zum Hauptinhalt
Der US-Flugzeugträger „Abraham Lincoln“ wird in die Golfregion verlegt. (Archivbild)

© Kaitlin Mckeown/The Virginian-Pilot/AP/dpa

Update

Iran setzt Teile des Atomabkommens aus: Droht ein Krieg zwischen den USA und dem Iran?

Teheran fühlt sich kaum mehr an den Atomdeal gebunden, Washington rüstet in der Golfregion auf. Wie gefährlich ist der Konflikt? Fragen und Antworten zum Thema.

Die Spannungen zwischen dem Iran und den USA treiben auf einen neuen Höhepunkt zu.

Zum einen fühlt sich die Regierung in Teheran nicht mehr an Teile des internationalen Atomdeals gebunden. Damit stellt der Iran am Jahrestag des Ausstiegs der USA aus dem Abkommen seinerseits die Zukunft der Vereinbarung als Ganzes in Frage. Zum anderen treiben die USA ihren Truppenaufmarsch am Persischen Golf voran und werfen dem Iran Pläne für Angriffe in der Region vor. US-Präsident Donald Trump verhängte auch neue Wirtschaftssanktionen, die vor allem die iranische Metallbranche treffen sollen. „Wir setzen erfolgreich die mächtigste Kampagne des maximalen Drucks aller Zeiten ein, die durch die Handlungen des heutigen Tages noch weiter gestärkt wird“, heißt es in einer Mitteilung Trumps.

Trump dürfte selbst wenig Interesse an einem neuen Krieg haben. Aber er liebt die Drohkulisse: Seht mal her, was wir mit euch tun könnten. Das gilt ökonomisch, aber auch militärisch.

schreibt NutzerIn curtiusrufus

Warum setzt die Führung in Teheran Teile des Abkommens außer Kraft?

Bewusst wählte der iranische Präsident Hasan Ruhani den 8. Mai für seine Erklärung zum Atomvertrag. Vor einem Jahr hatte US-Präsident Trump den Rückzug Amerikas aus dem Abkommen von 2015 bekanntgegeben, das den Iran am Bau von Nuklearwaffen hindern soll.

Seitdem versucht die US-Regierung, die Islamische Republik zu neuen Gesprächen über strengere Auflagen zu zwingen. Zu den Maßnahmen gehören ein ganzer Katalog wirtschaftlicher Strafen und Sanktionsdrohungen gegen alle Staaten, die Öl beim Iran kaufen oder anderen Handel mit Teheran treiben.

Ruhani will nun vor allem die Europäer dazu bringen, ungeachtet der US-Sanktionen den Handelsaustausch mit seinem Land zu sichern, um die heimische Wirtschaft vor dem kompletten Zusammenbruch zu bewahren. Deshalb stoppt Iran den im Atomvertrag vorgesehenen Export von angereichertem Uran und schwerem Wasser – und sichert sich damit zumindest theoretisch die Möglichkeit, sein Nuklearprogramm wieder aufzunehmen.

US-Präsident Trump setzt auf einen harten Kurs gegenüber dem Iran.
US-Präsident Trump setzt auf einen harten Kurs gegenüber dem Iran.

© Jonathan Ernst/Reuters

Wenn innerhalb von 60 Tagen keine Lösung mit den verbliebenen Vertragspartnern – Deutschland, Frankreich, Großbritannien, China und Russland – für Irans Öl- und Bankensektor gefunden werden sollte, wollen die Mullahs mit der hochgradigen Anreicherung von Uran beginnen. Das wäre das Ende des Abkommens.

Um seinem Ultimatum Nachdruck zu verleihen, drohte Ruhani unverhohlen den Europäern. Er beklagte sich darüber, dass sein Land viel Geld investiert habe, um den Drogenschmuggel zu bekämpfen – der Iran gehört zu den wichtigsten Transitländern für Rauschgift – und afghanische Flüchtlinge zu versorgen. Das könnte man nun nicht mehr gewährleisten. Mit anderen Worten: Der Präsident warnt Europa davor, dass es bald wieder mit einem Ansturm von Flüchtlingen zu tun haben könnte. Im Iran leben schätzungsweise drei Millionen Afghanen. Viele leiden unter der desaströsen wirtschaftliche Lage ihres Aufnahmelandes. Zehntausende sollen bereits in ihre Heimat zurückgekehrt sein. Womöglich versuchen andere künftig, sich bis nach Europa durchzuschlagen.

