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Auf der "Karim Allah" herrschten erbärmliche Bedingungen für die Rinder.

© REUTERS / Juan Medina

Irrfahrt der Überflüssigen: Wie brutal sich europäische Viehzüchter ihrer Rinder entledigen

Eingepfercht auf dem Mittelmeer: Tausende spanische Rinder blieben wochenlang auf einem Schiff. Tierschützer fordern einen generellen Stopp solcher Transporte.

Der äußerliche Eindruck ist wenig vertrauenerweckend. Der ehemals weiße Rumpf der „Karim Allah“ ist mit Rostflecken übersät. Drinnen in dem mehr als 50 Jahre alten Kahn dürfte es nicht viel besser aussehen. In diesem „Schrottschiff“, wie Kritiker den Frachter nennen, waren 70 Tage lang 900 Rinder eingepfercht und auf Irrfahrt im Mittelmeer. In einem Schiffsrumpf, der nur 82 Meter lang und 14 Meter breit ist.

„Das ist Quälerei“, empören sich Tierschützer, die im spanischen Mittelmeerhafen Cartagena, wo die „Karim Allah“ nach der langen Odyssee anlegte, gegen diesen Transport protestieren. Über den Zustand der Jungtiere, die eigentlich von einem spanischen Viehhändler an die Türkei verkauft werden sollten, wurde wenig bekannt.

Aber gut ging es den mehr als zwei Monate an Bord eingesperrten Rindern offenbar nicht. Denn die spanischen Amtstierärzte entschieden nach einer Bordinspektion, dass alle Tiere eingeschläfert werden müssen.

Der Fall lenkt den Blick auf umstrittene EU-Exportgeschäfte mit lebenden Tieren, die per Schiff in Länder des Nahen Ostens befördert werden. Seit Jahren berichten europäische Tierschutzorganisationen über eklatante Missstände. Sie fordern von der EU strengere Kontrollen oder gar ein Ende dieser Transporte.

Einige Tiere hatten angeblich die Blauzungenkrankheit

Die Fahrt der „Karim Allah“, die unter libanesischer Flagge fährt, begann am 18. Dezember, als der Frachter mit seiner lebenden Ladung vom spanischen Cartagena aus in See stach. Ziel war der türkische Hafen Iskenderun am östlichen Ende des Mittelmeers.

Doch als das Schiff dort ankam, verweigerten die türkischen Behörden die Entladung, weil einige der Tiere angeblich an der Blauzungenkrankheit litten. Diese Virusinfektion ist unter Rindern, Ziegen und Schafen ansteckend, aber nicht auf den Menschen übertragbar.

Eingepferchte Rinder an Bord der "Karim Allah".
Eingepferchte Rinder an Bord der "Karim Allah".

© via REUTERS / Tallia Shipping Line Co. Srl

Nach dem Entladeverbot in der Türkei versuchte der spanische Viehhändler seine lebende Fracht an andere Nahost-Länder zu verkaufen. Nach Angaben der spanischen Aufsichtsbehörden steuerte die „Karim Allah“ dann zunächst den libyschen Hafen Tripolis an, wo die Entladung aber ebenfalls nicht gestattet wurde.

Laut mehrerer Tierschutzorganisationen, darunter die deutsche „Animal Welfare Foundation“ (AWF), wurde die „Karim Allah“ auch vor Tunesien und Italien gesichtet. Ende Februar legte der Frachter – noch immer mit den Rindern im Laderaum – dann wieder im spanischen Cartagena an.

Kein Einzelfall: Auch die „Elbeik“ wollte Rinder in die Türkei bringen

Die wochenlange Chaosreise ist kein Einzelfall. Ebenfalls seit Mitte Dezember ist zum Beispiel auch der Frachter „Elbeik“ mit Vieh unterwegs. In diesem Fall stach das Schiff, das im afrikanischen Togo registriert ist, im spanischen Tarragona in See. An Bord befanden sich knapp 1700 Rinder.

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Das Ziel war ebenfalls die Türkei. Doch wie schon bei der „Karim Allah“ lehnten die dortigen Behörden die Entladung der Tiere wegen des Verdachts auf Krankheiten ab. Anschließend versuchte die „Elbeik“, die Tiere in Libyen und Ägypten loszuwerden – doch vergeblich. Derzeit soll das Schiff vor Zypern liegen und nach neuen Interessenten für das Vieh suchen.

Wie es den Tieren an Bord der „Elbeik“ geht, ist unbekannt. Doch die AWF-Tierschützer, die für ein Ende dieser „Qualtransporte“ kämpfen, befürchten, dass bereits etliche Rinder gestorben sind. „Durch unsere Einsätze wissen wir, dass es um die Tierschutzbedingungen an Bord bereits nach wenigen Tagen kritisch steht.“

Warum werden jährlich Zehntausende Rinder und Schafe aus der EU übers Mittelmeer transportiert? Nach Recherchen des Tierschutzbundes Zürich, dem Schweizer Kampagnenpartner der AWF, nutzen europäische Viehzüchter diesen Weg, um sich Überproduktion zu entledigen.

„Die Nachfrage nach lebenden Tieren für die Milchproduktion und Schlachtung ist in Ägypten, dem Libanon, in Libyen, Israel, Syrien und in den Maghreb-Staaten groß.“ Die Schlachtung geschehe meist ohne Betäubung und verstoße gegen EU-Gesetze.

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