zum Hauptinhalt
Präsident Putin hat alles im Griff: Die Corona-Pandemie und die Medien.

© Sputnik/XinHua/dpa

Informationskrieg in der Corona-Krise: Russische Auslandsmedien zeigen Deutschland und die EU als hilflos und repressiv

RT Deutsch und Sputnik nutzen die Pandemie für ihre Mission im Informationskrieg in Deutschland. Sie säen Zweifel und polarisieren. Ein Gastbeitrag.

Alles Panikmache?" – so lautet eine Folge der Sendung „Der fehlende Part“ von RT Deutsch, der deutschen online-Version des russischen Auslandsfernsehens RT. Sie ist mit 875.000 Abrufen der Hit von RT Deutsch auf YouTube.

Darin gibt es ein Interview mit einem Mediziner unter dem Titel „Die Epidemie, die nie da war“. In alarmierendem Tonfall spricht die Moderatorin Jasmin Kosubek von „dystopischen Maßnahmen“ und kritisiert „bisher nie dagewesenen Einschränkungen der Grundrechte in Deutschland“ und anderen Ländern.

Im Film wird gezeigt, wie die Polizei in Frankreich handgreiflich gegen Passanten auf der Straße vorgeht.

In Israel bekomme man „schnell die Handschellen“ angelegt, zwei Personen in Schutzanzügen fesseln einen auf den Boden gedrückten Bürger. Es geht weiter mit dem „Supergau für die deutsche Wirtschaft“ und dem „Tod der Restaurants“.

Es wird suggeriert, Deutschland könne die Krise nicht bewältigen

Diese Beispiele sind typisch für die Berichterstattung der russischen Staatsmedien in Deutschland, insbesondere von RT Deutsch und dem Nachrichtenportal Sputnik. Es wird suggeriert, dass die deutsche Regierung und die EU Krisen nicht bewältigen können. Und dass der Kollaps des Systems kurz bevorstehe.

Das war in der Flüchtlingskrise der Fall, im Fall Lisa – der angeblichen Entführung einer jungen Russlanddeutschen –, in der Brexit-Debatte. Die Corona-Pandemie wird nun ebenfalls genutzt, um mit tendenziöser und teils falscher Berichterstattung zu polarisieren.

Denn die russischen Staatsmedien in Deutschland haben eine Mission. Sie verstehen sich selbst als Waffe im Informationskrieg. Die Grundlagen dazu wurden von russischen Militärtheoretikern entworfen, als Ergänzung zu anderen Aktivitäten wie Cyberattacken und Spionage. Wie bei den „aktiven Maßnahmen“ zur Sowjetzeit soll der Gegner so beeinflusst werden, dass er seine Niederlage selbst herbeiführt.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog  Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden .]

Die Bundesregierung, insbesondere Kanzlerin Merkel, und die EU stehen wegen der Russland-Sanktionen im Zentrum der Berichterstattung der russischen Staatsmedien. Auch die Östliche Partnerschaft der EU mit der Ukraine, Georgien und andere Staaten ist dem Kreml ein Dorn im Auge.

Moskau beansprucht den postsowjetischen Raum als Sphäre privilegierter Interessen und will eine Westbindung dieser Staaten verhindern. Kein Zufall, dass die Maidan-Ereignisse in der Ukraine und deren Assoziierung mit der EU den Informationskrieg auslösten.

Wirtschaftlich erfolgreiche, demokratische Staaten in der direkten Nachbarschaft könnten in Russland einen Dominoeffekt auslösen – einen Regimewandel will Moskau deshalb verhindern.

RT Deutsch und Sputnik haben mehr Abonnenten als der deutsche Dienst der Deutschen Welle

In Deutschland will die russische Führung ihren Einfluss ausdehnen. RT Deutsch hat aktuell bei Facebook 469.000 Abonnenten, Sputnik 238.000. RT Deutsch hat damit das deutsche Portal der Deutschen Welle mit 450.000 Abonnenten überholt. Doch auch der englisch-, spanisch- und arabischsprachige Dienst von RT wird in Deutschland konsumiert. RT international in englischer Sprache ist bei fast jedem Kabel-Anbieter im Paket.

