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Boris Johnson während einer Fragerunde im britischen Parlament. In der Nacht zu Dienstag ging es in die Zwangspause.

© House Of Commons/PA Wire/dpa

Johnsons Antrag auf Neuwahlen abgelehnt: Britisches Parlament geht unter Protest in Zwangspause

Premier Johnson verliert Abstimmung auch beim zweiten Versuch. Abgeordnete protestieren gegen die verordnete Zwangspause: Turbulente Nacht in London.

Das britischen Parlament hat im Brexit-Machtkampf zum zweiten Mal binnen einer Woche einen Antrag von Premierminister Boris Johnson auf Neuwahlen abgelehnt. Für vorgezogene Wahlen Mitte Oktober stimmten in der Nacht zum Dienstag lediglich 293 Abgeordnete. 434 Ja-Stimmen, also eine Zwei-Drittel-Mehrheit, wären jedoch nötig gewesen, damit der Antrag durchgeht.

Oppositionschef Jeremy Corbyn machte klar, dass die Abgeordneten einen EU-Austritt ohne Vertrag verhindern wollten. „So lange ein 'No Deal' nicht vom Tisch ist, werden wir nicht für die Auflösung dieser Kammer und eine Parlamentswahl stimmen“, sagte der Labour-Vorsitzende. Wenige Stunden zuvor setzte Königin Elisabeth II. ein vom Unterhaus verabschiedetes Gesetz in Kraft, das Johnson verpflichtet, eine dreimonatige Verschiebung des Brexit bis Ende Januar zu beantragen, sofern er bis zum 19. Oktober kein Austrittsabkommen erzielt.

Johnson lehnt eine Fristverlängerung kategorisch ab, wie er auch nach seiner erneuten Schlappe im Unterhaus unterstrich. Er wolle sein Land auf jeden Fall wie vorgesehen Ende Oktober aus der EU führen, notfalls auch ohne Abkommen. „Die Regierung wird weiter auf die Verhandlung eines Abkommens dringen, aber zugleich sich darauf vorbereiten, ohne eines auszutreten.“ Er werde zum EU-Gipfel am 17. Oktober reisen und versuchen, ein Austrittsabkommen im Interesse Großbritanniens zu erwirken. „Diese Regierung wird den Brexit nicht noch weiter hinauszögern.“ In der EU wartet man derweil immer noch auf konkrete Vorschläge aus London.

Protest des Parlaments: „Mundtot gemacht“

Die britischen Abgeordneten wurden zum Ende der hitzigen Parlamentsdebatte wie von Johnson angekündigt in eine Zwangspause bis zum 14. Oktober geschickt. Oppositionspolitiker zückten Schilder, auf denen „mundtot gemacht“ stand und riefen „Schande“. Parlamentspräsident John Bercow sprach von einem „Akt exekutiver Ermächtigung“. Zuvor stimmten sie noch mehrheitlich dafür, dass die Regierung ihre Pläne für einen ungeregelten Brexit veröffentlichen muss sowie private Kommunikation von Regierungsvertretern, die an der Entscheidung beteiligt waren, das Parlament zu der ungewöhnlich langen Pause in dieser für die Brexit-Verhandlungen kritischen Phase zu verdonnern.

Johnsons Kritiker vermuten, dass die Entscheidung politisch motiviert war mit der Absicht, die Debatte über den Brexit-Kurs einzuschränken. Die Regierung begründet den Schritt dagegen damit, dass Johnson Zeit und Raum gegeben werden solle, um seine Gesetzesagenda neu zu entwerfen.

Widerstand gegen Brexit-Kurs auch in den eigenen Reihen

Johnson war in den vergangenen Tagen zunehmend in die Defensive geraten. Gegen seinen Brexit-Kurs regte sich immer mehr Widerstand auch in den eigenen Reihen. So stimmten mehrere Abgeordnete der Konservativen Partei mit der Opposition, er verlor seine Mehrheit im Parlament, und mit Arbeitsministerin Amber Rudd trat am Wochenende eines der prominentesten Kabinettsmitglieder aus Protest gegen Johnsons Vorgehen zurück.

Dennoch versucht er an seinem Kurs festzuhalten. Im Parlament argumentierte er, dass sich nur mit Neuwahlen die Blockade im Unterhaus auflösen lasse. Dem Interesse der Briten könne nur gedient werden, wenn der Premierminister mit der stärksten Verhandlungsposition gegenüber der EU ausgestattet werde. Dies sieht er durch das Gesetz, das ihn zur Beantragung einer Verschiebung des Brexit-Termins verpflichtet, nicht gegeben.

Aus seiner Sicht raubt es ihm einen seiner wichtigsten Trümpfe: die Drohung eines ungeregelten EU-Austritts. Ökonomen befürchten für so einen Fall schwere wirtschaftliche Verwerfungen beiderseits des Ärmelkanals und ein Wideraufflammen der Gewalt an der Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem zu Großbritannien zählenden Nordirland. (rtr/dpa)

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