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Wiederaufbau. Premier Draghi hat Reformen versprochen.

© Riccardo Antimiani/dpa

Italien: Italien erleichtert über mehr Wirtschaftswachstum

Auch wenn die Wachstumszahlen vor allem dem tiefen Sturz in der Pandemie zu verdanken sind: Italien schöpft Hoffnung auf ein Ende der Dauerkrise.

Die Überschrift verhieß eine Sensation: „Gutes Bruttoinlandsprodukt: Italien wächst schneller als Frankreich und Deutschland“ titelte der „Corriere della sera“. Um 2,7 Prozent ist Italiens Wirtschaft im zweiten Quartal des Jahres gewachsen – erwartet worden war weniger als die Hälfte, 1,3 Prozent.

Schon im ersten Quartal hatte es ein leichteres Wachstum gegeben, und verglichen mit dem Vergleichszeitraum von 2020, dem Katastrophenjahr der Pandemie, hat das BIP sogar um 17,3 Prozent aufgeholt.

Dass es die Jubelnachricht dennoch nicht zum Aufmacher auf den ersten Seiten der italienischen Zeitungen brachte und auch der „Corriere“ im Text unter der Schlagzeile den Enthusiasmus sofort dämpfte, hat seinen guten Grund: Italien muss sich aus einem tiefen Loch hocharbeiten.

Die verblüffenden Wachstumszahlen erklären sich wesentlich aus dem niedrigen Niveau, auf das die Pandemie die Konjunktur drückte. Das Land, das in Europa am frühesten und besonders massiv von Covid-19 betroffen war, hatte 2020 einen historischen Absturz seiner Wirtschaft zu verkraften – mit rund neun Prozent der stärkste seiner Nachkriegsgeschichte und einer der dramatischsten unter den Industrieländern der Welt.

Nach langem Spardruck gibt es jetzt Hilfe aus Brüssel

Die Lombardei, das industrielle Herz des Landes, traf Corona als erstes und am heftigsten. Von den mittlerweile 128 000 Toten der Pandemie, die Italien seit Februar 2020 zählte, starben 34 000 dort. Das ist der mit weitem Abstand größte Anteil einer Region innerhalb des Landes.

Auch Italiens nationale Statistikbehörde Istat nennt das „außergewöhnlich deutliche“ Wachstum ein Ergebnis dieser Vorgeschichte. Nach leichter Erholung im ersten Quartal sei, so die nüchterne Einschätzung der Behörde, das Wachstum im zweiten nun „sehr zurückhaltend“. Vor allem der am meisten krisenbetroffene Dienstleistungssektor habe sich stark erholt, die Industrie – die übrigens nie wirklich im Lockdown war – sei gewachsen, die Landwirtschaft stagniere im wesentlichen.

Doch anders als nach früheren Wirtschaftskrisen, in denen Italien praktisch seit Beginn der 1990-er Jahre steckte, kann das Land diesmal auf die veränderte gesamteuropäische Lage hoffen. Italien, nach 1945 jahrzehntelang hochproduktiv, wurde, wie der niederländische Ökonom Servaas Storm schrieb, nach seiner Unterschrift unter den Maastricht-Vertrag zur Musterschülerin der EU-Sparpolitik und zahlte teuer dafür. Die Ausgaben für Bildung und Forschung zum Beispiel liegen seit langem auf einem der hinteren OECD-Plätze.

Jetzt hat das Land hohe Summen aus dem gemeinsamen Europäischen Wiederaufbau-Fonds zu erwarten, die die lange Stagnation, die „Post-Maastricht-Krise des italienischen Kapitalismus“ (Storm) beenden könnten. Nicht nur Europa koppelt die Hilfen daran, dass sie ökologisch sinnvoll und insgesamt nachhaltig eingesetzt werden.

Grüner Umbau, modernere Verwaltung

Auch Italiens aktueller Ministerpräsident und früherer EZB-Chef Mario Draghi versprach schon in seiner ersten Rede umfassende Reformen auch der staatlichen Infrastruktur. Neben einer grünen Wende will er auch in die lange verschleppte Modernisierung von Justiz und Verwaltung investieren.

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Der Chef der Deutsch-italienischen Handelskammer in Mailand, Jörg Buck, stellte Italiens Industrie schon im Frühjahr in einem Interview ein gutes Zeugnis aus: Auch die kleinen und mittleren Unternehmen seien gut aufgestellt, um mitzuziehen, wenn die 200 Milliarden aus Brüssel in einen zukunftsfesten Umbau gesteckt würden: „Mehr grün, mehr digital, mehr Vernetzung.“

Gleichzeitig müsse in die Berufsausbildung, in die Fort- und Weiterbildung der aktuellen Belegschaften investiert werden, so Buck. Italiens Industrien der Zukunft brauchten auch die Menschen, die in ihr arbeiten und sie weiterentwickeln könnten.

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