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Mitarbeiter im Hanns Lilje Heim der Diakonie in Wolfsburg tragen Schutzanzüge.

© Imago

Infektionszahlen steigen: Hunderte Alten- und Pflegeheime vom Virus betroffen

In Nordrhein-Westfalen hat sich die Zahl der Infizierten in Heimen innerhalb einer Woche fast verdoppelt. Auch viele Mitarbeiter sind erkrankt.

Viele hundert Alten- und Pflegeheime sind in Deutschland von Covid-19 betroffen, wie eine Recherche des Tagesspiegels ergab. In Baden-Württemberg hat sich die Zahl der gemeldeten Infektionen in Pflegeheimen von 454 Fällen am Montag auf mehr als 900 verdoppelt, Bewohner und Pfleger zusammengerechnet. In mehr als 60 Heimen gab es Infektionen, bis Donnerstag verstarben 64 Bewohner.

In Nordrhein-Westfalen hat sich die Zahl der Fälle innerhalb einer Woche fast verdoppelt: Derzeit sind mehr als 900 Infektionen bei Bewohnern aus rund 130 Heimen bekannt, dort kam es zu mehr als 150 Todesfällen. Zusätzlich haben sich 700 Mitarbeiter infiziert. In Bayern sind 189 vollstationäre Heime betroffen. Die Zahl der Infektionen teilte ein Ministeriumssprecher nicht mit.

Drei Tote in Britzer Einrichtung

Auch die Landesregierungen von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Hessen gaben keine Auskünfte zur Zahl der infizierten Heimbewohner.

In Thüringen war die Zahl der bekannten Infektionen vergleichsweise niedrig: Bis Mitte der Woche gab es je gut 30 Fälle bei Bewohnern und Mitarbeitern. Aus Berlin waren bis Ende der Woche mehr als 90 infizierte Bewohner und 50 Mitarbeiter von Pflegeheimen bekannt. Sechs Bewohner verstarben, darunter drei im Hermann-Radke-Haus in Britz. In Hamburg sind gut zwei Dutzend Pflegeheime betroffen, in Bremen mindestens sechs.

Staatsanwaltschaft ermittelt in Wolfsburg

Erkrankungen in Pflegeheimen sind aufgrund des Alters und wegen Vorerkrankungen der Bewohner besonders gefürchtet. Deshalb wurden schon in den vergangenen Wochen viele Schutzmaßnahmen eingeleitet, offenbar jedoch nicht überall konsequent: In Wolfsburg ermittelt die Staatsanwaltschaft laut Medienberichten, da in einem Pflegeheim ein Besuchsverbot zu spät umgesetzt worden sei – es starben rund 30 Bewohner.

Die Einrichtungen hätten Isolations- und Quarantänebereiche in einer für die Bewohnerzahl angemessenen Größe vorzubereiten, heißt es zum Beispiel aus dem Gesundheitsministerium in Düsseldorf. „Vorgesehen ist eine getrennte Unterbringung von bereits infizierten Menschen einerseits und andererseits denjenigen, die keine Symptome einer Erkrankung an Covid-19 zeigen, aber bei denen noch kein negatives Testergebnis vorliegt.“

Die Zunahme der Infektionen in Pflegeheimen ist ein Grund für die deutlichen Steigerungen der Todeszahlen aus der letzten Zeit, erklärte der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler am Donnerstag.

Immer noch fehlen Schutzausrüstungen

„Weiterhin ist die Versorgung von Schutzausrüstung ein Tropfen auf den heißen Stein“, erklärt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Jede Exit-Strategie sei daher „lebensgefährlich für Menschen der Hochrisikogruppe“.

Der Staat müsse jetzt Altenheime und Pflegedienste „mit Mannschaft und Gerät“ unterstützen und das Krisenmanagement deutlich verbessern. „Immer noch fehlen mobile Taskforces aus Ärzten und Pflegern der Krankenhäuser, niedergelassenen Medizinern und Altenpflegekräften“, erklärt Brysch.

Auch die Lage in Kliniken und Arztpraxen ist immer noch unzureichend. Vor gut einer Woche sprach das RKI von 2300 bekannten Fällen – inzwischen von mindestens 5100 Infektionen beim Personal im Gesundheitswesen.

Der Berliner Senat etwa konnte bislang keine Zahlen nennen, diese würden voraussichtlich kommende Woche vorliegen.

In Gefängnissen relativ wenig Infektionen

In Gefängnissen ist die Lage in Deutschland bislang relativ entspannt. Aus vielen Bundesländern heißt es, es seien keine Infektionen unter den Gefangenen bekannt. In Hamburg waren mindestens zwei Gefangene infiziert. Unter Justizvollzugsbeamten gab es in Bayern mindestens 15 Infektionen, in Baden-Württemberg Fälle „im mittleren zweistelligen Bereich“. In Berlin hat sich ein Gefangener, der sich seit drei Wochen im Dauerausgang befindet, außerhalb des Gefängnisses infiziert. „Der Gefangene kommt erst in den Vollzug zurück, wenn er genesen ist“, erklärte ein Sprecher.

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