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In der Defensive. Gesundheitsminister Jens Spahn beim Ärztetag in Erfurt.

© Monika Skolimowska/dpa

Jens Spahn beim Ärztetag: Ärzte sträuben sich gegen mehr Termine für Kassenpatienten

Beim Ärztetag in Erfurt bekommt Gesundheitsminister Jens Spahn Unmut zu spüren. Die Mediziner wollen sich nicht zu mehr Sprechstunden verpflichten lassen.

Überschwänglich war der Beifall nicht, mit dem die Delegierten den Gesundheitsminister beim Ärztetag in Erfurt bedachten. Dabei hatte Jens Spahn (CDU) die 250 Mediziner nach Kräften umworben. Hatte ihnen „Wertschätzung, Anerkennung und Dank“ gezollt für die tägliche Arbeit. Hatte beteuert, wie froh er sei, „wieder hier zu sein nach einem kleinen Abstecher in die Finanzpolitik“. Hatte klargestellt, dass eine gute Patientenversorgung im Land aus seiner Sicht „nur mit zufriedenen Ärzten“ hinzukriegen sei. Hatte den von manchem seiner Vorgänger gefürchteten Ärztekammerpräsidenten Frank Ulrich Montgomery gar als „lieber Monty“ begrüßt.

Wartezeiten nur ein "gefühltes Problem"?

Einen Punkt in der Rede des Gastgebers wollte der Minister aber nicht unwidersprochen stehen lassen. Es gebe, so hatte Montgomery behauptet, eine große Diskrepanz in der Gesellschaft zwischen dem „gefühlten Problem“, einen Termin beim Arzt zu bekommen, und der Realität für wirklich Kranke. Die Pläne der Koalition, die Sprechstundenzeit von Vertragsärzten für Kassenpatienten von mindestens 20 auf mindestens 25 in der Woche zu erhöhen, seien insofern nur „stimmungsverändernd“. Wenn die Politik schon steuernd eingreifen wolle, solle sie sich auch um eine bessere Patientensteuerung kümmern.

Er wisse, sagte Spahn, dass nicht alle Fälle, bei denen Patienten über lange Wartezeiten klagten, dringend seien. Doch es sei auch nicht zielführend, nur von einem gefühlten Problem zu reden. Dann berichtete der CDU-Politiker von einem Freund, der mit einem Tumor am Ohr von Klinik zu Klinik verwiesen wurde und am Ende von einem Mediziner das Angebot erhielt, sich die Sache in vier Monaten mal näher anzusehen. „Sie können das gefühlte Empirie nennen“, sagte der Minister. Aber aus seiner Erfahrung sei es nun mal so, dass Ärzte in Deutschland „zu oft einen Unterschied machen zwischen gesetzlich und privat versicherten Patienten“.

Mehr Honorar für zusätzliche Patienten

Dass Spahn sogleich versicherte, die Ärzte mit den geplanten Mindestsprechstundenzeiten „nicht unter Generalverdacht“ stellen zu wollen und dass eine „übergroße Zahl“ ja jetzt schon deutlich mehr leiste, machte ihm die Zuhörer nicht gewogener. Und selbst die Zusicherung, dass kein Arzt für die Behandlung zusätzlicher Patienten finanziell bestraft werde, sondern dass man für sie Vergütungsregelungen auch außerhalb des Budgets finden werde, drehte die Stimmung nicht mehr. Statt Applaus herrschte Gegrummel im Saal.

Dabei hatten die gesetzlichen Krankenkassen noch ganz anders auf die Honorarforderung der Mediziner reagiert. „Für seine Patienten da zu sein, ist die Kernaufgabe des Arztberufes“, sagte der Vize-Vorstandschef des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg. „Über die ohnehin gute Vergütung hinaus kann es dafür, dass ein Arzt für den direkten Patientenkontakt zur Verfügung steht, keine Bonuszahlungen geben.“

Minister wirbt für mehr Online-Behandlung

Wohlwollender für den Minister wurde es in Erfurt erst, als er eine Lanze für mehr Telemedizin brach. Auf dem Programm des Ärztetages steht eine Entscheidung darüber, ob man Online-Behandlungen im Berufsrecht stärker freigeben und das bisherige Fernbehandlungsverbot kippen soll. So oder so werde es für Patienten immer mehr solcher Angebote geben, sagte Spahn. Die Frage sei nur, ob man das „Google, Amazon und Dr. Ed überlassen" oder es nach eigenen Qualitätsmaßstäben organisieren wolle.

Auch Montgomery plädierte für mehr Online-Sprechstunden, mahnte aber zu einer „Lösung mit Augenmaß“. Neben Patientensicherheit und Datenschutz müsse auch die Möglichkeit des direkten Kontakts von Arzt und Patient flächendeckend garantiert bleiben.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz dagegen warnte davor, ältere Menschen durch solche Behandlungsmethoden noch mehr abzuhängen. Es fänden sich ohnehin kaum noch Mediziner, die Hausbesuche machten, sagte Vorstand Eugen Brysch der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Der Deutsche Hausärzteverband bestritt diese Darstellung. Er sähe gern Zahlen, die einen solchen Rückgang belegten, sagte Sprecher Vincent Jörres. Aus Nordrhein-Westfalen wisse man, dass es dort sogar mehr Hausbesuche gemacht würden als früher.

Ärzte empfehlen neutrales Info-Portal zu Abtreibungen

Auch der Koalitionsstreit um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche beschäftigte die Ärztefunktionäre. Montgomery stellte unter Beifall klar, dass es nicht angehe, Frauen in Not Beratung und Adressen zu verweigern. Sein Vorschlag: ein unabhängig betriebenes Internetportal, in dem sich Betroffene über den Eingriff, die gesetzlichen Regelungen und die Anbieter informieren können.

Darauf ging Spahn nicht ein. Allerdings hatte er bereits versichert, nichts gegen eine Informationsbündelung ohne Werbung zu haben. Eine „reine Auflistung“ derer, die Abtreibungen durchführten, sei kein Problem, sagte er im Deutschlandfunk.

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