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Sammeln Unterstützer für die Sammlungsbewegung: Linken-Politiker Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine.

© picture alliance/Rolf Vennenbernd

Exklusiv

Initiative von Lafontaine und Wagenknecht: Linke Sammlungsbewegung – wer gegen wen?

Die Linken-Politiker Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht sammeln Unterstützer für eine linke Sammlungsbewegung. Jetzt werden erste Namen bekannt.

Von Matthias Meisner

Es war nicht eben der spektakuläre Aufschlag. Seit Monaten geistert die Idee einer "linken Sammlungsbewegung" durch die politische Landschaft, angestiftet von Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht und ihrem Ehegatten, dem früheren Linkspartei-Vorsitzenden Oskar Lafontaine.

Und dann, ein erster Name eines Unterstützers: Der frühere SPD-Sozialpolitiker Rudolf Dreßler, 77, kündigte in der vergangenen Woche an, den Aufruf für die Bewegung unter dem Arbeitstitel #fairLand zu unterschreiben. Die SPD sei "todkrank", sagte der langjährige Bundestagsabgeordnete und ehemalige deutsche Botschafter in Israel dem "Spiegel". Und: "Eine andere, linke Politik in diesem Land ist alleine mit meiner Partei nicht mehr möglich."

Im November vergangenen Jahres hatte Lafontaine in einem Zeitungsinterview erstmals über das Vorhaben einer Sammlungsbewegung gesprochen. Größeres Aufsehen erregte das Projekt erst um die Jahreswende, nachdem auch Wagenknecht dafür trommelte. Weder in der Linkspartei noch bei SPD und Grünen fand die Idee große Resonanz. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil bekräftigte seine Skepsis am Mittwoch. Er sagte dem Tagesspiegel: "Ob das tatsächlich eine Sammlungsbewegung wird, wage ich zu bezweifeln. Ich sehe da bisher vor allem alte Gesichter und höre populistische Untertöne. Eine politische Linke der Zukunft stelle ich mir anders vor."

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Auch Juso-Chef Kevin Kühnert hatte sich wenig begeistert gezeigt. "Nicht meine Sammlungsbewegung", schrieb er auf Twitter. "In jedem Themenfeld die gesellschaftliche Applaus-Position zu vertreten, ist nicht links, sondern auf eine unpolitische Weise populär." Lediglich der linke SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow ist offen.

Die Mitte-Links-Diskussion sei trotz inhaltlicher Unterschiede zwischen den Parteien wichtig, "sonst freuen sich Rechte und Konservative", sagte er dem Tagesspiegel. Eine reflexhafte Abwehr gegen die Idee von Wagenknecht und Lafontaine sei "nicht besonders hilfreich", meint er. "Es ist problematisch, wenn sich alle in ihren Parteien einzementieren."

Die Gewinnung von Unterstützern gelingt nur zögerlich. Lafontaine kanzelte seine innerparteilichen Gegner, die das Projekt kritisiert hatten, als "Trottel" ab. Vor allem in der Linkspartei gibt es Angst, es könnte eine konkurrierende Partei entstehen - obwohl Wagenknecht das immer wieder bestritten hatte.

"Das gesellschaftliche Klima wird vergiftet"

Ein fünfseitiger Aufruf der #fairLand-Bewegung ist seit einer Woche bekannt, "Der Freitag" hat die bisher von den Initiatoren nicht ausdrücklich autorisierte Fassung im Internet dokumentiert. Unter der Überschrift "Für ein gerechtes Land" wird unter anderem Angela Merkels Asyl-Politik kritisiert, diese "unehrlich und inakzeptabel" genannt: "Für nicht wenige bedeuten innereuropäische Freizügigkeit und Zuwanderung vor allem: mehr Konkurrenz um schlecht bezahlte Arbeitsplätze." Die Flüchtlingskrise habe zu großer Verunsicherung geführt. Armut müsse vor Ort bekämpft werden, Perspektiven müssten in den Heimatländern geschaffen werden. Weiter heißt es: "Wenn die Politik dann noch zuschaut, wie Hassprediger eines radikalisierten Islam schon fünfjährigen Kindern ein Weltbild vermitteln, das Integration nahezu unmöglich macht, wird das gesellschaftliche Klima vergiftet." US-Präsident Donald Trump wird als unberechenbar kritisiert, zugleich beklagt: "Im Verhältnis zu Russland herrscht Eiszeit." Wagenknecht erklärt inzwischen, die Initiative werde nicht #fairLand heißen.

