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Benjamin Netanyahu nach der Wahl

© Ammar Awad/REUTERS

Update

Israel-Wahl 2019: Keine Mehrheit für Netanjahu oder Gantz

Bei der Wahl in Israel liegen Netanjahus Partei und das Bündnis von Herausforderer Gantz mit 32 Sitzen gleichauf. Der Premier gab sich dennoch siegesgewiss.

Bei der Parlamentswahl in Israel vom Dienstag zeichnet sich ein Patt zwischen dem konservativen Regierungschef Benjamin Netanjahu und seinem Herausforderer Benny Gantz ab. Netanjahus Likud und Gantz' Mitte-Bündnis Blau-Weiß kamen nach der Auszählung von 92 Prozent der Stimmen gleichermaßen auf 32 Mandate.

Insgesamt hat die Knesset 120 Sitze, für eine Mehrheit braucht es also mindestens 61 Mandate. Das rechte Lager mit Netanjahus konservativem Likud, der Jamina-Partei von Ex-Justizministerin Ajelet Schaked und den strengreligiösen Parteien kann diese Anzahl an Mandaten laut den Ergebnissen nicht erreichen. Die rechtsextreme Ozma Jehudit (Jüdische Kraft) scheiterte an der Sperrklausel von 3,25 Prozent.

Das Mitte-Links-Lager mit Gantz' Bündnis Blau-Weiß, der Arbeitspartei, der Demokratischen Union und den arabischen Parteien ist ebenso von einer Mehrheit im Parlament entfernt.

Die Vereinigte Arabische Liste wurde mit 11 bis 13 Sitzen drittstärkste Kraft im Parlament. Die ultrarechte Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) von Netanjahus Rivalen Avigdor Lieberman erhielt acht bis zehn Mandate.

Netanjahu gibt sich siegesgewiss

Netanjahu selbst zeigte sich siegesgewiss. Am frühen Mittwochmorgen kündigte er vor Anhängern in Tel Aviv an, er wolle in den kommenden Tagen Verhandlungen über die Bildung einer „starken Regierung“ aufnehmen. Ziel sei es, eine „gefährliche, anti-zionistische Regierung“ zu verhindern.

Israel befinde sich an einem „historischen Punkt“ mit riesigen Chancen und Herausforderungen, „allen voran die existenzielle Bedrohung Israels durch den Iran und seine Ableger“. Es dürfe keine Regierung entstehen, die sich auf „arabische, anti-zionistische Parteien“ stütze, betonte der 69-Jährige.

Gantz kündigt „breite Einheitsregierung“ an

Gantz sagte vor jubelnden Anhängern, man müsse geduldig auf die endgültigen Ergebnisse der Wahl warten. Dennoch werde man umgehend Kontakte zur Bildung einer „breiten Einheitsregierung“ aufnehmen. Er wolle in den kommenden Tagen mit Ex-Verteidigungsminister Lieberman und weiteren möglichen Partnern sprechen, sagte Gantz. Sein Ziel sei es, die israelische Gesellschaft wieder zu einen.

Ex-Verteidigungsminister Lieberman rief zur Bildung einer großen Koalition auf. Er forderte am Dienstagabend eine „nationale, liberale breite Regierung“. Diese müsse aus seiner eigenen Partei, dem rechtskonservativen Likud von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dem Mitte-Bündnis von Ex-Militärchef Benny Gantz bestehen. Eine breite Koalition sei notwendig, weil Israel sich in einem Notstand befinde.

Es kommt zu dem erwarteten Kopf-an-Kopf-Rennen

Bereits im Vorfeld der Wahl war mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden gerechnet worden. Für Netanjahu, der mit insgesamt gut 13 Jahren an der Regierungsspitze der am längsten amtierende Ministerpräsident Israels ist, geht es um seinen Machterhalt. Nachdem es ihm nach der Parlamentswahl im April nicht gelungen war, eine Koalition zu bilden, hatte er vorgezogene Neuwahlen angesetzt.

Es ist die zweite Parlamentswahl binnen eines halben Jahres. Das Ergebnis scheint den Prognosen zufolge nun fast dasselbe wie im April zu sein. Hinzu kommt, dass Netanjahu eine Anklage wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Vertrauensmissbrauchs droht. Nach der Wahl im April hatte Netanjahu, der eine Koalition mit mehreren kleineren rechtsgerichteten und religiösen Parteien angestrebt hatte, trotz einer Mehrheit des rechts-religiösen Lagers kein Regierungsbündnis zustande gebracht.

Auch diesmal könnte die Rolle des Königsmachers bei der Bildung einer Koalition der laizistisch-nationalistischen Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) von Avigdor Lieberman zufallen. Lieberman lehnt eine Zusammenarbeit mit ultraorthodoxen Parteien ab und setzt sich stattdessen für eine große Koalition von Likud, Gantz' Blau-Weiß und seiner eigenen Partei ein - ohne die strengreligiösen Parteien.

