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John Kerry an der Mauer-Gedenkstätte: Geschichte, die in die Gegenwart reicht

Als Zwölfjähriger ist er Mitte der 50er Jahre öfter von Westberlin nach Ostberlin geradelt, nun steht John Kerry an den Resten der Mauer. Und der US-Außenminister spricht dabei oft von Dankbarkeit.

Von Hans Monath

Was zählt, ist der Versuch, nicht das Ergebnis. „Vielen Dank an meinen Freund“, sagt der US-amerikanische Außenminister in der Sprache seiner Gastgeber und schaut dabei seinen Kollegen Frank-Walter Steinmeier an. Es folgen einige englische Sätze, dann wechselt John Kerry schon wieder ins Deutsche, um das Verhältnis zum Gastland zu beschreiben. „Die lange Geschichte der Zusammenheit für die Freiheit, den Frieden und Wohlstand“, liest der 70-Jährige vom Manuskript ab. „Zusammenarbeit“ statt „Zusammenheit“ soll es wohl heißen. Deutsch ist auch für einen so erfahrenen Außenpolitiker wie Kerry eine schwere Sprache, aber die Botschaft kommt an: Der Gast gibt sich jede erdenkliche Mühe, Respekt zu zeigen.

Pressekonferenz im Haus der Gedenkstätte Berliner Mauer. Eben hat Kerry mit Steinmeier das Gelände an der Bernauer Straße besichtigt, wo früher der Grenzstreifen lag. Vielleicht schafft es die richtige Atmosphäre für einen so ungemütlichen Ort, dass es an diesem Mittwochmorgen in Strömen regnet. Die beiden Politiker tragen riesige schwarze Schirme, als sie mit dem ehemaligen Mauerflüchtling Joachim Neumann sprechen und mit Regina Webert-Lehmann, die mit ihrem Trabant kurz vor dem Mauerfall 1989 von Ungarn nach Österreich floh.

Und dann sind da noch die zwölf Schüler aus Berlin und Brandenburg, die die Außenminister Kerry und Steinmeier nach einem Gespräch bei einem Gang über die Gedenkstätte begleiten. Für den amerikanischen Gast ist das wichtig, denn er selbst hat Mitte der 50er Jahre als Zwölfjähriger und Sohn eines hier stationierten US-Diplomaten eigene Erfahrungen in der geteilten Stadt gemacht. „Ich bin beim Rundgang mit Jugendlichen unterwegs gewesen, die etwa so alt sind, wie ich damals war“, sagt Kerry und erinnert sich, wie er damals mit dem Fahrrad in den Osten fuhr und sofort den Unterschied wahrnahm. „Es war der Unterschied zwischen Freiheit und Unterdrückung“, sagt er mit dem Abstand von rund 60 Jahren.

Es ist eine hochsymbolische Inszenierung, die sich das Auswärtige Amt und die US-Botschaft in Berlin für den Besuch Kerrys kurz vor dem 25. Jahrestag des Mauerfalls ausgedacht haben: Der Rückblick auf die Geschichte soll die gemeinsamen Aufgaben beider Nationen in der gefährlichen Welt von heute begründen. Die Mauer erinnere an den Kampf für die Freiheit, die „noch immer in zu vielen Teilen der Welt bedroht“ sei, sagt Kerry. Steinmeier erinnert daran, dass die Wiedervereinigung und das Ende der Spaltung Europas „ohne die bedingungslose Unterstützung der USA“ nicht möglich gewesen wären. Die Deutschen würden den USA das „nicht vergessen“.

Viel häufiger als Steinmeier nimmt Kerry den Begriff „dankbar“ in den Mund – rund ein Dutzend Mal dankt er Steinmeier, Kanzlerin Angela Merkel und den Deutschen insgesamt dafür, dass sie international Führung zeigen, in der Ukraine-Krise, im Mittleren Osten, in den Atomverhandlungen mit dem Iran und im Kampf gegen Ebola. „Wir sind sehr dankbar in den Vereinigten Staaten für die sehr wichtige Rolle, die Deutschland übernommen hat, gerade zu diesem Zeitpunkt“, sagt der Gast.

Vor dem Treffen mit der Kanzlerin am Nachmittag fasst Kerry seine Botschaft dann noch knapper: Das ganze amerikanische Volk habe großen Respekt für die deutsche Führungsrolle: „Wir schätzen es außerordentlich, was Deutschland zu jedem Thema leistet, das von kritischer Wichtigkeit ist.“ Merkel und Steinmeier würden Deutschland mit Beiträgen auf vielen Feldern dahinbringen, eine „globale Führungsmacht“ zu sein. Ihm selbst und dem amerikanischen Volk sei klar, „dass die deutsche Erzählung nicht die Vergangenheit ist, sondern die Zukunft“.

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