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Rechtsextreme bei einer Versammlung in in Karlsruhe-Durlach (Baden-Württemberg).

© picture alliance / Uli Deck/dpa

Jahresbericht des Verfassungsschutzes: Die Rechten werden aggressiver

Der Verfassungsschutz beobachtet einen Zulauf bei den Extremen. Doch was genau steht in dem Bericht? Überblick über Rechts- und Linksextremismus, Islamismus und Spionage.

Von Frank Jansen

Die extremistischen Szenen in der Bundesrepublik haben weiter Zulauf. Die meisten Daten im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) für 2017 weisen nach oben. Das gilt vor allem für die gewaltorientierten Milieus bei rechten, linken, islamistischen und kurdischen Fanatikern.

Rechtsextremisten und Reichsbürger

Der schon seit Jahren in der rechten Szene zu beobachtende Trend zu besonders aggressiven Organisationen und Gruppierungen wird noch stärker. Auffällig ist das Wachstum des vom BfV als „subkulturell geprägte Rechtsextremisten“ bezeichneten Spektrums. Gemeint sind vor allem die oft unorganisierten Fans brauner Rockbands. Der Verfassungsschutz registrierte eine Zunahme um 700 Personen auf 9200. Die brachiale Musikszene konnte 2017 einen erschreckenden  Erfolg feiern. Im Juli kamen mehr als 6000 deutsche und ausländische Rechtsextremisten zum Festival „Rock gegen Überfremdung“ in die thüringische Kleinstadt Themar. Es war das größte Nazi-Konzert in Deutschland seit der Wiedervereinigung.

Außerdem wird die rabiate Kleinpartei „Der III. Weg“ für Neonazis zunehmend attraktiv. Die Zahl der Mitglieder wuchs von 350 auf 500. Die ähnliche gestrickte Minipartei „Die Rechte“, die punktuell mit der NPD kooperiert, verlor hingegen ein wenig (2017: 650 Mitglieder, 2016: 700).

Die Altparteien im Rechtsextremismus, NPD und Pro NRW, lahmen. Sie kommen bei Wahlen gegen die AfD nicht an, können aber auch das Hardcore-Segment der rechtsextremen Szene nur mäßig bis gar nicht begeistern. Die NPD zählt trotz des Scheiterns des zweiten Verbotsverfahrens im Januar 2017 nur noch 4500 Mitglieder (2016: 5000), bei Pro NRW sind 400 (500) übrig.

Als weitere Größe im rechtsextremen Spektrum etabliert sich die Identitäre Bewegung. Der rassistischen Vereinigung, die sich als Spontitruppe im Vorfeld der AfD versteht, gehören inzwischen 500 meist junge Leute an (2016: 300).

Etwa 950 der 18.000 Reichsbürger rechnet das BfV dem „parteiungebundenen“ Rechtsextremismus zu. 1200 Reichsbürger haben noch waffenrechtlichtliche Erlaubnisse, mehr als 450 wurden seit Anfang 2017 eingezogen.

Linksextremisten

Die Szene der gewaltorientierten Linksextremisten hat von den heftigen Ausschreitungen während des G-20-Gipfels im Juli 2017 in Hamburg profitiert. Das BfV meldet eine Zunahme um 500 Personen auf 9000. In der Summe enthalten sind der Anstieg bei den Autonomen (2017: 7000, 2016: 6800) sowie ein Teil der neuen Mitglieder und Mitläufer beim Spektrum der Marxisten-Leninisten und weiteren revolutionären Marxisten (2017: 22.600, 2016: 21.800).

Islamisten

Im Jahresbericht 2017 spricht das BfV von 10.800 Salafisten, heute sind es bereits 11 200. Nicht alle gelten als gewaltorientiert, doch nahezu jeder Dschihadist entstammt der salafistischen Szene. Das BfV beziffert das besonders gefährliche „islamistisch-terroristische Personenpotenzial“ aktuell mit 1900 Extremisten. Darin enthalten sind die mehr als 774 Gefährder, die das Bundeskriminalamt derzeit registriert, und die von ihm gezählten 470 „relevanten Personen“, also mutmaßliche Unterstützer von Terroristen. Den Rest, mehr als 650 Islamisten, stuft der Verfassungsschutz aufgrund eigener Erkenntnisse auch als militant ein.

Die Zahl der Salafisten, die in die Bürgerkriegsgebiete in Syrien und Irak ausgereist sind, stagniert bei 1000. Seitdem die Terrormiliz „Islamischer Staat“ ihr Herrschaftsgebiet weitgehend verloren hat, bleiben die in Deutschland lebenden Salafisten lieber zu Hause.

Kurdische und andere ausländische Extremisten

Die Terrororganisation PKK kann sich trotz des in Deutschland bereits 1993 ergangenen Verbots behaupten. Und sie legt noch zu. Das BfV stellte 2017 ein Wachstum um 500 Mitglieder auf 14 500 fest. Der andauernde Konflikt mit den Sicherheitskräften in der Türkei und der Einmarsch der türkischen Armee in die nordsyrische Kurdenenklave Afrin haben der PKK weitere Anhänger beschert.

Die vom Verfassungsschutz als extrem nationalistisch eingestuften türkischen Gegner der PKK, bekannt als „Ülkücü-Bewegung“ oder auch „Graue Wölfe“, zählen unverändert 11 500 Anhänger. Sorgen bereitet dem Verfassungsschutz vor allem die Radikalisierung der Jugend beider Kontrahenten. Der Nachwuchs von PKK und Ülkücü-Bewegung wütetet gegeneinander im Internet, bei Demonstrationen kommt es zu Schlägereien.

Spionage

Als wachsendes Problem sieht der Verfassungsschutz die Cyberattacken ausländischer Nachrichtendienste. Besonders Russland und China habe das BfV mehrfach als Angreifer erkannt, heißt es in einer Zusammenfassung des Jahresberichts. Die Behörde erwähnt auch den türkischen Geheimdienst MIT. Er betreibe in Deutschland „Oppositionellenausspähung“. Dem iranischen Mullahregime wird im Bericht bescheinigt, weiterhin in hohem Maße zu versuchen, Material für sein Raketenprogramm zu beschaffen.

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