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Das Votum war nicht nötig, Wladimir Putins hörige Parlamentarier hatten die Sache längst ratifiziert.

© Alexei Druzhinin/AFP

Josef Joffe weiß, was die Welt macht: Was Putin von Stalin unterscheidet

Wieso Trump doch noch eine zweite Amtszeit regieren könnte. Und ob Mitleid mit Sigmar Gabriel angebracht ist. Unser Kolumnist hat die Antworten.

Ewiger Präsident – wie wird Russland nach weiteren 16 Jahren Putin aussehen?

Mit 87 etwas zerfurchter, aber nur zwei Jahre älter als Adenauer in seinem letzten Amtsjahr. Freilich gab’s einen kleinen Unterschied. A. wurde viermal frei gewählt, Putin hat bei seiner Festanstellung per Verfassungsänderung kräftig nachgeholfen; die Wahlfälschung ließ sich nicht kaschieren.

Das Votum war eigentlich nicht nötig, hatten doch Putins hörige Parlamentarier die Sache längst ratifiziert. Aber das Referendum-Theater zeigt, dass Alleinherrscher aller Couleur die Tünche der Legitimität nicht missen wollen. Der Unterschied zu Stalin und Co.? Die kriegten 98.9 Prozent, Putin bloß 78. Dieses gewollte Minus suggeriert Rechtmäßigkeit und Vertrauen. Nächster Schritt: die Zaren-Krönung durch Volkes Stimme.

Trump wird es nicht so lange machen. Muss Joe Biden sich überhaupt noch anstrengen, um US-Präsident zu werden?

Alle Umfragen, zumal in den wahlentscheidenden „Schlachtfeld-Staaten“, die Trump 2016 kassiert hat, melden: Der 46. Präsident heißt Joe. Anderseits warnt ein amerikanisches Sprichwort: „Zähle deine Küken nicht, bevor sie ausgeschlüpft sind.“

17 Wochen vor der Wahl lagen Truman (1948), G. W. Bush (2004) und Obama (2012) noch weiter zurück und kriegten dennoch die zweite Amtszeit. Freilich strahlten sie Kompetenz aus, die Trump in der Pandemie verspielt hat, wenn er sie denn je hatte. Nur: Nicht die „schweigende Mehrheit“ der Trump-Wähler vergessen, die am 3. November gegen Bildersturm, Political Correctness, Lockdown und Straßenkampf stimmen werden.

Hongkongs Freiheit ist beendet. Sollen wir allen Demokratie-Aktivisten die Staatsbürgerschaft anbieten?

Wir wollen’s doch nicht übertreiben mit der Freiheit und auch drei Millionen unterdrückte Tibeter aufnehmen. Mehr als „ernsthafte Besorgnis“ hat die EU nicht parat. Den Briten droht Peking mörderische ökonomische Strafen für den Fall an, dass sie massenhaft Hongkonger holen. Der zynische Realismus sagt: Chinas Übermacht und Europas Wirtschaftsinteresse diktieren Appeasement. Aber aufgepasst: In Hongkong hat Xi die Maske des „friedlichen Aufstiegs“ endgültig fallen lassen. Die Welt hat es mit einem hammerharten Expansionisten zu tun.

Ein letztes Wort zu Sigmar Gabriel ...

Habt Mitleid mit entthronten SPD-Größen wie G. und Schröder, die ihre Kasse aufbessern müssen. WmdW macht Gabriel nur einen Vorwurf: dass er sich dem Fleisch-Riesen Tönnies für lumpige 10.000 Euro angedient hatte. Bei Putin-Freund Schröder soll es um Siebenstelliges gehen. Wenn schon, denn schon.

Doch verdient G. mildernde Umstände. Er war der begabteste SPD-Chef seit Schröder. Ein solches Talent lässt man nicht zu Tönnies ziehen.
Josef Joffe ist Mitherausgeber der „Zeit“.

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