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Gedenken am Tatort. Nach der tödlichen Messerattacke eines Somaliers in Würzburg trauert die Stadt um die Opfer.

© Nicolas Armer/dpa

Ist Täter von Würzburg psychisch krank?: Generalstaatsanwaltschaft will Somalier dringend begutachten lassen

Das Motiv des Attentäters von Würzburg bleibt unklar. In seinem Zimmer in einem Heim fanden sich handschriftliche Notizen. Sie werden jetzt übersetzt.

Von Frank Jansen

In das Entsetzen mischt sich Verwirrung. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat am Sonntag den Verdacht verstärkt, der Täter von Würzburg habe aus islamistischem Hass drei Menschen erstochen und sieben weitere verletzt.

„Es spricht sehr viel angesichts dessen, was wir aufgefunden haben, dafür, dass es sich um eine islamistisch motivierte Tat handeln könnte“, sagte Herrmann in einem Video der „Bild“-Zeitung.

Es sei bei der Durchsuchung des Zimmers des Täters in einem Obdachlosenheim einiges gefunden worden, „was auf islamistisches Propagandamaterial hinweisen könnte“. Die ermittelnde Generalstaatsanwaltschaft München und Experten in weiteren Behörden äußerten sich hingegen zurückhaltend.

Das Motiv des Somaliers Abdirahman J. sei weiterhin nicht geklärt, hieß es. Nach Informationen des Tagesspiegels wurden im Zimmer eine Gebetskette, zwei Gebetsteppiche und handschriftliche Notizen gefunden. Diese müssen allerdings übersetzt werden. Die Polizei nahm auch zwei Handys mit. Untersucht wird, ob sie Chats mit extremistischem Inhalt enthalten.

Mit einem Küchenmesser einen Asylbewerber bedroht

Die Generalstaatsanwaltschaft will den schon vor der Tat psychisch auffälligen Mann möglichst bald begutachten lassen. Der Somalier hatte im Januar mit einem Küchenmesser einen Asylbewerber bedroht. Im Juni zwang er einen Autofahrer, ihn mitzunehmen und wollte nicht wieder aussteigen.

Der Somalier wurde in die Psychiatrie eingewiesen, kam aber bald frei, da er sich unauffällig verhielt. „Es ist eine zwingende Geschichte, dass man sich den anschaut“, sagte am Montag der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Klaus Ruhland, dem Tagesspiegel. Bei einer so schweren Tat sollte der psychiatrische Sachverständige „eine der Koryphäe“ sein. Namen nannte Ruhland nicht.

Den Fall Würzburg bearbeitet bei der Generalstaatsanwaltschaft die „Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET)“. Sie werde tätig, wenn es bei schweren Straftaten Extremismusverdacht gebe, sagte Ruhland. Das bedeute im Fall Würzburg allerdings nicht, dass sich die ZET auf ein Terrormotiv festgelegt habe. Und die Bundesanwaltschaft lässt offen, ob sie die Ermittlungen an sich zieht. Das geschieht bei Terrorverdacht oder auch extremistischen Taten mit besonderer Bedeutung.

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Für ein islamistisches Motiv spricht bislang, dass der 24-jährige Somalier nach Angaben eines Zeugen bei der Tat einmal „Allahu akbar“ rief („Gott ist größer“), und dass er nach der Festnahme angab, er habe seinen „Dschihad“ verwirklicht. „Allahu akbar“ und „Dschihad“ gehören auch zum Vokabular nicht extremistischer Muslime, aber in einer anderen Interpretation als bei Islamisten. Für diese ist „Allahu akbar“ ein Kampfruf und der „Dschihad“ nicht nur eine persönliche, vom Glauben geprägte Anstrengung, sondern der „heilige Krieg“ gegen die verhassten Ungläubigen.

Abdirahman J. hatte am späten Freitagnachmittag in Würzburg in einem Woolworth-Kaufhaus ein Messer mit langer Klinge aus einem Regal genommen und drei Frauen erstochen. Dann lief er auf die Straße und stach am nahen Barbarossaplatz auf Passanten ein. Fünf erlitten schwere Verletzungen, zwei kamen mit leichten Wunden davon und sind inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen. Auf dem Barbarossaplatz schritten Zeugen ein und versuchten, den Somalier zu stoppen. Die Polizei konnte ihn dann mit einem Schuß in ein Bein überwältigen.

Der Somalier konnte nicht in sein Heimatland abgeschoben werden

Der Täter ist einer von vielen Geflüchteten, die 2015 nach Deutschland kamen, Asyl beantragten, aber nur „subsidiären Schutz“ erhielten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) lehnte den Asylantrag des Somaliers ab, da er nicht nachweisen konnte, in seinem Heimatland politisch verfolgt zu werden. Abdirahman J. hatte angegeben, er habe einen Handgranatenanschlag der somalischen Terrormiliz Al Shabaab verhindert und deshalb fliehen müssen.

Das war offenbar kaum glaubhaft, dennoch bekam Abdirahman J. subisidiären Schutz. Er gelte für Geflüchtete, wenn sie Gründe nennen können, „dass ihnen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht“, sagt das Bamf. Ein solcher Schaden könne „eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts“ sein. Letzteres trifft auf Somalia zu. Das Land wird seit 30 Jahren vom Bürgerkrieg verwüstet. Teile Somalias beherrscht die Islamistentruppe Al Shabaab. Sie ist mit Al Qaida verbündet. Derzeit werden meist nur Gefährder und Kriminelle ins Land zurückgebracht.

Im vergangenen Jahr ging die Münchener Generalstaatsanwaltschaft einem Verdacht gegen Abdirahman J. nach, den ein Asylbewerber telefonisch geäußert hatte. Demnach soll J. bei Al Shabaab mitgemacht haben. Die Generalstaatsanwaltschaft legte den Fall der Bundesanwaltschaft vor. Diese sah keine Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht. Aus den Angaben des Anrufers war zu schließen, J. sei im Alter von elf oder zwölf Jahren bei Al Shabaab gewesen. „Das wäre in Deutschland strafrechtlich nicht zu ahnden“, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München.

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