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Jan van Aken

© Sven Darmer/Davids

Jan van Aken im Interview: Linken-Vizechef über die Sehnsucht nach Westerwelle

Dem neuen Außenminister Frank-Walter Steinmeier von der SPD traut er nicht so richtig. Dennoch ist der stellvertretende Linken-Vorsitzende Jan van Aken davon überzeugt, dass seine Partei mit SPD und Grünen auch in außenpolitischen Fragen auf einen Nenner kommen wird.

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Herr van Aken, Deutschland hat nun erstmals eine Verteidigungsministerin. Könnten Sie 2017 der erste Linke Minister im Bendlerblock werden?

Nein, niemals Verteidigungsminister, nur Außenminister (lacht). Oder Friedensminister, denn ich setze mich ja vor allem für Abrüstung ein. Mir gefällt nicht, dass sich die letzten Verteidigungsminister immer stärker in außenpolitische Fragen eingemischt haben.

Dann bringt es also nichts, dass mit Frau von der Leyen nun eine als Modernisiererin bekannte Frau an der Spitze des Verteidigungsressorts steht?

Nur weil etwas neu oder modern daherkommt, ist es nicht gleich gut. Auch Guttenberg wollte ein Modernisierer sein. Wenn modern heißt, dass die Bundeswehr eine schlagkräftige, weltweit verfügbare Einsatztruppe ist, dann ist das gar nicht gut.

Guido Westerwelle pflegte als Außenminister eher eine Kultur der militärischen Zurückhaltung. Werden Sie ihm nachtrauern?

Nachtrauern ist ein großes Wort. Aber ich befürchte tatsächlich, dass es künftig Situationen geben wird, in denen ich mir wünschen werde, dass auf dem Stuhl des Außenministers nicht Steinmeier, sondern Westerwelle sitzen würde. Westerwelle hatte sich wenigstens getraut, die Bundeswehr nicht in den Libyen-Krieg zu schicken. 

Sie sind strikt dagegen, die Bundeswehr im Ausland einzusetzen, doch nicht mehr alle in ihrer Partei denken so. Wenn Ihr Fraktionschef Gregor Gysi zu dem Thema spricht, dann lehnt er Kampfeinsätze der Bundeswehr ab, sagt aber nichts mehr generell über jeden Auslandseinsatz. Bewegt sich da etwas?

Ja, das beobachte ich auch. Aber das ist nicht die Position der Linken.  In unserem Grundsatzprogramm steht, dass wir die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen holen wollen. Und es ist klar, dass wir uns nicht an einer Regierung beteiligen werden, die Soldaten in einen Kampfeinsatz schickt. Das ist die rote Linie.

Irgendwann will die SPD lieber ins Kanzleramt

Jan van Aken
"Gar keine Waffenexporte - das wird sich mit der SPD nicht durchsetzen lassen." Jan van Aken, Linke-Bundestagsabgeordneter

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Werden Sie mit der SPD und den Grünen in der Außenpolitik je auf einen Nenner kommen?

Davon bin ich überzeugt. Irgendwann wird die SPD sagen, lass uns auf die Auslandseinsätze verzichten, wir wollen lieber ins Kanzleramt.

Wo liegt Ihre persönliche rote Linie für eine Militärintervention?

Es gab den Hitler-Faschismus, und das wäre für mich eine Situation, in der ich sagen würde, da muss man handeln. Der Versuch von Joschka Fischer, Srebrenica zu einem zweiten Auschwitz zu machen, war allerdings infam, denn er hat damit die unglaublichen Verbrechen des Hitler-Faschismus relativiert. Entscheidend ist, die Prävention ernst zu nehmen. Bisher hat die Bundesregierung in der Außenpolitik meist bis zur letzten Minute gewartet und so lange weggeschaut wie möglich. Am Ende schien dann nur die Bundeswehr zu bleiben. Wenn die Linke mitregiert, wird sich das radikal ändern.

Welche Kompromisse würde die Linke für ein Regierungsbündnis schließen?

Mit der SPD wird sich wohl nicht durchsetzen lassen, dass Deutschland gar keine Waffen mehr exportiert. Das Minimum für mich wäre ein Verbot des Exports von Waffenfabriken und von Kleinwaffen, die weltweit die meisten Toten verursachen.

An der Rüstungsindustrie hängen Arbeitsplätze. Was sagen Sie denen, die ihren Arbeitsplatz verlieren?

Das Arbeitsplatz-Argument ist nur vorgeschoben. Die CDU schürt damit Ängste. Nehmen wir das Beispiel Heckler & Koch, die unter anderem das Sturmgewehr G 36 herstellen. Einen Teil der Produktion kauft die Bundeswehr. Gefährdet wären dort durch ein Exportverbot vielleicht 300, 400 Arbeitsplätze. Um die Leute muss man sich kümmern, ganz klar. Aber darüber geht ja nicht gleich die Welt zu Grunde. Als 30 000 Schlecker-Frauen auf der Straße standen, haben die gleichen Leute geschwiegen. Und: Wer Hochpräzisionsgewehre herstellt, kann auch Hochpräzisionsinstrumente für die Medizin produzieren.

