zum Hauptinhalt
Frau in Teheran.

© AFP

Iran auf Versöhnungskurs mit USA: Wie glaubwürdig sind die neuen Töne aus Teheran?

An den demonstrativ versöhnlichen Kurs des neuen iranischen Präsidenten Hassan Ruhani knüpfen sich viele Hoffnungen. Sind sie berechtigt?

Der Iran gefällt sich offensichtlich nicht mehr in der Rolle des Bösewichts. „Der Iran stellt absolut keine Gefahr für die Welt oder die Region dar“, betonte der neue Präsident Ruhani in seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung in New York am Dienstag. Sein Land sei sofort zu „fristgebundenen und ergebnisorientierten Verhandlungen“ über sein Atomprogramm bereit. Sie müssten aber zeitlich befristet und zielorientiert sein, sagte Ruhani. Sein Land strebe nicht nach Atomwaffen.

Iran will weiter Uran für zivile Zwecke anreichern

Ruhani bestand aber auf dem Recht seines Landes, Uran anreichern zu dürfen. Dieses diene keinen militärischen Zwecken: „Das Ziel eines Atomprogramms eines jeden Landes darf nur die friedliche Nutzung sein. Ich erkläre hier mit aller Deutlichkeit, dass das der alleinige Zweck des iranischen Atomprogrammes ist.“ Atomwaffen hätten keinen Platz in der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin des Landes und widersprächen der religiösen Überzeugung. Ruhani bezeichnete den Iran als „Anker der Stabilität in einer Region der Instabilität“.

Obama: Iran hat Recht auf friedliche Nutzung

Zuvor hatte US-Präsident Barack Obama deutlich gemacht, dass die USA keinen Iran mit Atomwaffen dulden würden. Das Land habe aber ein Recht auf eine friedliche Nutzung von Atomenergie. US-Präsident Barack Obama hatte in seiner Rede vor den Vereinten Nationen wenige Stunden zuvor explizit für eine diplomatische Lösung im seit Jahren währenden Atomstreit geworben. Der Iran hat sich nach den Worten Ruhanis inzwischen das nötige Wissen erworben und die Uran-Anreicherung habe industrielle Ausmaße angenommen. Es sei deshalb eine Illusion, das iranische Atomprogramm noch mit „illegalem Druck“ stoppen zu wollen, sagte er in Anspielung auf die Sanktionen gegen sein Land. Ruhani bezeichnete die Sanktionen als unmenschlich. Insbesondere die einfachen Bürger seien die Opfer. Teheran suche keine Verschärfung der Spannungen mit den USA, fügte Ruhani hinzu.

Als erstes westliches Staatsoberhaupt traf der französische Präsident Francois Hollande Ruhani am Dienstag. Inhaltlich habe sich das Gespräch um das iranische Atomprogramm sowie die Krise in Syrien und dem benachbarten Libanon gedreht, hieß es aus Hollandes Umfeld. Es gebe versöhnliche Anzeichen, doch es gebe auch noch Hürden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die Äußerungen Ruhanis. Es sei ein guter Tag für alle, die an diplomatische Lösungen für Krisen glaubten, sagte er. Ruhani wähle einen konstruktiven Ton im Vergleich zu den aggressiven Reden des früheren iranischen Präsidenten Mahmud Ahmedinedschad. Westerwelle betonte jedoch es sei noch immer „große Vorsicht angebracht“. Der Iran müsse jetzt neue Angebote im Atomstreit machen.

Heute ist ein Treffen der Außenminister der fünf Ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat und Deutschlands mit dem Iran angesetzt.

Die USA warten ab

Es hätte eine historische Stunde werden können. Seit Tagen waren auch in den USA die Fragen nicht verstummt, ob es zu einem direkten Treffen zwischen dem iranischen Präsidenten Hassan Ruhani und US-Präsident Barack Obama in New York kommen würde. Ruhani aber zog es vor, dem Empfang von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, bei dem das ersehnte Händeschütteln hätte stattfinden können, fernzubleiben. Am Tag nachdem die beiden Staatschefs vor der UN-Generalversammlung indirekt miteinander gesprochen haben, bestimmt in Washington deshalb nun wieder eine pragmatische Betrachtung die politische Stimmungslage.

Angesichts der vorherrschenden Skepsis, ob hinter den versöhnlichen Tönen des neuen starken Mannes in Teheran auch echte Absichten stehen, zu einer Verhandlungslösung um das iranische Atomprogramm zu kommen, heißt das in Washington eines: Kurs halten. Solange die Ernsthaftigkeit der iranischen Avancen nicht als gegeben angenommen werden kann, soll das Regime mit strengen wirtschaftlichen Sanktionen weiter unter Druck gesetzt werden.

