zum Hauptinhalt
Demonstration gegen die Terrorarmee "IS" in Berlin - laut Verfassungsschutz zieht es immer mehr Berliner in den syrischen Bürgerkrieg.

© dpa

IS-Gefahr in Deutschland: Nicht wach genug

Die Anschlagsgefahr durch den IS steigt. Unklar ist, ob Staat und Gesellschaft in Deutschland genügend Ideen und Mut haben, dieser Herausforderung zu begegnen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Frank Jansen

Der „Islamische Staat“ gerät militärisch in die Defensive, doch die Terrorgefahr für Deutschland nimmt nicht ab. Vielmehr scheint das Schlimmste noch zu kommen. Ein Anschlag, verübt von einem Rückkehrer aus dem syrischen Bürgerkrieg oder einem in der Bundesrepublik lebenden IS-Sympathisanten, ist wohl nur eine Frage der Zeit. Und die Gefahr geht nicht nur vom IS und seinem Anhang in der deutschen Salafistenszene aus. Auch Al Qaida gibt nicht auf. In den Sicherheitsbehörden wird befürchtet, Al Qaida wolle nun erst recht im Westen zuschlagen. Um zu demonstrieren: Wir sind auch noch da. Sprengen, Schießen und Köpfen haben wir nicht verlernt.

550 sind nach Syrien und Irak gereist

Al Qaida steht unter Zugzwang, da der rivalisierende IS mit seinen Eroberungen in Syrien und Irak die Milieus militanter sunnitischer Islamisten weltweit begeistert. Schon die erschreckende Resonanz bei Salafisten in Deutschland zeugt von einem wachsenden Terrorpotenzial.

Der Verfassungsschutz spricht nun von 550 Personen, die nach Syrien und Irak gereist sind. Mehr als zehn Prozent sind bei Kämpfen und Selbstmordanschlägen gestorben. Etwa 180 Anhänger des IS oder einer anderen islamistischen Miliz sind zurückgekehrt. Selbst wenn einige traumatisiert sind und den Dschihad aufgegeben haben – für einen Anschlag mit Toten reicht bereits ein Fanatiker. Der um sich schießt wie der IS-Mann Mehdi Nemmouche, der im Mai am Jüdischen Museum in Brüssel vier Menschen tötete. Oder mit einem Schwert auf „Ungläubige“ losgeht, wie es eine IS-Zelle in Australien plante.

Haben Staat und Gesellschaft in Deutschland genügend Ideen und Mut, dieser Gefahr zu begegnen? Eine Antwort fällt schwer. Es dominiert die Hoffnung, die Behörden würden das Problem irgendwie in den Griff kriegen. Doch Polizei und Nachrichtendienste haben mit jedem weiteren Rückkehrer, mit jedem weiteren radikalisierten Muslim überhaupt, wieder einen Fall mehr zu bewältigen, inklusive Observationen und anderen, oft aufwendigen Maßnahmen. Ein großes Debattenthema ist das nicht. Es wird auch zu wenig diskutiert, wie die Deradikalisierung abdriftender Muslime verstärkt werden könnte. Und die Islamisten sind nur ein Teil der um sich greifenden Fanatisierung. Die brachialen Auftritte der islamfeindlichen Hooligans, die Massenschlägerei zwischen Kurden und Salafisten in Hamburg, der Zusammenprall von Tschetschenen und Jesiden in Celle – es rumort in der Republik. Ist sie wach genug, es zu begreifen?

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false