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Als Krisenmanager gefragt: CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Armin Laschet.

© via REUTERS

Interne FDP-Analyse: „Der CDU/CSU droht eine politische Explosion“

In einem internen Papier sieht die FDP dramatische Folgen der Korruptionsaffäre für die Union und das politische Gemeinwesen. „Schadenfreude“ sei fehl am Platz.

Die FDP rechnet in einer internen Analyse mit dramatischen Auswirkungen für die Union durch die weiter schwelenden Korruptions- und Nebenverdienstaffären. „Der CDU/CSU droht eine politische Explosion“, heißt es in einer vertraulichen, internen Analyse des Parlamentarischen Geschäftsführers der Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, die dem Tagesspiegel vorliegt.  

Die Union drohe zu einem Pulverfass zu werden. In ihrem „Stammland“ Baden-Württemberg sei die CDU bei den Landtagswahlen auf den historisch schlechtesten Wert von 24,1 Prozent der Wählerstimmen eingebrochen, in Rheinland-Pfalz auf das Negativergebnis von  27,7 Prozent.

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„Gleichwohl haben diese dramatischen Wahlniederlagen der Union bislang die potenziellen Folgen der aktuellen Korruptionsaffären nur angedeutet." Denn sehr viele Menschen hätten bereits vor dem Bekanntwerden ihre Stimmen per Briefwahl abgegeben. Die weiteren Auswirkungen drohten nicht nur die Union, sondern auch das politische Gemeinwesen insgesamt zu beschädigen. „Schadenfreude ist deshalb kategorisch fehl am Platz“, wird an die Adresse der eigenen Abgeordneten gemahnt.

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Inzwischen ist auch der ehemalige bayerische Justizminister Alfred Sauter ins Visier der Justiz geraten. Die Generalstaatsanwaltschaft München ließ am Mittwoch das Büro des CSU-Politikers im Bayerischen Landtag sowie weitere zehn Objekte in Sauters schwäbischer Heimat durchsuchen.

Die Ermittlungen gegen den 70-jährigen Landtagsabgeordneten stehen im Zusammenhang mit den millionenschweren Geschäften mit Corona-Schutzausrüstung, für die Sauters damaliger Parteifreund Georg Nüßlein sechsstellige Vermittlungsprovisionen kassiert haben soll.

Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Sauter als Anwalt für die Vermittlung von Masken und für weitere Dienstleistungen hohe Beträge kassieren sollte.

Insgesamt geht es um rund eine Million Euro. Sie sind eine weitere Bürde für CSU-Chef Markus Söder, ebenso belasten die Affären CDU-Chef Armin Laschet - bisher ist offen, wer von ihnen als Kanzlerkandidat der Union antreten soll - beide pochen auf umfassende Aufklärung, aber egal wer antritt Die Affären können massiv den Unions-Wahlkampf belasten.

"Politische Sprengladung"

Die Entstehung der aktuellen Sprengladung sei einfach nachzuzeichnen, betont Buschmann. Vor der Corona-Krise sei die Union in bundesweiten Umfragen teilweise immer wieder auf 25 Prozent abgestürzt.

„Diese substanzielle Schwäche der Union ist durch sozialpsychologische Effekte in der Corona-Krise überdeckt worden.

Zum einen habe der sogenannte „rally round the flag“-Effekt eingesetzt, wonach sich die Menschen in einer krisenhaften Gefahrensituation wie der Pandemie um den jeweiligen Regierungschef oder die Regierungschefin versammeln.  „Dieser Effekt war weltweit in der Corona-Krise zu beobachten.“ 

Zugleich habe die positive Wahrnehmung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auch auf andere Kompetenzbereiche abgestrahlt und vorherrschende Schwächen überdeckt. „Das führte zu einem starken Anstieg der Kompetenzvermutung bei der Union. Das geschah insbesondere auch in den Politikfeldern, für die SPD-Minister innerhalb der Bundesregierung federführend verantwortlich sind.“

Marco Buschmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, hat die Analyse verfasst. Foto: Annegret Hilse/dpa
Marco Buschmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, hat die Analyse verfasst. Foto: Annegret Hilse/dpa

© picture alliance / Annegret Hils

Und weiter schlussfolgert Buschmann: „Beide Effekte gemeinsam bildeten eine Art Strahlenkranz oder Heiligenschein der Union. Sie waren mit dafür verantwortlich, dass die Union im Verlaufe der Pandemie demoskopische Höchstwerte von bis zu 40 Prozent erzielte.“  

Denn die sozialpsychologischen Effekte vermittelten den Eindruck, dass das Kernversprechen der Union intakt sei: „einen Plan für die Krise zu haben, handwerklich gut regieren zu können und dabei anständig und bescheiden zu bleiben“. Das sei nun in sich zusammengebröselt, schreibt Buschmann und nennt drei Punkte:

  • „Die unvorhersehbaren Kursänderungen von Bundesregierung und Ministerpräsidentenkonferenz zu Corona haben jeden Eindruck eines Plans wie eine Seifenblase zerplatzen lassen.“
  • „Das Vertrauen in gute Regierungsführung trifft auf schwere Managementfehler in der Bundesregierung, wie der Umgang mit Impfstrategie, Testbeschaffung und Überbrückungshilfen zeigen.“
  • „Der Glaube an Anstand und Bescheidenheit trifft schließlich auf korruptes Verhalten einzelner Akteure innerhalb der Union.“

Diejenigen, denen man Außerordentliches zutraute, würden in der Wahrnehmung nicht einmal durchschnittlichen Erwartungen gerecht.

„Diese Mischung harter Kontraste zwischen Vertrauensvorschuss und Wirklichkeit der Regierungsparteien CDU und CSU reagiert zu politischem Sprengstoff.“

Eindringlich warnt Buschmann daher vor der Möglichkeit von Mehrheiten für ein rot-rot-grünes Linksbündnis und erinnert bereits an den Untergang der Democrazia Cristiana in Italien im Rahmen von Korruptionsskandalen.

Gleichwohl erwähnt er nicht, dass die Lage zugleich für die FDP die Chance auf ein Ampelbündnis mit Grünen und SPD oder aber auf eine Jamaika-Koalition mit einer geschwächten Union eröffnen könnte.

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"Es geht um unser Land und die Demokratie"

Letztlich drohe aber auch eine weitere Zunahme gefährlicher populistischer Bewegungen. „Die populistische Propaganda gegen den Parlamentarismus setzt methodisch darauf, Parlamentarier als unfähig, korrupt und an der Lösung von Problemen der Menschen uninteressiert zu diffamieren.“ Häme sei unangemessen, eine wahlkampftaktische Ausbeutung der Lage wäre kurzsichtig. „Über allem muss stehen: Es geht um unser Land und das Vertrauen in seine liberale Demokratie.“

Er schlägt eine ganze Reihe schärferer Transparenz- und Nebenverdienstregeln vor. Die Vorgänge innerhalb der Union dürften aber nicht „zu einem Anschlag auf Unternehmertum und Selbständige in der Politik umgemünzt werden.“

Gerade die umfangreichen Ermittlungsmaßnahmen gegen die Unions-Abgeordneten Axel Fischer, Georg Nüßlein und Karin Strenz zeigten, dass die Staatsanwaltschaft entschlossen vorgehe, wo Strafrecht berührt sei. Für die Schnittstelle von Regierungshandeln und Abgeordneten wäre ein Sonderermittler der Bundesregierung ein zweckmäßiges Instrument. „Wo sich dabei Rechtslücken auftun, müssen sie zügig geschlossen werden“, fordert Buschmann.

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