Nur schöne Worte oder tatsächliches Abrücken von Atomprogramm?

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im US-Repräsentantenhaus, der republikanische Abgeordnete Ed Royce, brachte das auf einen simplen Punkt: Ob sich tatsächlich etwas ändern wird, hänge doch davon ab, ob Ruhani neben schöner Worte auch diplomatisches Engagement im Gepäck habe. „Wir brauchen keine Worte von Ruhani“, sagte Royce, „wir wollen Handlungen von Teherans Seite sehen.“ Die Glaubwürdigkeit der iranischen Bemühungen, in echte Verhandlungen zu investieren, messe sich nicht an der Rhetorik, sondern an dem, was das Regime auf der Ebene der Urananreicherung betreibe. Und indem man den Kurs beibehalte, den Iran durch wirtschaftliche Sanktionen unter Druck zu setzen, „zielen wir auf seine Fähigkeiten, den Weg zu Atomwaffen zu verfolgen“.

Der Iran habe den Weg, sein Atomwaffenprogramm voranzubringen, stets verfolgt und tue das auch weiterhin, kommentierte Mike Rogers, der republikanische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Ruhanis Auftritt. Es sei richtig, dass Obama den iranischen Präsidenten nicht direkt getroffen habe. Die Sanktionen gegen das Land zeigten Wirkung, und „das ist nicht der Zeitpunkt nachzulassen. Das ist nicht der Zeitpunkt, ihnen Raum zum Atmen zu lassen“.

Vom Weißen Haus hieß es nach den Reden, man glaube daran, dass mit der iranischen Führung unter Präsident Ruhani Fortschritte bei den diplomatischen Verhandlungen erreicht werden könnten. Jene habe „eine Ernsthaftigkeit gezeigt, die wir unter den Vorgängerregierungen nicht gesehen haben“. Genau deshalb werde Außenminister John Kerry beim Fünf-plus-Eins-Treffen am Donnerstag mit dem iranischen Außenminister sprechen.

Im Iran hat Ruhani Rückendeckung - aber auch mächtige Gegner

Ob es tatsächlich ernsthafte Bewegung im Atomkonflikt mit dem Iran gibt, hängt zweifellos davon ab, wie glaubwürdig die Worte des iranischen Präsidenten Ruhani vor der UN-Vollversammlung sind. Zwar seien solche Äußerungen nicht neu, sagte Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, dem Tagesspiegel, doch stünden sie jetzt in einem neuen Kontext: Auch der religiöse Führer des Iran spreche mittlerweile von „historischer Flexibilität“, Ruhani selbst stehe inzwischen dazu, dass es einen Briefwechsel zwischen ihm und US-Präsident Obama gebe und er lasse seinen Außenminister sagen, dass man an schnellen Atomgesprächen interessiert sei. „Es ist insgesamt glaubwürdiger – auch weil Ruhani in seiner Wahlkampagne im Iran schon darauf gedrungen hat, dass dieses Atomproblem bald gelöst wird, um mit dem Land aus der internationalen Isolation heraus zu kommen.“

Die wirtschaftliche Lage im Iran ist schlecht

Ruhani habe gesehen, so Perthes, dass die wirtschaftliche Lage des Landes schlecht ist, die bestausgebildeten jungen Leute in die USA, in die Türkei oder sonstwohin weglaufen. „Wenn er will, dass die Wirtschaft wieder läuft, muss er dafür sorgen, dass die internationalen Sanktionen gegen sein Land aufgehoben werden“, sagte Perthes. „Und um das zu erreichen, muss er sich mit der internationalen Gemeinschaft irgendwie einigen. Und das heißt: ernsthafte Verhandlungen über das Atomprogramm führen.“

Perthes ist überzeugt, dass Ruhani dafür im eigenen Land großen Rückhalt hat. „Er hat nicht nur die Unterstützung der Zentristen, zu denen er selbst gehört, sondern auch von den Reformern, die vor vier Jahren die grüne Bewegung bildeten.“ Und es habe seit seinem Amtsantritt auch im Land selbst schon Veränderungen „in kleinen Schritten“ gegeben. So sei die Freilassung von etlichen politischen Gefangenen sehr wichtig gewesen. Ruhani habe sich mit radikalen Kräften, insbesondere mit den Revolutionsgarden, auseinandergesetzt. Denen habe er sinngemäß vermittelt: Behaltet eure wirtschaftlichen Aktivitäten, aber die Außen- und Sicherheitspolitik geht euch nichts an, darüber entscheidet die Regierung.