Nach dem alten Motto der DDR-Friedensbewegung, „Schwerter zu Pflugscharen”?

Ist das nicht ein Psalm der Bibel? Ich bin zwar nicht gläubig, aber die Parole finde ich gut, genau das wollen wir auch für Heckler & Koch und andere Rüstungsfirmen.

Muss Deutschland raus aus der Nato?

Ja. Aber noch wichtiger ist es, die Nato aufzulösen. Die Nato hat sich im Kalten Krieg als Gegengewicht zum Ostblock formiert. Dann fällt der Ostblock weg, und die Nato sucht sich neue Aufgaben. Das ist völlig absurd. Wer bedroht denn unsere Sicherheit? Wer auch immer das sein soll, ob nun  Russland, China, Indien oder jemand im Nahen Osten. mit denen sollte man Probleme kooperativ klären. Das ideale Modell dafür ist für mich die OSZE, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die das in Osteuropa erfolgreich praktiziert.

Im Fall von Syrien haben es Russland und die USA geschafft, das Assad-Regime zur Herausgabe seines Chemiewaffenarsenals zu bewegen. Was bedeutet das für das internationale Krisenmanagement?

Diese Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland ist wegweisend. Das Besondere an der gefundenen Lösung: Da hat sich endlich einmal jemand was getraut. Abrüstung und Friedensverhandlungen funktionieren immer nur, wenn jemand einen Schritt weiter geht als die Norm.

Helmut Schmidt und Idol? No way!

Jan van Aken
"Die Fokussierung meiner Genossen auf die SPD ist ein bisschen komisch." Jan van Aken

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Hat es Sie überrascht, dass Altkanzler Helmut Schmidt auf Ihrer Seite gegen Rüstungsexporte kämpft?

Als ich das gelesen habe, war ich nicht besonders überrascht. Zu Schmidts Zeit war die Bundesregierung in dieser Frage deutlich zurückhaltender als heute. In den 70er Jahren wurde eben nicht jede Waffe an fast jedes Land verkauft. Schmidt kommt aus einer Zeit, in der es nicht so normal war, jeden Diktator mit Waffen auszurüsten.

Für viele in Ihrer Partei ist ja Willy Brandt ein Idol, für Sie jetzt Helmut Schmidt?

No way! Helmut Schmidt und Idol? Sie wissen gar nicht, wie oft ich gegen den demonstriert habe! Der wird niemals mein Idol.

Die Linke hat sich seit ihrer Gründung immer besonders intensiv an der SPD abgearbeitet. Ist das noch zeitgemäß?

Ich finde diese Fokussierung meiner Genossen und Genossinnen auf die SPD ein bisschen komisch. Vielleicht auch, weil mir viele immer eine Nähe zu den Grünen nachsagen, nur weil ich mal bei Greenpeace war. In Teilen der Linken gab und gibt es teilweise noch eine Überbeschäftigung mit der SPD. Das erklärt sich daraus, dass die SPD die soziale Gerechtigkeit für sich beansprucht, diesen Anspruch aber nicht erfüllt. Dennoch: Für mich steht mit der CDU ganz klar der Hauptgegner rechts. 

Die Linke teilt sich mit den Grünen die Oppositionsbänke. Gibt es eine Annäherung?

Die Chance dafür ist da, auf jeden Fall. Beide Parteien müssen jetzt die Punkte herausfinden, wo sie aus der Opposition heraus gemeinsam agieren können. Es gibt diese Chance zur Annäherung übrigens sogar mit der SPD, obwohl die jetzt Regierung ist. Die SPD hat auf dem Leipziger Parteitag beschlossen, endlich den Vernichtungswillen gegenüber der Linken aufzugeben. Sie hat damit den theoretischen Weg zur Zusammenarbeit aufgemacht. Das heißt viel. 

Hält die GroKo vier Jahre?

Ja.

Lafontaines Intervention gegen Windräder ist politscher Unsinn

Jan van Aken
"Bevor ich zur Linken kam, wusste ich gar nicht, dass die Umweltpositionen hat." Jan van Aken

© Sven Darmer/Davids

Schwarz-Grün in Hessen, nervt Sie das als falsches Signal?

Ich kenne das, das hatten wir schon in Hamburg.

Wenn es zwischen Volker Bouffier und Tarek Al-Wazir klappt, wird Schwarz-Grün im Bund wahrscheinlicher, oder?

Wahrscheinlicher ja, aber kein Automatismus. Die Grünen werden nicht den Fehler machen, jetzt voll auf die CDU zu setzen. Erstens bekämen sie das an ihrer Basis nicht durch. Und zweitens wollen sie gerade ihre Optionen erweitern. Und da ist es nicht sinnvoll, die Option Mitte-Links-Bündnisses nun gegen die andere Schwarz-Grün einzuwechseln.  

Warum schwächelt die Linkspartei im Westen?

