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Mit dem Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts könnten Medien mit pornografischen, gewaltverherrlichenden oder sogar pädophilen und antisemitischen Inhalten wieder in die Öffentlichkeit gelangen.

© dpa

Informationsfreiheit: Urteil macht Jugendschutzbehörde zum Porno-Versand

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien muss ein indiziertes Erotikvideo an einen Filmsammler herausgeben, verlangt das Kölner Verwaltungsgericht. Damit könnte die Behörde zu einer Art On-demand-Dienst für Pornos, Gewaltfilme und antisemitische Hetzschriften werden.

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in Bonn ist verpflichtet, auf Antrag von Bürgern die Kopien indizierter Filme oder Tonträger herauszugeben, die sonst nicht mehr beschaffbar sind. Dies geht aus einem Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. Die von der Behörde auf den Index gesetzten Medien seien demnach „amtliche Informationen“, in die jeder nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) Einsicht nehmen dürfe. Damit könnten Medien mit pornografischen, gewaltverherrlichenden oder sogar pädophilen und antisemitischen Inhalten wieder in die Öffentlichkeit gelangen, deren Verbreitung eigens wegen dieser Merkmale beschränkt worden war.

Das IFG gewährt Bürgern seit 2006 Zugang zu Unterlagen von Bundesbehörden. Die Herkunft der Information, also der Medien, sei „in diesem Zusammenhang unerheblich“, entschieden die Richter. „Eine amtliche Aufzeichnung liegt auch vor, wenn die Information von einem Dritten übermittelt wurde und von der Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben verwendet wird“, heißt es (Az.: 13 K 4674/ 13). Die Behörde, die kürzlich ihr sechzigjähriges Bestehen feierte, kündigte Rechtsmittel an. „Das Urteil pervertiert die Bundesprüfstelle zu einem On-demand- Dienst für jugendgefährdendes Material, das sonst vergriffen ist“, kritisiert der Medienrechtler Marc Liesching, der die Behörde vor Gericht vertreten hat.

Gefahr möglicher Nachfragen von Neonazis

Geklagt hatte ein Sammler, der seine Videos um einen seltenen Pornofilm ergänzen wollte und nun dessen Herausgabe verlangen kann, sollte das Urteil rechtskräftig werden. Pikant ist die Entscheidung auch mit Blick auf das Vorhaben von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), der bisher zulässige Filme mit Darstellungen nackter Kinder künftig unter Strafe stellen will. Die Bundesprüfstelle indiziert und archiviert auch bisher schon Filme, die Kinder oder Jugendliche „in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung“ zeigen. Bis zu einem ausdrücklichen gesetzlichen Verbot könnte die Behörde nun verpflichtet sein, Werke aus diesem Grenzbereich herauszugeben.

Der Jugendschutzexperte Liesching weist auch auf die Gefahr möglicher Nachfragen von Neonazis hin. „Morgen kommen Rechtsextreme und bestellen sich alles, was das Dritte Reich verherrlicht, aber gerade noch nicht strafbar ist. Solches Material kann keine amtliche Information sein.“ Ob das Urteil in nächster Instanz korrigiert wird, ist allerdings zweifelhaft. Das Oberverwaltungsgericht wird erst entscheiden müssen, ob es überhaupt eine Berufung zulassen will.

Die Bundesprüfstelle sichtet und indiziert Medien, die zu Verbrechen, Gewalt oder Selbstjustiz aufrufen oder sonst „verrohende Wirkung“ haben. Weitere Fallgruppen sind die Verherrlichung von Nationalsozialismus, Alkohol- oder Drogenkonsum. Mit der Indizierung werden die Vetriebskanäle beschränkt, Fernsehen und Radio dürfen indizierte Titel nicht mehr ausstrahlen. Ob die Medien, einschließlich Webseiten und Videospielen, strafbar sind, ist nicht entscheidend. Die Behörde bewertet dies selbst. Inhalte, die gegen Strafgesetze verstoßen, dürfen auch nach dem Kölner Urteil nicht herausgegeben werden. Für Filme, die legal im Handel waren und „nur“ indiziert wurden, gelte dies aber nicht, so die Richter. Auch seien die Motive unbeachtlich, aus denen jemand an die „Informationen“ kommen will.

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