Kein besserer Zeitpunkt für Atomgespräche

Maßgeblich ist in der muslimischen Republik aber noch immer, wie sich die religiöse Führung verhält. Perthes verweist darauf, dass Ruhani öffentlich gesagt hat, er habe die volle Zuständigkeit für diese Verhandlungen zum Atomprogramm. Der oberste geistliche Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, habe dem nicht widersprochen.

Nach Ansicht von Perthes „gibt es keinen besseren Zeitpunkt für Atomgespräche als jetzt“. Auf beiden Seiten gebe es Leute, die eine Lösung wollten. In ein paar Jahren werde es nicht leichter: Vielleicht sei Ruhani bis dahin zwischen den politischen Fronten aufgerieben und auch Obama gehe dann dem Ende seiner zweiten und letzten Amtszeit entgegen.

Israel zweifelt weiter

Heuchler, Zyniker, Betrüger: Für Israels Premier Benjamin Netanjahu sind die versöhnlich klingenden Worte von Hassan Ruhani keine Rede wert. Alles Lug und Trug, mehr nicht. Mit seinem Auftritt vor den Vereinten Nationen habe Irans Staatschef wieder einmal versucht, die Welt zu blenden und die wahren Absichten des Mullahregimes zu kaschieren – den Bau einer Atombombe. Auch Ruhanis Charmeoffensive in den vergangenen Tagen vermag Netanjahu nicht davon zu überzeugen, dass sich in Teheran womöglich etwas zum Besseren bewegt, also Richtung ernsthafter Verhandlungen über das Nuklearprogramm.

Im Gegenteil. Der Regierungschef in Jerusalem fühlt sich bestätigt, dass dem Westen ein gefährlicher Wolf im Schafspelz gegenübersteht. Und der hat nach Netanjahus fester Überzeugung vor allem eines im Sinn: einen Keil zwischen Amerika und seinen engen Verbündeten Israel zu treiben. Nach Lesart des konservativen Likudpolitikers und anderer Hardliner in seinem Kabinett gibt es dafür durchaus Hinweise. So mache Ruhani zwar Washington diplomatische Avancen, um das Verhältnis zu entspannen. Doch dabei werde der jüdische Staat ausgespart und damit bewusst außen vor gelassen. Mit dem unverhohlenen Ziel, Israel zu isolieren.

Israel warnt weiter vor dem Iran

Auf Außenstehende mag das arg hysterisch und paranoid wirken. Doch in Jerusalem verweist man darauf, dass Teheran bei seiner verbalen Charmeoffensive um Israel einen großen Bogen gemacht hat. In der Tat waren harsche Worte gegen die „Zionisten“ auch jüngst die Regel, nicht die Ausnahme – was die Skeptiker in Israel nochmals dazu veranlasste, vor dem Iran zu warnen.

Jene sind es auch, die immer wieder auf die Berichte der Internationale Atomenergiebehörde in Wien verweisen. Diese hatte erst vor kurzem darauf hingewiesen, dass Teheran sein Nuklearprogramm massiv vorantreibe. Und die Experten wollen keinesfalls ausschließen, dass es auch militärisch genutzt werden könnte – für Netanjahu Grund genug, sich alle Optionen offen zu halten, also notfalls auch mit einem Präventivschlag gegen Irans Atomanlagen vorzugehen.

Allerdings weiß Israels Regierung genau – nicht zuletzt gewarnt von hochrangigen Vertretern der Armee –, dass ein Alleingang große Risiken birgt. Sollte der Einsatz von Waffengewalt ohne greifbare Erfolge bleiben, stünde die militärische Großmacht des Nahen Ostens ziemlich blamiert da. Erzfeinde wie die Schiitenmiliz Hisbollah, vom Iran seit Jahren tatkräftig unterstützt, würden sich die Hände reiben. Aber Amerika als wichtigster Verbündeter ist ohnehin wenig geneigt, sich an Israels Seite in ein militärisches Abenteuer zu stürzen. Zumal jetzt die Diplomatie wieder eine Chance bekommen soll. Vielleicht meint es Ruhani ja doch ernst. Das wäre ganz im Sinne der meisten Israelis. Denn die wollen vor allem zweierlei: Ruhe und Sicherheit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false