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Wie verhält sich das, was Neubauer jetzt sagt, zu dem, was sie bei Anne Will sagte?

© dpa/Wolfgang Borrs

Ist CDU-Kandidat Maaßen ein Antisemit?: Was Neubauer bei Anne Will sagte – und was sie jetzt sagt

Die Klimaaktivistin hat eine Debatte ausgelöst, was man im Wahlkampf sagen darf. Konsens ist: Ein scharfer Vorwurf erfordert klare Belege. Eine Analyse.

Der Vorwurf des Antisemitismus ist vor dem historischen Hintergrund des von Deutschen verübten Holocausts eine der schärfsten Waffen im politischen Diskurs in Deutschland. Er kann Karrieren beenden.

Seit die Klimaaktivistin Luisa Neubauer dem CDU-Bundestagskandidaten und vormaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen in der Sendung „Anne Will“ am vergangenen Sonntag vorgeworfen hatte, er verkörpere Antisemitismus, ist eine heftige Debatte in deutschen Medien entbrannt, wie gut Neubauers Belege für diesen Vorwurf sind und was generell im Wahlkampf erlaubt ist. Auch auf der Webseite des Tagesspiegels gehört diese Frage zu den meistdiskutierten Themen.

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Die Auseinandersetzung hat neuen Antrieb erfahren durch ein Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), in dem Neubauer behauptet: „Dass Herr Maaßen selbst ein Antisemit ist, habe ich nicht gesagt.“ Zur Begründung ihres Vorwurfs sagt sie nun, Maaßen habe über seinen Twitter-Account auf angeblich antisemitische Inhalte verlinkt. Und er benutze problematische Begriffe, die als Codes für rechtsextremistische Gedanken gelten, wie das Wort „Globalisten“.

Der Vorwurf: Maaßen "verkörpert" Antisemitismus

Was ist dran an diesen Belegen? Und wie verhält sich das, was Neubauer jetzt sagt, zu dem, was sie bei Anne Will sagte?

In der Sendung warf Neubauer dem CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet – beginnend ab Minute 30 - vor, dass er sich nicht ausdrücklich von Maaßen distanziere. Laschet legitimiere „rassistische, antisemitische, identitäre und übrigens auch wissenschaftsleugnerische Inhalte, verkörpert durch Hans Georg Maaßen“.

Laut Neubauer „verkörpert“ Maaßen Rassismus und Antisemitismus. Das ist schwerlich anders zu verstehen, als dass sie ihn einen Antisemiten nennt. Laschet entgegnete: „Maaßen ist nicht Antisemit, er verbreitet auch keine antisemitischen Inhalte.“ Das wäre ein Grund für einen Parteiausschluss. Er verlangte Belege von Neubauer.

In diesem Schlagabtausch wiederholte Neubauer den Vorwurf, Maaßen „verkörpert“ Antisemitismus nicht. Sie nahm ihn aber auch nicht zurück, sondern bekräftigte, Maaßen verbreite antisemitische Inhalte. Auch dafür nannte sie in der Sendung keine Belege.

Auch Anne Will wird kritisiert

Auch die Moderatorin Anne Will wird in den Leserkommentaren kritisiert. Auch sie habe keine Belege genannt und ihrerseits nicht bei Neubauer nachgefragt.

Maaßen wies die Vorwürfe am Montag zurück, auf Fragen des Tagesspiegel nach Belegen antwortete Neubauer nicht. Eine Analyse von Maaßen-Äußerungen durch die Redaktion förderte keine antisemitischen Einlassungen zutage, wohl aber scharfe und in ihrer historischen Anlehnung problematische Angriffe auf Klimaaktivisten. Die seien ein Beispiel für „deutschen Größenwahn“ und Weltrettungsfantasien. „Wir können die Welt nicht retten. Wir haben schon zweimal versucht, die Welt zu retten und es ist schief gegangen“, habe Maaßen offenbar in Anspielung auf zwei Weltkriege gesagt.

Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, warnte mit Blick auf Neubauers Äußerungen davor, Menschen pauschal Judenfeindlichkeit vorzuwerfen. „Der Antisemitismus-Vorwurf ist ein scharfes Schwert und erfordert klare und eindeutige Belege.“

Reicht eine Verlinkung als Beleg?

Am Mittwoch folgte das Interview, in dem Neubauer behauptet, nie gesagt zu haben, dass Maaßen Antisemit sei, und ihren Vorwurf, er verlinke antisemitische Inhalte, präzisierte. Maaßen haben auf Twitter zur Plattform „The Unz Review“ verlinkt. Deren Gründer stelle den Holocaust in Frage. Medien und ihre Nutzer stellen zu dieser Art der Beweisführung die Gegenfrage: Reicht das, um einem Menschen vorzuwerfen, er selbst zeige eine gefährliche Nähe zum Antisemitismus?

Neubauer hält Maaßen zudem vor, er verwende das Wort „Globalisten“ und dies sei ein rechtsextremes Codewort, wie laut Neubauer die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung analysiert habe. Die KAS-Studie ist freilich vieldeutiger. Der Begriff schaffe Berührungspunkte zwischen rechtsextremen und linksextremen Globalisierungsgegnern, heißt es dort.

Die Studie der Adenauer-Stiftung

Man müsse genau hinschauen, was sie verbinde und wo die gravierenden Unterschiede seien, hält die Studie fest. „Insofern ist Globalisierungskritik bei Rechtsextremisten auch Kapitalismuskritik und kann sich bei ihrer Artikulation in erheblichem Umfang auf das analytische Instrumentarium der linksextremen Konkurrenz stützen.“

Man glaubt es bei der Schärfe der Auseinandersetzung kaum: Könnte es da verbindende Brücken zwischen dem linken und dem rechten Lager geben?

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