Konstantin Wecker und Ingo Schulze im Gespräch

Nach und nach wird auch klar, um welche Milieus und Personen sich Lafontaine und Wagenknecht bemühen. Beim SPD-Altlinken Dreßler soll es nicht bleiben. Nach Tagesspiegel-Recherchen führen die Initiatoren Gespräche etwa mit dem Liedermacher Konstantin Wecker und dem Schriftsteller Ingo Schulze. Offen für die Pläne ist auch der 2014 emeritierte Kölner Sozialwissenschaftler Wolfgang Streeck. Alle drei bestätigen auf Anfrage ihr Interesse an dem Sammlungsbewegungs-Projekt, zögern aber mit einer öffentlichen Festlegung.

Schriftsteller Ingo Schulze.
Schriftsteller Ingo Schulze.

© Soeren Stache/dpa

Das dürfte auch daran liegen, dass der erste Entwurf für ein Thesenpapier selbst im Kreis der potenziellen Unterstützer umstritten ist. Konstantin Wecker etwa lässt über sein Management ausrichten: "Er ist im Gespräch, möchte jedoch eine weitere Fassung abwarten, ehe er sich entscheidet." Buchautor Schulze erklärt, alles sei noch in der Diskussion. Der kursierende Text stelle nur einen Zwischenstand dar, zu dem er, wie andere wohl auch, Anmerkungen gemacht habe. "In der Ihnen vorliegenden Form könnte ich das Papier nicht mittragen, finde aber Überlegungen, die in die darin angedeutete Richtung gehen, wichtig." Streeck teilt mit, er werde gern erklären, "warum etwas in dieser Art nötig ist" - dies dann aber erst im Juni nach Rückkehr von einer Auslandsreise.

Macht Antje Vollmer mit?

Unklar ist bislang, ob sich die langjährige Grünen-Politikerin und frühere Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer der Sammlungsbewegung anschließen wird. Auch sie wird für das Projekt gehandelt. Im April hatte Vollmer gemeinsam mit ihrem Parteifreund Ludger Volmer in einem Gastbeitrag für die "Berliner Zeitung" festgestellt: "In Deutschland träumen enttäuschte Linke von der Gründung einer neuen links-ökologisch-friedensbewegten Volkspartei. Die alten Modelle jedenfalls retten niemanden mehr." Ihre eigene Partei nannte sie kraft- und mutlos.

Im selben Monat äußerte sich Vollmer in einem Interview für die mit Lafontaine verbundenen "Nachdenkseiten", sie fühle sich als Pazifistin und Befürworterin einer modernen Entspannungspolitik innerhalb der Grünen heute wie "ein Alien von einem fernen Stern". Vollmer ließ mehrere Tagesspiegel-Anfragen zu ihrer möglichen Unterstützung für die Sammlungsbewegung unbeantwortet.

Wagenknecht kündigte in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" an, die von ihr geplante linke Sammlungsbewegung solle im September starten - ursprünglich sollte es schon vor der Sommerpause losgehen. Sie sehe auch auf Grund vieler positiver Reaktionen ein großes Potenzial - "auch bei vielen, die eben in anderen Parteien organisiert sind und da unzufrieden sind, gerade auch in der SPD".

Vorwurf der Nähe zur AfD

Diskutiert wird bis dahin lebhaft weiter. In der neuen "Zeit" kommentiert Autor Robert Pausch unter der Überschrift "Leidende aller Linken, vereinigt euch", es gebe gute Gründe, über die Probleme der Linken zu sprechen, "jenseits eingeübter Reflexe und Grabenkämpfe". Es gebe gute, vielleicht sogar historisch drängende Gründe, sich darüber "Gedanken zu machen, wie progressive Mehrheiten überhaupt noch zu gewinnen sind - und in welchen Formen und Allianzen", schrieb Pausch. "Eine Bewegung wäre ein Gefäß, das sich mit Inhalt füllen lässt. Man muss es nur wollen."

Der Publizist Michael Bittner schrieb in seinem Blog: "In der nationalen Frage stimmt die Position von Sahra Wagenknecht mit der Position der AfD im Wesentlichen überein." Das belege noch nicht die Falschheit ihrer Thesen, "macht sie mir aber verdächtig". Die Frage, ob Wagenknecht die Linken sammeln könne, beantwortet Bittner mit einem klaren Nein. "Wie sollte eine Frau die ganze politische Linke sammeln können, die nicht einmal in der Lage ist, alle Mitglieder ihrer eigenen Partei hinter sich zu versammeln?"

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