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Lichtzeichen in dunkler Nacht. Das Rathaus von Tel Aviv erstrahlt in den Farben der Vereinigten Arabischen Emirate.

© Jack Guez / AFP

Israel und die Araber: Ein Anfang ist gemacht

Benjamin Netanjahu und die Emirate nehmen diplomatische Beziehungen auf. Was folgt daraus? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ist das jetzt die historische Zäsur, der Durchbruch zum Frieden im Nahen Osten? Schön wär’s. Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate haben sich auf die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen geeinigt, auf breite Zusammenarbeit, was ein Schritt in die richtige Richtung ist. Aber befriedet ist die notorisch unruhige Region deshalb längst noch nicht.

Warum Skepsis und kein Jubel? Weil selbst das, was seinerzeit wirklich historisch war, nicht zum grundlegenden Wandel geführt hat: der Frieden zwischen Ägypten und Israel, Ende der 1970er Jahre geschlossen zwischen Muhammad Anwar as-Sadat und Menachem Begin, Männern des Militärs. Eine Sensation, die aber nicht zu einer Revolution des Denkens geführt hat. Führende Nahostexperten sagen heute: Die Palästinenser hätten schon einen eigenen Staat, wenn sie damals nicht gegen diesen Vertrag gewesen wären.

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Und doch, Hoffnung ist jetzt möglich. Immerhin hat Israel, in Gestalt des Premierministers Benjamin Netanjahu, im Gegenzug für das Abkommen Ansprüche auf Gebiete im Westjordanland ausgesetzt, die von Palästinensern bewohnt werden. Der Netanjahu, der im Alter wieder zu seinen sehr rechten Ursprüngen zurückkehrt. Keine Annexion jetzt ist da in jedem Fall eine gute Nachricht.

Unterhändler mit Geschick

Hinzu kommt, nur mal am Rande, dass bei genauem Hinsehen nicht alle Drähte zu den Palästinensern gerissen zu sein scheinen. Denn einer, der am Zustandekommen des Abkommens im Hintergrund beteiligt war, ist Palästinenser: Mohammed Dahlan, Rivale von Präsident Mahmud Abbas. Es sieht so aus, als schwinde dessen Einfluss weiter. Ein geschickter Schachzug der Unterhändler.

„Historisch“ wird die Entwicklung, wenn demnächst andere Golfstaaten folgen sollten und Vereinbarungen schließen wie die Vereinigten Arabischen Emirate: Bahrain, Oman, Sudan, Saudi-Arabien. Gerade Saudi-Arabien ist für den neuen Ansatz – übers Bilaterale das Regionale zu verändern – von besonderer Bedeutung. Wird dann öffentlich, was es an Kooperation unter der Hand längst gibt, wird auch deutlich, wie die beiden Kronprinzen MbZ und MbS zusammenarbeiten, Mohammed bin Zayed aus Abi Dhabi und Mohammed bin Salman aus Riad.

Die haben sich viel vorgenommen und brauchen dabei Unterstützung: die Umgestaltung ihrer Länder, um sie unabhängiger vom Öl und zukunftsfähiger zu machen; ihre Macht gegen extremistische Einflüsse zu sichern; den Einfluss des Iran in der Region einzudämmen. Nicht zuletzt das. Der Versuch, eine Allianz gegen den Iran zu bilden, damit der keine regionale Vormacht wird, ist augenfällig.

Für die Beteiligten, bis hin zu den USA, hat dieser Vorsatz höchste Dringlichkeit – und kommt Israel sehr entgegen. Keine Rede des Premiers ohne Hinweis auf Terror- und subversive Aktivitäten des Regimes in Teheran. Dafür nimmt die Koalition in Jerusalem – der auch zwei ehemalige Generalstabschefs angehören, Außenminister Gabi Aschkenasi und Verteidigungsminister Benny Gantz – in Kauf, dass die Emirate einfacheren Zugang zu amerikanischen Rüstungsgütern erhalten. Israel, technologisch-wissenschaftlich weit vorne, kann sogar auch von einer Verbindung profitieren.

Ja, schön wär’s. Aber geradezu eine Ironie der Geschichte, dass die erratische Trump-Administration hier beteiligt ist. Diese Wendung passt zum Nahen Osten.

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