Im Westen gibt es noch einen tief verankerten Antikommunismus. Bis der sich herauswächst, wird es 20 Jahre dauern. Dann wird es eine neue Generation geben, die bei der Linken nicht an verstaubte DDR denkt.  

Wie grün ist die Linke?
Sie fragen einen gelernten Öko. Bevor ich zur Linken kam, wusste ich gar nicht, dass die irgendwelche Umweltpositionen hat. Inzwischen weiß ich: Die Linke ist in ihren Positionen extrem grün. Manchmal gehen wir sogar weiter als die Grünen, weil wir die entscheidende Eigentumsfrage stellen. Wir werden mit diesem Thema zwar niemals Stimmen gewinnen. Umgekehrt können die Grünen aber noch so viel Steuerwahlkampf machen, davon profitieren dann nur wir. Was nichts daran ändert, dass in unserer täglichen Politik noch die eine oder andere Panne vorkommt.

Welche?

Vor drei Jahren war die Forderung nach Anhebung der Pendlerpauschale ...

... damals erhoben von Parteichef Klaus Ernst ...

schlicht und einfach falsch. Durch die soziale Brille ist etwas entschieden worden, das total unökologisch ist. 

Und jetzt haben Sie sich bestimmt über Oskar Lafontaine geärgert, der gegen Windräder mit dem Argument polemisierte, sie würden die Poesie der Landschaft zerstören?

Kunst entsteht im Auge des Betrachters. Wenn Oskar Lafontaine schreibt, er könne sich unter 13 Windrädern nicht leicht und frei fühlen, dann glaube ich ihm das. Das Ding ist nur: Das gilt für mich nicht. Ich finde eine Kulturlandschaft mit Windrädern schön. Aber ganz egal, wie er sich da fühlt und wie ich mich da fühle: Entscheidend ist, ob etwas politisch richtig ist. Und in diesem Fall hat Oskar Lafontaine politischen Unsinn verzapft. Er macht den Fehler, aus einem persönlichen Kulturempfinden eine politische Schlussfolgerung zu ziehen.

Niemand sollte länger als acht Jahre im Bundestag sitzen

Jan van Aken
"Die Welt verändern und Spaß haben." Jan van Aken ist 52 Jahre alt.

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Im Bundestag gibt es mehrere Gesprächskreise, die Möglichkeiten für ein rot-rot-grünes Bündnis ausloten - bisher machen nur Hinterbänkler mit. Wann werden Sie sich dort einmischen?

Ich  bin doch selbst Hinterbänkler. Ich habe keinerlei Funktion hier in der Fraktion.

Sie sind immerhin stellvertretender Parteivorsitzender.

Wenn ich sondiere, was gemeinsam möglich ist und wird, dann an meinen konkreten Themen. Dann schnappe ich mir auch SPDler, diskutiere und versuche, gemeinsame Positionen zu finden. Wenn sich aus den konkreten Themen - Waffenexporte, Auslandseinsätze - etwas Größeres ergibt, dann ist das toll. Dann werde ich der erste sein, der die Gelegenheit beim Schopfe ergreift.

R2G, wie Rot-Rot-Grün neuerdings abgekürzt wird, ist  in der Bevölkerung nicht gerade populär.

Bisher fehlt für ein solches Projekt leider noch die zündende Begründung. Das ist ein Problem. Es gibt keine Wechselstimmung im Land. Angela Merkel lullt alle ein. 

Zum Schluss noch einmal zu Ihrer politischen Zukunft: Was bedeutet Ihnen Karriere?

Mein Lebensmotto ist: Ich will die Welt verändern und Spaß haben.

Moment mal, hier in Ihrem Büro an der Wand hängt ein Plakat „Hier bitte nichts verändern“!

Das ist nicht mein Motto, das ist feine Ironie. Recherchen zu Rüstungsexporten, ab und zu einen kleinen Skandal aufdecken, das bereitet mir Freude und ist auch politisch sinnvoll. Aber in vier Jahren ist hier im Bundestag für mich Schluss. Niemand sollte länger als zwei Legislaturperioden im Parlament sitzen, gar niemand.

Das werden die Genossen, die noch manches mit Ihnen vorhaben, vermutlich nicht so gern hören. Vollenden Sie für uns trotzdem doch bitte mal den Satz: Wenn Gregor Gysi abtritt, dann ...

(lacht) Nein, dann werde ich nicht Fraktionsvorsitzender, vergessen Sie’s. Wenn Gysi abtritt, dann ist das Land um einen guten Politiker ärmer und einen guten Entertainer reicher.

Jan van Aken (52) ist seit Juni 2012 stellvertretender Vorsitzender der Linkspartei. Im Bundestag sitzt der Hamburger seit 2009, er gehört zu den außenpolitischen Experten seiner Fraktion. Vor seiner Zeit im Parlament arbeitete er unter anderem für Greenpeace und als Biowaffeninspektor bei den Vereinten Nationen. Das Gespräch führten Matthias Meisner und Ulrike Scheffer.

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