Anhänger der Likud-Partei von Ministerpräsident Netanjahu bei der Bekanntgabe erster Prognosen.
Anhänger der Likud-Partei von Ministerpräsident Netanjahu bei der Bekanntgabe erster Prognosen.

© Ilia Yefimovich/dpa

Gantz, der in gesellschaftlichen Fragen liberaler als Netanjahu ist, nicht aber in der Sicherheitspolitik, strebt nach eigenen Angaben ähnlich wie Lieberman eine Regierung der Einheit an, die von einer Mehrzahl der Israelis unterstützt wird. Allerdings ist er dazu nur bereit, wenn Netanjahu nicht wieder Regierungschef wird. Beobachter sehen daher die Möglichkeit, dass Staatspräsident Reuven Rivlin bei einem Patt diesmal nicht wieder Netanjahu, sondern Gantz mit der Regierungsbildung beauftragen könnte.

Als Grund für seine Weigerung nennt Gantz die Korruptionsvorwürfe gegen den 69-jährigen Netanjahu, der seit 2009 Ministerpräsident ist. Nach einer Anhörung im Oktober droht Netanjahu eine Anklage in drei Korruptionsfällen. Mit Unterstützung einer rechts-religiösen Koalition könnte er versuchen, sich im Parlament Immunität vor Strafverfolgung zu sichern.

Um 19 Uhr deutscher Zeit hatte die Wahlbeteiligung nach Angaben des Zentralen Wahlkomitees bei 63,7 Prozent gelegen. Das waren 2,4 Prozentpunkte mehr als bei der Wahl im April zur selben Uhrzeit. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung beim letzten Mal bei rund 68 Prozent.

Netanjahu mobilisiert seine Wähler mit anti-arabischen Tönen

„US-Präsident (Donald) Trump hat gestern gesagt, dass es ein enges Wahlrennen wird, und ich kann dies heute Morgen bestätigen - es ist sehr knapp“, hatte Netanjahu vor der Schließung der Wahllokale gesagt und alle Bürger zur Wahl aufgerufen. Er warnte bei Twitter vor hoher Wahlbeteiligung in den „Hochburgen der Linken“. Bei den Rechten sei die Beteiligung dagegen „so niedrig wie noch nie“. Likud-Anhänger müssten sofort wählen gehen, „oder wir bekommen eine linke Regierung mit den arabischen Parteien“, schrieb er. Auch bei vergangenen Wahlen hatte Netanjahu mit anti-arabischer Stimmungsmache seine Wählerschaft mobilisiert.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seine Frau Sara bei der Stimmabgabe.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seine Frau Sara bei der Stimmabgabe.

© Heidi Levine/POOL/AFP

Facebook sperrte am Dienstag zeitweise den Chatbot auf dem Profil von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Hintergrund sei das Versenden von Wahlumfragen am Wahltag gewesen, berichteten israelische Medien. Einige Zeit später entschied allerdings der zentrale Wahlausschuss, der Bot - ein automatisiertes Programm - könne weiterarbeiten. Es sei aber verboten, über ihn Wahlumfragen zu veröffentlichen.

Das palästinensische Außenministerium schrieb in einer Mitteilung: „Die israelischen Wahlen sind eine interne israelische Angelegenheit, die aber trotzdem ihren Schatten auf die Chancen zur Lösung des Konfliktes und der Zukunft der Beziehung zwischen dem palästinensischen und dem israelischen Volk werfen.“ Er verwies dabei auch auf den in Kürze erwarteten US-Friedensplan, den die Palästinenser allerdings schon im Vorfeld ablehnen.

Unabhängig vom Wahlausgang in Israel gilt eine Wiederbelebung des Friedensprozesses in absehbarer Zukunft als unwahrscheinlich. Die linken Parteien, die sich für die Gründung eines Palästinenserstaates neben Israel aussprechen, haben keine Mehrheit.

Rund 6,4 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, die 120 Mitglieder der 22. Knesset in Jerusalem zu bestimmen. Erste Ergebnisse werden möglicherweise erst am Mittwochmorgen vorliegen. Das endgültige Ergebnis wird etwa eine Woche nach der Wahl vorliegen.

Präsident Reuven Rivlin bestimmt nach der Wahl, wer den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Dies ist üblicherweise der Vorsitzende der größten politischen Kraft. Dieser hat dann vier Wochen Zeit, eine Koalition zu bilden, kann aber zwei Wochen Verlängerung beantragen. Mit einer neuen Regierung wird frühestens Ende Oktober gerechnet.

Rivlin sagte nach Angaben der Zeitung „Maariv“ angesichts der möglichen Pattsituation: „Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um eine weitere Wahl zu verhindern.“ (dpa, AFP)

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