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Eine Fußgängerzone im Ruhrgebiet.

© imago images/Rupert Oberhäuser

„Jeder weitere Tag fordert mehr Menschenleben“: Virologe für Lockdown ab Montag – bundesweit

Für den Virologen Martin Stürmer ist klar: Die Politik darf nicht mehr warten - der harte Lockdown muss jetzt überall kommen.

Herr Stürmer, die Forderungen nach einem sofortigen harten Lockdown werden angesichts der Infektionszahlen immer lauter. Sind auch Sie der Ansicht, dass jetzt schnelles Handeln nötig ist?
Wir wissen, dass der „Lockdown light“ nicht wirklich wirkt. Jeder Tag, den wir jetzt noch warten, fordert mehr Menschenleben und bringt mehr Menschen auf die Intensivstation.
Ich verstehe, dass man immer abwägt: Was bedeutet das für den Einzelhandel? Was bedeutet es für die Schulen? Aber wir kommen nicht drum herum, dass es spätestens am Montag losgeht. Bundesweit. Es muss von der Politik ein sehr starkes Signal ausgehen, das sagt: Wir haben die Lage nicht mehr im Griff und müssen daher schnell und effektiv reagieren.
Derzeit kommuniziert die Politik nicht klar, es gibt viele unterschiedliche Signale. Verschärft das die Lage?
Unser politisches System in Deutschland ist nun mal so, dass beim Infektionsschutz vor allem die Länder gefragt sind. Um Einheitlichkeit herzustellen, müssen sie erst miteinander reden. Das funktioniert nicht immer optimal.
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Ich verstehe auch, dass man zum Beispiel einem Landkreis mit einem Inzidenzwert von 10 eine Ausgangssperre schwer vermitteln kann. Ich plädiere deshalb schon länger dafür, dass ein bundeseinheitliches Regelwerk geschaffen wird, das sagt: Ab diesem Inzidenzwert gelten diese Maßnahmen. Dann sind die Einschränkungen immer an die Lage vor Ort angepasst, aber es muss nicht jedes Mal diskutiert werden.

Der Virologe Martin Stürmer.
Der Virologe Martin Stürmer.

© imago images/teutopress

Wer sind gerade die Treiber der Infektion? Auf die Glühweinstände wird ja sehr geschimpft.
Natürlich ist es eine Infektionsgefahr, wenn sich Leute über Stunden an Glühweinständen tummeln. Dort trägt man die Maske nicht, hält vielleicht noch nicht mal die Abstände ein, es fliegen Tröpfchen. Aber Infektionen passieren nach wie vor auch in Schulen, im öffentlichen Nahverkehr, im Einzelhandel, wo nicht alle Verkäufer Masken tragen, und natürlich im privaten Bereich.

Ist es verantwortlich, Familientreffen im derzeit geplanten Umfang an Weihnachten zuzulassen?
Nein. Das ist kontraproduktiv. Man kann nicht vor Weihnachten auf die Bremse treten, dann wieder richtig Gas geben und dann wieder voll auf die Bremse steigen. Wenn wir jetzt einen harten Lockdown machen, dann sollte Weihnachten nur als kleine Familienfeier stattfinden dürfen.

Wie feiern Sie Weihnachten?
Ich werde Heiligabend mit meiner Frau und meinem kleinen Sohn verbringen. An einem Tag wird noch meine Tochter aus erster Ehe dazu kommen. Auf einen geplanten Besuch meiner Cousine werden wir wahrscheinlich verzichten.

Martin Stürmer leitet ein Privatlabor und ist Dozent für Virologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

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