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Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, im Innenausschusses des Landtags.

© Marijan Murat/dpa

Informanten-Affäre in Baden-Württemberg: Innenminister Strobl holt sich Hilfe von Berliner Medienanwalt

Der CDU-Politiker hat Ärger, weil er heimlich ein Dokument an die Presse gab. Jetzt schaltet er den Juristen Christian Schertz ein, der ihn entlastet sieht.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sieht sich in den Diskussionen um seine Rolle als heimlicher Informant eines Journalisten entlastet. Am Mittwoch präsentierte das Ministerium in Stuttgart ein Gutachten des Berliner Medienanwalts Christian Schertz, wonach Strobl keine juristischen Vorwürfe zu machen seien. Vielmehr habe er den Informationsanspruch eines Pressevertreters erfüllen müssen.

Hintergrund der Affäre ist ein Disziplinarverfahren gegen einen ranghohen Polizisten im Land. Im Dezember hatte Strobl ein Schreiben von dessen Anwalt an einen Journalisten weitergereicht, weil es ein aus seiner Sicht anrüchiges Gesprächsangebot enthielt. Der Journalist hat darüber berichtet, jedoch ohne Strobl als Quelle zu nennen.

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Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin wegen eines möglichen Geheimnisverrats, stellte das Verfahren aber ein, weil das Innenministerium die dafür nötige Ermächtigung nicht erteilen wollte. Von Strobls Mitwirkung an dem Zeitungsbericht erfuhr die Staatsanwaltschaft zunächst nichts.

Als dessen Rolle als Informant Anfang Mai überraschend bekannt wurde, nahm die Behörde neue Ermittlungen auf, diesmal wegen verbotener Mitteilungen über ein laufendes Disziplinarverfahren, Paragraf 353d Strafgesetzbuch.

SPD und FDP bringen Untersuchungsausschuss auf den Weg

Im Baden-Württemberger Landtag fordert die Opposition von SPD, FDP und AfD den Rücktritt des Ministers aus der grün-schwarzen Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Die Fraktionen von SPD und FDP wollen am Mittwoch einen Untersuchungsausschuss auf den Weg bringen.

Der weitere Verlauf der Affäre könnte über die Landesgrenzen hinaus Bedeutung entwickeln, da eine Tätigkeit als vertraulicher Informant zu einer wenig beachteten Praxis von hohen Amtsträgern in Bund und Ländern gehört, um auf öffentliche Debatten einzuwirken. Kretschmann steht bislang hinter seinem Minister. Eine Auskunft auf eine Tagesspiegel-Anfrage, ob der Regierungschef selbst derartige Praktiken der Öffentlichkeitsarbeit pflegt, steht bislang noch aus.

Strobl hat nun als Privatmann den Medienrechtler Schertz mandatiert, eine „ganzheitliche presse- und strafrechtliche sowie auch mediale Bewertung“ vorzunehmen und diese dem Ministerium zu überlassen.

Darin kommt der Jurist zu dem Schluss, dass eine Strafbarkeit nach Paragraf 353d ausgeschlossen sei, da das Anwaltsschreiben kein amtliches Dokument im Sinne dieses Straftatbestands gewesen sei. Das Schreiben selbst sei auch kein Dienstgeheimnis, da es auf dem Fax-Anschluss des Ministeriums eingegangen und einer Vielzahl von Personen zugänglich gewesen sei.

Landesdatenschutzbeauftragter bewertet Strobls Verhalten als rechtswidrig

Neu ist vor allem die presserechtliche Bewertung des Vorgangs. Hier stellt Gutachter Schertz entscheidend darauf ab, dass Strobl als oberster Dienstherr „berechtigt, wenn nicht sogar verpflichtet war“, den Journalisten über das Anwaltsschreiben zu informieren. Grund: Dieser habe ihn darum ersucht.

Dies gelte sowohl nach dem Landespressegesetz wie nach nach dem Baden-Württemberger Informationsfreiheitsgesetz. Da die Vorwürfe gegen den Inspekteur der Polizei „von höchstem öffentlichen Interesse“ seien, habe Strobl die erbetenen Informationen auch nicht verweigern dürfen.

Das Schertz-Gutachten ist offenbar eine Reaktion auf die Ergebnisse eine Prüfverfahrens des Baden-Württemberger Landesdatenschutzbeauftragten Stefan Brink, das die SPD-Fraktion in Gang gebracht hatte. Brink sieht die Übermittlung des Anwaltsschreibens wegen Verstößen gegen Datenschutzvorschriften als rechtswidrig an.

In seiner Stellungnahme sprach er von einer „intransparenten Weitergabe geschützter Informationen“. Wenn überhaupt, wäre eine „allgemeine Information der Öffentlichkeit oder der Presse insgesamt denkbar“ gewesen. Hier aber sei der Anschein erweckt worden, eine an sich vertrauliche Information sei „durchgestochen“ worden. Aus Sicht Brinks schadet dies der „Integrität von Verwaltungsverfahren“.

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