Die USA verhängten am Mittwochabend Sanktionen gegen den Bergbau- und Stahlsektor. Dem Iran sollen damit Einnahmen aus dem Export von Kupfer, Eisen, Stahl und Aluminium verwehrt werden, die zur Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, zur Unterstützung von Terrorgruppen und -netzwerken, Aggressionen in der Region und militärischer Expansion verwendet werden könnten, heißt es in einem Dekret, das Trump unterzeichnete.

Demzufolge sollen Besitztümer in den USA, etwa Bankkonten von allen iranischen Personen, die in den entsprechenden Industriezweigen tätig sind, eingefroren werden. Dies gelte auch für alle, die wissentlich an entsprechenden Geschäften teilgenommen und diese maßgeblich unterstützt haben. Dies könnte etwa ausländische Banken treffen.

Auch Amerikas Sanktionen erschweren die Umsetzung der Vereinbarung. Dem Vertrag zufolge sind dem Iran 130 Tonnen Schwerwasser und 300 Kilogramm angereichertes Uran erlaubt. „Die darüber hinausgehenden Mengen an Schwerwasser wurden bisher in den Oman, die darüber hinausgehenden Mengen an angereichertem Iran nach Russland exportiert“, sagt Oliver Meier, Experte für Abrüstungsfragen bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Das ist nicht mehr möglich, seitdem die US-Regierung die Ausnahmegenehmigungen hat auslaufen lassen und beteiligte Unternehmen mit Sanktionen bedroht.“

Können Europa, China und Russland den Deal noch retten?

Das wird schwierig. Europa, China und Russland wollen zwar an dem Atomvertrag festhalten, weil sie das Abkommen als den besten Weg sehen, den Iran durch Einbindung in internationale Regeln zu zügeln. Teherans Teilausstieg bringt die Deal-Befürworter aber in eine heikle Situation.

Trotz aller Bemühungen haben sie bisher keinen praktikablen Weg gefunden, um den Handel mit dem Iran zu retten. Das liegt vor allem daran, dass kein europäisches Unternehmen das Risiko eingehen will, bei Kontakten mit Teheran den Zugang zum US-Markt zu verlieren.

Was treibt Donald Trump an?

Der US-Präsident will dem Iran Zugeständnisse beim Atomprogramm abtrotzen. Zudem soll das Regime dazu gebracht werden, seine als aggressiv bewertete Politik im Nahen Osten zu revidieren. Nach Überzeugung vieler Experten ist Teheran ein Unruhestifter in der Region. Syrien, Irak, Libanon oder Jemen – die Mullahs versuchen vielerorts, ihren Einfluss auszudehnen.

Der Atomvertrag sei völlig ungeeignet, dem einen Riegel vorzuschieben, sagt Trump. Er hält den Deal seines Vorgängers Barack Obama ohnehin für einen der schlechtesten aller Zeiten. Kritiker werfen der US-Regierung jedoch vor, in Wahrheit den Sturz der Mullahs in Teheran anzustreben, um vor der Präsidentenwahl im kommenden Jahr der eigenen rechtsgerichteten Wählerbasis und pro-israelischen Gruppen in den USA zu gefallen.

Irans Präsident Ruhani stellt Europa ein Ultimatum. Innerhalb von 60 Tagen soll es dafür sorgen, dass der Handel mit seinem Land funktioniert.
Irans Präsident Ruhani stellt Europa ein Ultimatum. Innerhalb von 60 Tagen soll es dafür sorgen, dass der Handel mit seinem Land funktioniert.

