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Italiens Premier zur Sparpolitik: „Das zerstört Europa“

Italiens Premier Renzi kritisiert in Berlin die Sparpolitik und fordert auch von den Deutschen ein Umdenken.

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi hat in Berlin massive Kritik an der europäischen Sparpolitik geäußert und implizit auch an der Rolle Deutschlands, die er als „entscheidend“ bezeichnete. „Diese Politik, die alles auf die Karte Einsparungen setzt, hat in den letzten Jahren nicht funktioniert. Vielleicht für Deutschland, aber nicht für Europa.“ Was gerade in Griechenland geschehe, sei „nicht das, was wir unter einem neuen Europa verstehen“. Eine rein finanztechnische Auffassung von Europa funktioniere nicht „und wird Europa zerstören“.

Viel Lob für den Gast

Die Folgen des Sparens, so der Premier, könne man an den Statistiken ablesen. In Lissabon habe die Europäische Union vor 15 Jahren beschlossen, die wettbewerbsfähigste und dynamischste Region der Erde zu werden. Nun „sind wir dabei, das Schlusslicht zu werden“. Er kenne „kein Unternehmen in der Welt, das wettbewerbsfähig bleibt, wenn es aufhört zu investieren“.

Renzi sprach im Rahmen der Reihe „Humboldt-Reden zu Europa“, die das Walter-Hallstein-Institut für Europäisches Verfassungsrecht an der Humboldt-Universität mit Partnerinstitutionen schon seit einigen Jahren organisiert. Die Veranstalter bereiteten ihrem italienischen Gast einen ungewöhnlich enthusiastischen Empfang. Professor Ingolf Pernice lobte Renzi als denjenigen, der die Lage Italiens in einem Jahr im Amt „sehr verbessert“ und dem Land wieder internationales Vertrauen zurückerobert habe. Bernhard Schnittger, Vizechef der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin, lobte ihn sogar als den Politiker, „der wie niemand anderes in Europa Dynamik verkörpert“.

"Es geht um Euro oder Drachme"

Pernices Kompliment, er habe die Herzen der Italiener erobert, wiegelte Renzi selbst ab. Tatsächlich hat er noch keine Parlamentswahl gewonnen beziehungsweise gewinnen können, weil er 2014 noch ohne Neuwahl vom scheidenden Staatspräsidenten Giorgio Napolitano in sein Amt eingesetzt wurde. Bei der Europawahl erzielte Renzis Mitte-Links-Partei ein sehr gutes Ergebnis, inzwischen bröselt die Zustimmung.

Renzi kritisierte in Berlin auch die griechische Regierung unter Syriza dafür, dass sie ein Referendum über die Verhandlungsergebnisse mit den Gläubigern Griechenlands angesetzt hat. Das Referendum sei hochriskant, weil selbst bei einem Ja nicht klar sei, wie es in Athen weitergehe. Die Abstimmung, die an diesem Sonntag stattfinden soll, gelte ohnehin einem anderen Thema: „Es ist ein Referendum darüber, ob Griechenland in der Euro-Zone bleibt oder zur Drachme zurückkehrt. Nicht mehr und nicht weniger.“ Die EU warnte er, sich in den Wahlkampf einzumischen. „Eine Einmischung von EU-Politikern wäre ein Geschenk an Syriza“, sagte Renzi.

Heftig reagierte Renzi auch beim Thema Flüchtlinge. Bis drei Uhr morgens habe er auf dem EU-Gipfel „ein Festival des Egoismus“ erlebt, das die Gründerväter des gemeinsamen Europa erschüttert hätte. Er habe als 14-Jähriger den Mauerfall erlebt. Jetzt sei sein Sohn 14 Jahre alt, und es krampfe sich ihm das Herz zusammen, wenn er daran denke, "dass ich ihm demnächst wohl werde erklären müssen, dass man wieder eine Mauer baut, um dich zu verteidigen“.

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