niederlanden. In Bayern wurde Die Freiheit vom Verfassungsschutz beobachtet.

Die Partei löste sich 2016 zugunsten der Alternative für Deutschland auf, viele Mitglieder wechselten zur AfD. Die parteinahe Stiftung der Freiheit wurde von AfD-Mitgliedern übernommen und war lange Zeit im Gespräch als offizielle AfD-Stiftung. Bis heute ist Thomas Böhm auch Geschäftsführer der rechten Bürgerbewegung Pax Europa. In dieser Zeit gründete er auch Journalistenwatch.

Finanziell unterstützt wurde das Portal seit den Anfängen auch von der islamfeindlichen Organisation Middle East Forum aus den USA. Die meisten Einnahmen stammen heute aber, nach eigener Aussage, von Spendern und Anzeigenkunden. Und Letztere gibt es zahlreich auf den Seiten. Über einen Drittanbieter wurden Werbebanner großer Firmen wie der Deutschen Bahn angezeigt – die Firmen finanzierten damit das politisch extreme Portal mit. Die Deutsche Bahn bedauerte dies auf Anfrage und teilte mit, dass "die besagte Webseite auf eine blacklist gesetzt wird" und künftig keine DB-Werbung mehr auf Journalistenwatch zu sehen sein wird. "Selbstverständlich hat Werbung der Deutschen Bahn auf rechtspopulistischen Seiten nichts zu suchen", so ein Sprecher.

Die meiste Werbung stammt jedoch von einschlägig rechten Organisationen: Der Kopp-Verlag wirbt für seine Bücher, außerdem werben auch die AfD und Pax Europa. Zuletzt war zudem ein Werbebanner für ein sogenanntes Patriotisches Sommerfest der Identitären geschaltet. Gerade erst hat das Bundesamt für Verfassungsschutz diese Gruppe als rechtsextrem eingestuft. Bis vor neun Monaten war Hans-Georg Maaßen noch Präsident genau dieser Behörde. [Dieser Text erschien zuerst auf zeit.de.]

Christian Fuchs

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