Neben Deutschland gehört die EU zu den Lieblingszielen der Kreml-Sprachrohre RT und Sputnik. So wurde ein Video der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, in dem sie zeigt, wie man sich in Corona-Zeiten richtig die Hände wäscht, als „Ausdruck der Hilflosigkeit“ und des „Versagens der EU“ beschrieben. RT Deutschs Beitrag trug den Titel „Uschis Hände – sauberes Krisenmanagement à la von der Leyen“.

[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen rund um das Coronavirus. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de.]

Auf der anderen Seite wird bei den Sendern betont, dass Russland und China „tatkräftig“ an Italiens Seite stünden. Ausführlich wurde über die Aktion „From Russia with Love“ berichtet, als neun Militärflugzeuge Ausrüstung und Spezialisten nach Italien lieferten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Zwar berichtete die italienische Zeitung „La Stampa“, dass 80 Prozent der Lieferung für den Kampf gegen die Corona-Pandemie unbrauchbar seien. Aber die Botschaft kam an: Russland hat die Krise im Griff und leistet sogar dem Ausland Hilfe.

Sputnik brachte beispielsweise eine Fotoreihe, wie Präsident Putin im Schutzanzug den von Corona infizierten Landsleuten zur Hilfe eilt.

Diese für die russische Führung sehr vorteilhafte Darstellung verkauft RT auf seiner Webseite als „alternative Informationsquelle jenseits des Mainstreams“ und als „Part, der sonst verschwiegen wird“. Auch Sputnik führt das Motto „Telling the Untold“ in seinem Logo.

Zweifel an dem erfolgreichen Krisenmanagement in Russland sind indes angebracht. Bis Ende März wurde die Krise in Russland offiziell geleugnet. Noch am 27. März betonte ein Kreml-Sprecher nach Angaben von BBC, dass es in Russland mit etwa 1000 Fällen „de facto keine Epidemie“ gebe.

Der Druck wuchs jedoch, selbst systemtreue Kräfte wie der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin kritisierten, dass zu wenig getestet werde. „Das reale Bild kennt keiner“, sagte Sobjanin nach einem Bericht der russischen Zeitung „Novoe Vremja“.

Als die offizielle Leugnung der Epidemie unhaltbar wurde, wandte sich Putin Ende März mit einer Videobotschaft an das Volk. Er ordnete eine arbeitsfreie Woche bei voller Lohnfortzahlung an und verlängerte diese eine Woche später bis Ende April. Unklar blieb, wer die Löhne zahlen sollte, denn die Unternehmen erhalten bislang keine finanzielle Unterstützung.

In den Medien hat Russland die Krise im Griff

Das Verkünden unangenehmer Maßnahmen überließ Putin den Verwaltungschefs der Regionen. Ein überraschender Schritt, denn in den 21 Jahren seiner Herrschaft hat Putin ein streng zentralisiertes System geschaffen und zu selbstständige Regional-Politiker entmachtet.

So war es Moskaus Bürgermeister Sobjanin, der für die Hauptstadt eine strenge Ausgangssperre anordnete. Bis zum 17.April schnellte die Zahl der getesteten Infizierten nach Angaben von Statista auf 32000 Fälle – das ist 32-mal mehr als Ende März.

An der Darstellung von RT Deutsch und Sputnik, dass Russland die Krise im Griff hat, sind also Zweifel angebracht. Da wird dann gerne auf den rhetorischen Trick des Whataboutism zurückgegriffen, also der Ablenkung von einem Missstand mit der Frage nach Missständen auf der anderen Seite.

So werden Deutschland und andere Staaten in der Corona-Krise als repressive Regime dargestellt. Während in Russland regelmäßig Demonstranten von der Polizei niedergeknüppelt und Bürger wegen kremlkritischer Posts im Internet zu mehreren Jahren Haft wegen verurteilt werden, zeigen RT und Sputnik mit dem Finger auf Deutschland und kritisieren die Einschränkung der Rechte.

Das deutsche System wird kollabieren, so die Botschaft, während Russlands autoritärer Herrscher alles unter Kontrolle hat.

Eine Botschaft, die insbesondere bei deutschen Rechtspopulisten, Linksextremen und anderen Systemgegnern gut ankommt. Auch in der Corona Krise zeigt sich: Die Medien sind eine Waffe im Informationskrieg.

Susanne Spahn ist freie Journalistin und Osteuropa-Historikerin

Susanne Spahn

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false