© imago/Future Image

Offiziell wird das in Washington bestritten. Hardliner wie Trumps Sicherheitsberater John Bolton und sein Außenminister Mike Pompeo machen jedoch keinen Hehl aus ihrer Verachtung für die Islamische Republik. Sie sehen im Iran einen „Schurkenstaat“.

Erst kürzlich erklärten die USA die Republikanischen Garden – die Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte – zu einer Terrororganisation. Teheran revanchierte sich damit, dass US-Soldaten nun ebenfalls auf einer Terrorliste stehen.

Zuletzt sprachen denn auch Bolton und Pompeo von aggressiven Aktionen der Iraner im Nahen und Mittleren Osten. Dabei soll es sich um Raketentransporte zur See gehandelt haben. Pompeo sagte erst Dienstag ein Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel kurzfristig ab und flog nach Bagdad, um mit der dortigen Regierung über eine mögliche Bedrohung durch iranische Einheiten und verbündete Schiitenmilizen zu beraten.

Selbst in normalen Zeiten sind mehrere Zehntausend Soldaten sowie starke Marine- und Luftwaffenverbände der USA am Persischen Golf stationiert. Nun wurden zusätzlich ein Flugzeugträger und Langstreckenbomber dorthin verlegt. „Man kann sich nur schwer des Eindrucks erwehren, dass die USA auf dem Kriegspfad mit dem Iran sind“, analysiert der Züricher Nahost-Experte Roland Popp.

Auf wen kann Trump zählen?

Das sind vor allem Israels Premier Benjamin Netanjahu und die sunnitischen Herrscher am Golf. Sie alle eint die Furcht vor dem Iran. Seit Jahren beobachten sie mit großem Argwohn, wie die Machthaber in Teheran ihr Machtgebiet ausweiten.

Vor allem Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman lässt nichts unversucht, dem Erzrivalen Einhalt zu gebieten. Dafür hat er mit Trump und Netanjahu zwei Gleichgesinnte gefunden.

Israels Regierungschef betrachtet den Iran seit Langem als existenzielle Gefahr für den jüdischen Staat. Er schenkt Teherans Worten keinen Glauben, man strebe ja gar nicht nach einer Atomwaffe. Vielmehr verweist Netanjahu – wie viele seiner Landsleute – auf die permanenten Vernichtungsdrohungen gegen Israel.

Wie groß ist die Gefahr, dass der Konflikt zu einer militärischen Konfrontation führt?

Sehr groß. In den USA fühlen sich Trump-Kritiker an die Lage vor dem Irak-Krieg von 2003 erinnert, als die damalige amerikanische Regierung nach Vorwänden suchte, um das Regime des irakischen Machthabers Saddam Hussein angreifen zu können.

Und im Iran drohen Verfechter eines harten Kurses immer wieder mit Aktionen, die eine militärische Antwort der USA nach sich ziehen würden. Dazu gehört die Ankündigung, falls nötig die Straße von Hormus im Persischen Golf zu sperren und damit den internationalen Handel mit Öl empfindlich zu stören.

Irans Revolutionsgarden wurden von den USA auf eine Terrorliste gesetzt.
Irans Revolutionsgarden wurden von den USA auf eine Terrorliste gesetzt.

© Reuters

Militärisch sind die USA zwar den Iranern weit überlegen. Allerdings verfügt der Iran über gut ausgebildete Truppen – und über die Möglichkeit zu Vergeltungsschlägen, sollten die Amerikaner oder Verbündete Atomanlagen aus der Luft angreifen. Amerikanische Truppen in der ganzen Region von Syrien bis nach Afghanistan würden dann wohl zu möglichen Zielen.

Selbst wenn beide Seiten eine Eskalation möglichst vermeiden wollen, könnten sie in einen Konflikt hineinschlittern. Da diplomatische Kontakte zwischen den beiden Staaten immer mehr verkümmern, könnte ein lokaler Zwischenfall ausreichen, um einen „Krieg aus Versehen“ auslösen. (Mitarbeit: Hans Monath, mit dpa)

Zur Startseite