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Impfung eines Arztes an einer Klinik in Sonneberg in Thüringen (Archivbild vom 25.11.2021)

© dpa/Bodo Schackow

Update

Infektionsschutzgesetz der Ampel-Koalition: Impfpflicht in Kliniken und Pflegeheimen kommt

Der Bundestag billigt das Gesetz der Ampel-Koalition für eine erste begrenzte Impfpflicht und weitere Corona-Regelungen. Auch der Bundesrat stimmt zu.

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie hat der Bundestag eine erste begrenzte Impfpflicht für Gesundheitspersonal und weitere Krisenregelungen beschlossen. Für das Gesetz der Ampel-Koalition von SPD, FDP und Grünen stimmten am Freitag 571 Abgeordnete. Mit Nein votierten 80 Abgeordnete, 38 enthielten sich. Nach dem Bundestag stimmte dann auch der Bundesrat für die Änderung des Infektionsschutzgesetzes.

Konkret sollen Beschäftigte in Einrichtungen mit schutzbedürftigen Menschen wie Pflegeheimen und Kliniken bis 15. März 2022 Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen müssen. Neben Ärzten sollen künftig befristet auch Apotheken, Zahnärzte und Tierärzte mitimpfen können. Ergänzt und verlängert werden sollen Möglichkeiten für die Länder zu regional härteren Corona-Beschränkungen.

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Der neue Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) drängte zu Beginn der Debatte zur Eile. „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, sagte er. Lauterbach erklärte den Kampf gegen die Corona-Pandemie zum obersten Ziel der neuen Bundesregierung.

Die Ampel-Koalition habe sich Vieles vorgenommen. „Das oberste Ziel ist für uns der Schutz der Bevölkerung in der Gesundheitskrise“, sagte Lauterbach. „Wir werden alles tun, um diese Krise schnell zu beenden.“

Mit der Korrektur des Infektionsschutzgesetzes werde das Instrument geschaffen, um die Delta-Welle der Pandemie zu brechen und die Omikron-Welle so gut wie möglich zu verhindern, sagte Lauterbach. Es sei „nicht ehrenrührig“, das Infektionsschutzgesetz auf der Grundlage eines guten Vorschlags zu verbessern.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)

© Reuters/Michele Tantussi

Lauterbach rief die Opposition zur Mitarbeit auf. „Diese Pandemie ist eine Aufgabe für uns alle“, betonte er. Sie eigne sich nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen.

Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen forderte die Länder auf, die Maßnahmen auch konsequent umzusetzen. „Der Staat darf sich nicht lächerlich machen. Es muss durchgesetzt werden, was beschlossen wird, ansonsten wird Politik und der Staat als Ganzes unglaubwürdig.“

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Sprecher der CDU/CSU kritisierten, dass es keine Rückkehr zur epidemischen Lage von nationaler Tragweite gebe. Auch jetzt erhielten die Länder nicht alle nötigen Befugnisse, sagte der CDU-Abgeordnete Volker Ullrich. „Wir brauchen jetzt die volle Handlungsfähigkeit des Staates.“ Sein Parteikollege Erwin Rüddel warnte: „Ständige Änderungen und Reparaturarbeiten inmitten einer ohnehin dramatischen Lage bewirken nur wachsende Verunsicherung in der Bevölkerung und eine abnehmende Bereitschaft, sich an die Regeln zu halten.“

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Für die Linke kritisierte Susanne Ferschl, dass zu wenig für die unter starkem Druck stehenden Pflegekräfte getan werde. „Die neue Bundesregierung bringt innerhalb von vier Tagen eine einrichtungsbezogene Impfpflicht auf den Weg, kann sich aber nicht auf eine Prämie für Pflegekräfte verständigen.“ Für diese gebe es noch nicht einmal ein minimales Dankeschön. „Das ist peinlich.“

Während der Debatte rief Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) wiederholt dazu auf, die Maske im Plenarsaal richtig über Mund und Nase zu tragen. Dies zielte auf die AfD-Fraktion, deren Abgeordnete Christina Baum die Aufforderung aber demonstrativ missachtete. Fraktionschef Tino Chrupalla kritisierte die Corona-Maßnahmen scharf: „Die Stabilität unserer Gesellschaft ist durch die Unverhältnismäßigkeit politischer Zwangsmaßnahmen deutlich strapaziert.“ Lauterbachs Rede sei „Demagogie“ gewesen.

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Im Bundesrat bemängelte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), dass das Infektionsschutzgesetz schon wieder korrigiert werden müsse. Dies wäre vermeidbar gewesen, wenn die Bundesregierung bei der alten Regelung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite geblieben wäre. „Wir machen nichts Anderes als Reparaturbetrieb“, sagte Bouffier. Sollte sich die Omikron-Variante des Coronavirus so schnell ausbreiten wie von Fachleuten befürchtet, werde dies nicht die letzte Veränderung des Infektionsschutzgesetzes sein.

Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) zeichnete ein erschütterndes Bild der Infektionslage in seinem Land. Die vierte Welle rolle „wie ein Tsunami“ durch den Freistaat Sachsen, sagte er. Täglich würden Intensivpatienten in andere Bundesländer ausgeflogen. „Im Durchschnitt versterben in dieser Woche 75 Menschen an Corona - jeden einzelnen Tag und das nur in Sachsen.“

Das Gesetz der neuen Koalition von SPD, FDP und Grünen sieht vor, dass Beschäftigte in Einrichtungen mit schutzbedürftigen Menschen wie Pflegeheimen und Kliniken bis Mitte März 2022 Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen müssen. Neben Ärzten sollen auch Apotheken, Zahnärzte und Tierärzte mitimpfen können. Ergänzt und verlängert werden sollen Möglichkeiten für die Länder zu regional härteren Beschränkungen.

Die neuen Ampel-Gesetzespläne im Überblick:

  • Spezial-Impfpflicht: Beschäftigte in Einrichtungen wie Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen sollen bis Mitte März 2022 Nachweise über vollen Impfschutz oder eine Genesung vorlegen müssen - oder eine Arzt-Bescheinigung, dass sie nicht geimpft werden können. Neue Beschäftigte brauchen das ab dann von vornherein.
  • Mehr Impfungen: Über Ärzte hinaus sollen befristet auch Apotheker, Tier- und Zahnärzte Menschen ab 12 Jahren impfen dürfen. Voraussetzung sollen eine Schulung und geeignete Räumlichkeiten oder Einbindungen in mobile Impfteams sein.
  • Regionale Maßnahmen I: Bei sehr kritischer Lage können die Länder, nach einem Parlamentsbeschluss, schon härtere Vorgaben für Freizeit oder Sport anordnen - aber nach einem ersten Ampel-Gesetz keine Ausgangsbeschränkungen oder pauschale Schließungen von Geschäften und Schulen. Nun soll präzisiert werden, dass Versammlungen und Veranstaltungen untersagt werden können, die keine geschützten Demonstrationen sind - besonders im Sport mit größerem Publikum. Klargestellt wird, dass Schließungen etwa der Gastronomie möglich sind - aber nicht von Fitnesscentern und Schwimmhallen.
  • Regionale Maßnahmen II: Einzelne Länder hatten kurz vor Ende der „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ am 25. November noch auf dieser alten Rechtsgrundlage umfassendere härtere Maßnahmen beschlossen. Diese können bisher bis 15. Dezember in Kraft bleiben. Laut jüngstem Entwurf soll die Frist bis 19. März verlängert werden.
  • Testpflichten: Für Beschäftigte und Besucher in Arztpraxen, Kliniken und Pflegeheimen wurden schon Testpflichten festgelegt. Nun soll laut Entwurf präzisiert werden, dass Patienten und „Begleitpersonen, die die Einrichtung oder das Unternehmen nur für einen unerheblichen Zeitraum betreten“ nicht als Besucher gelten - also Eltern beim Kinderarzt oder Helfer bei Menschen mit Behinderung.
  • Kliniken: Kliniken sollen wieder Ausgleichszahlungen erhalten etwa für frei gehaltene Betten oder Belastungen durch Patientenverlegung.
  • Kurzarbeitergeld: Ein Aufstocken des schon bis Ende März verlängerten Kurzarbeitergelds soll ermöglicht werden. Demnach sollen ab dem vierten Bezugsmonat 70 Prozent der Nettoentgeltdifferenz gezahlt werden - wenn ein Kind im Haushalt lebt, 77 Prozent. Ab dem siebten Bezugsmonat sind 80 und mit Kind 87 Prozent geplant. Dies soll für Beschäftigte gelten, die bis zum 31. März 2021 während der Pandemie einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld hatten. Außerdem sollen die Beschäftigten, die seit April 2021 erstmals in Kurzarbeit gegangen sind, für die Zeit von Januar bis März 2022 einen Anspruch auf die erhöhten Leistungssätze erhalten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte am Donnerstagabend gemeinsame Anstrengungen mit den Ländern für eine deutliche Beschleunigung der Impfungen an. Mit Blick auf die neue Virusvariante Omikron sagte er nach einer Schaltkonferenz mit den Regierungschefs, es sei nun umso dringender, dass möglichst Viele eine Auffrischimpfung bekämen.

Gleichzeitig machten Bund und Länder deutlich, dass es keine zusätzlichen Beschränkungen über die Weihnachtsfeiertage geben, die Lage aber beobachtet werden soll. Nächste Woche soll ein Expertenrat auch genauere Einschätzungen zu Omikron geben, wie der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, der Nordrhein-Westfale Hendrik Wüst (CDU), sagte. Wenn nötig, solle dann agiert werden. (dpa, AFP)

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