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Interview mit SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel: "Eine stumme Partei ist eine dumme Partei"

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel spricht über den Streit in der Parteiführung um Griechenland, illoyale Genossen und die Kritik an Sigmar Gabriel.

Herr Schäfer-Gümbel, steht die SPD-Führung noch zu Sigmar Gabriel?

Was soll die Frage? Wenn Sie darauf anspielen, dass wir in der Parteiführung am Montag über die Folgen des griechischen Referendums diskutiert haben, dann kann ich nur sagen: Genau das ist in einer solchen, völlig unübersichtlichen Lage unsere Aufgabe. Wir haben die Diskussion offen und solidarisch geführt. Dazu sind wir da.

Tatsache ist, dass Gabriel im Präsidium für seinen harten Anti-Tsipras-Kurs keine Mehrheit gefunden hat und dass diese Niederlage hinterher an eine Zeitung durchgestochen wurde.

Erstens: Wer versucht, mit derartigen Illoyalitäten sein eigenes Süppchen zu kochen, wird das Gegenteil von dem erreichen, was er vielleicht will. Wir bleiben beieinander. Zweitens: Wir haben immer gesagt, dass Griechenland durch Sparen allein niemals aus der Krise herauskommen kann. Es braucht Investitionen in Arbeit und Ausbildung. Die Zusammenarbeit mit der griechischen Regierung, auch der aktuellen, ist anstrengend. Das gilt aber auch für den IWF. Partner kann man sich aber nicht backen, man muss mit denen arbeiten, die da sind. Immerhin geht es um die Menschen in Griechenland und um die Zukunft Europas.

Versündigt sich ein Parteichef, der für den Grexit plädiert, an der Tradition der SPD als Europapartei?

Sie verkürzen Sigmar Gabriels Position in unzulässiger Weise. Er hat keinen Grexit gefordert, sondern sich an die Seite der griechischen Bevölkerung gestellt und zu Recht auf die Einhaltung von Regeln gepocht. Die Haltung der SPD ist völlig klar: Wir suchen nach Wegen, Griechenland in der EU und im Euro zu halten. Das erfordert, dass die griechische Regierung ihre Hausaufgaben macht und sich zu Reformen verpflichtet. Dazu gehört aber auch, dass Europa dabei hilft, in Griechenland Wachstum und Investitionen zu schaffen. Es kann nicht sein, dass wir die Dinge weiter treiben lassen.

Wie erklären Sie dem Facharbeiter bei VW in Wolfsburg, dass er mit seinem Steuergeld für griechische Schulden geradestehen muss?

Spätestens seit der Abwrackprämie und Kurzarbeitergeld wissen wir, dass schwere Zeiten ungewohnte Antworten brauchen, die dann zu Chancen werden. Das weiß niemand besser als der Facharbeiter bei VW. Wenn Griechenland raus ist, wird es ganz sicher teuer. Wir haben immer gesagt: Griechenland braucht Zeit, Griechenland braucht Investitionen, Griechenland braucht Reformen. Und die EU muss wirtschafts- und sozialpolitisch enger zusammen arbeiten, weil die Währungsunion allein auf Dauer nicht funktionieren kann. Das sind die Voraussetzungen dafür, dass Griechenland eines Tages Schulden zurückzahlen kann.

Womöglich würde der VW-Facharbeiter einwenden, Griechenland sei ein hoffnungsloser Fall...

Wenn man zuschaut, ist es hoffnungslos. Aussitzen, wie es Kanzlerin Merkel seit Jahren getan hat, geht gar nicht. Hoffnung entsteht immer, wenn man handelt. Das ist unsere Pflicht!

Gabriel steht nicht nur wegen seiner Griechenland-Politik in der Kritik, ihm wird auch vorgeworfen, die SPD weit nach rechts zu rücken. Wie erklären Sie sich das?

Ich frage mich auch, woher diese Vorwürfe kommen. Wir haben im SPD-Präsidium in einem Positionspapier Themen benannt, die wir ansprechen müssen. Dazu zählen Fragen nach Arbeit in Zeiten der Digitalisierung oder Vereinbarkeit von Beruf und Familie und natürlich auch Fragen nach Zuwanderung und sozialer und öffentlicher Sicherheit. Wir wollen kein Papier ohne Ecken und Kanten.

Manche Funktionäre stoßen sich daran, dass in dem Diskussionspapier mit Begriffen wie Heimat und Patriotismus operiert und Angst vor „Überfremdung“ angesprochen wird. Zu Recht?

Die Sozialdemokratie muss diese Fragen aufnehmen. Unsere Haltung ist ganz klar: Wir stehen für die Aufnahme von Flüchtlingen und stellen uns denen entgegen, die gegen Zuwanderer Stimmung machen. Hart und konsequent. Fremdenfeindlichkeit muss man bekämpfen. Das heißt aber nicht, dass man die Fragen der Bürger vor Ort ignoriert. Das ist die Verantwortung der SPD.

Im Netz verspotten Sozialdemokraten Gabriel als Zickzack-Vorsitzenden und rufen zur Wahl Merkels auf. Was sagt das aus über Ihre Partei?

Eine stumme Partei ist eine dumme Partei, sagt Sigmar Gabriel, und da hat er recht. Dass die SPD über Wege streitet, gehört dazu. Manchmal wird dabei über die Stränge geschlagen, damit muss man leben. Bei uns herrscht eben keine Friedhofsruhe wie in der Union. Im Übrigen gilt der Satz von Carlo Schmid: „Mit der SPD ist es wie mit einem Floß. Man bekommt nasse Füße, aber man geht nicht unter.“

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