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Mund auf. In Wuhan wird die gesamte Bevölkerung getestet – rund 14 Millionen.

© AFP

In Wuhan ist das Coronavirus zurück: 14 Millionen Tests wegen sechs Infizierten

Chinas Führung hat bereits verkündet, das Virus sei unter Kontrolle. Doch die Angst vor einer zweiten Erkrankungswelle ist groß.

Nicht nur die Sprache klingt dramatisch: Einen „Zehn-Tage-Krieg“ hat die chinesische Gesundheitsbehörde in dieser Woche für Wuhan ausgerufen. Auch einige Bilder aus der zentralchinesischen Stadt, in der das Coronavirus weltweit zuerst gewütet hatte, wirken drastisch: Auf einem Sportplatz sitzen Hunderte Menschen auf roten Plastikstühlen geduldig hintereinander, und warten darauf, getestet zu werden.

Innerhalb von zehn Tagen sollen rund 14 Millionen Menschen, also alle Bewohner Wuhans, mit Nucleinsäuretests auf Sars-CoV-2 untersucht werden. Warum? In einem Apartmentkomplex namens Sanmin hatten die Behörden nach Informationen der „South China Morning Post“ sechs Neuinfizierte entdeckt.

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Auch in der Vier-Millionen-Stadt Jilin im Nordosten Chinas haben die Behörden drastische Maßnahmen ergriffen und die Stadt teilweise abgeriegelt. Die Straßen von Jilin wirken wie ausgestorben, der Zugverkehr ist seit Mittwoch 6 Uhr früh Ortszeit eingestellt, auch die Busverbindungen wurden gestoppt. Nur wer einen negativen Test vorlegen kann, der nicht mehr als 48 Stunden zurück liegt, darf aus Jilin heraus.

Alle Versammlungen wurden abgesagt, Kinos, Karaokebars und Internetcafes geschlossen. Die Bildungsbehörde kündigte an, dass alle Schulklassen, einschließlich des Abiturjahrgangs, wieder auf Onlinekurse umstellen sollen. Fiebermittel, antivirale Medikamente und Antibiotika werden von den Apotheken nicht mehr ausgegeben. Die Betroffenen müssen stattdessen zur Diagnose in dafür vorgesehene Krankenhäuser gehen. Warum? Die Stadt hat ebenfalls sechs neue Covid-19-Fälle entdeckt, insgesamt gibt es dort jetzt 21 Erkrankte.

Viele fürchten die zweite Infektionswelle

Die Angst in China vor einer zweiten Erkrankungswelle ist groß. Bislang ist das Land aber von einem Wiederaufflammen von Covid-19 offenbar weit entfernt.

Am Donnerstag meldeten die Behörden, von den insgesamt rund 1,3 Milliarden Chinesen hätten sich lediglich drei neu infiziert. Selbst wenn die offiziellen Zahlen der Behörden manipuliert sein sollten, wie viele Experten vermuten, bliebe doch ein massiver neuer Covid-19-Ausbruch in Chinas sozialen Medien nicht lange verborgen.

Doch nachdem die chinesischen Behörden in Wuhan anfangs zahlreiche Fehler begangen hatten, die den Ausbruch begünstigt haben dürften, sind sie jetzt mehr als nur wachsam.

„Die derzeitige Situation in Jilin ist sehr düster und kompliziert, und es besteht ein ernstes Risiko, dass sich das Virus weiter ausbreitet“, sagte Jilins Vizebürgermeisterin Gai Dongping am Mittwoch auf einer Online-Pressekonferenz. „Daher müssen strengste Maßnahmen ergriffen werden, um die Ausbreitung zu stoppen.“

Laut den Staatsmedien befinden sich alle 21 infizierten Patienten in einem stabilen Zustand in Krankenhäusern. 367 Personen hatten zu ihnen einen engen Kontakt, sie wurden unter ärztliche Beobachtung gestellt. Alle Fälle in Jilin sind nach Angaben der „South China Morning Post“ auf eine 45 Jahre alte Wäschereiarbeiterin in der Polizeibehörde von Shulan zurückzuführen. Die Kleinstadt, die sich im Verwaltungsbezirk Jilins befindet, wurde als Hochrisikogebiet eingestuft. Wo sich die Frau, die am 7. Mai positiv getestet worden war, angesteckt hat, ist bislang unklar.

Die Regierung hatte bereits die Kontrolle über das Virus verkündet

Die Region im Nordosten des Landes, die in China Dongbei genannt wird und die aus den Provinzen Liaoning, Jilin (wie die gleichnamige Stadt) und Heilongjiang besteht, hat sich zuletzt als neuer Schwerpunkt für Neuinfektionen herausgestellt. In jeder dieser Provinzen meldeten die Behörden kleinere Infektionscluster. Die Region grenzt im Norden an Russland, das inzwischen nach den USA weltweit am meisten Infizierte meldet. Einige aus Russland zurückgekehrte Chinesen sind bereits positiv auf das Virus getestet worden. Und wie die Viruslage in Nordkorea ist, das im Süden an die drei Provinzen grenzt, weiß so gut wie niemand.

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Die Wachsamkeit der chinesischen Behörden ist auch deshalb so groß, weil die Regierung bereits die erfolgreiche Eindämmung und Kontrolle über das Coronavirus verkündet hat. „China ist es aufgrund strengster Maßnahmen und schnellster Reaktion gelungen, das unbekannte Virus innerhalb von zwei Monaten unter Kontrolle zu bringen und die Infektionen und Todesraten zu minimieren“, schrieb Außenamtssprecherin Hua Chunying im April auf Twitter. Und lobte damit auch das eigene politische System. Auch ist die Frage des besseren Umgangs mit der Krise durch die Schuldzuweisungen an China durch den US-Präsidenten Donald Trump längst politisch stark aufgeladen. Ein neuerlicher Ausbruch in China hätte nicht nur gesundheitliche Auswirkungen.

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Womöglich auch ein Grund, warum die Behörden nun in Wuhan wegen sechs Neuinfizierten 14 Millionen Menschen testen. „Ich bin froh, dass wir getestet werden“, sagt eine Frau, „das beruhigt einen, wenn man weiß, ob man infiziert ist oder nicht.“

Das Vertrauen der Bürger in die lokalen Behörden scheint wiederhergestellt zu sein. Kaum einer fragt, warum diese Maßnahme nicht schon zu Beginn des Ausbruchs durchgesetzt wurde. Sehr viele wollen einfach nicht nochmal unter Quarantäne gestellt werden.

Die zweieinhalb Monate in der eigenen Wohnung haben sie noch zu genau in Erinnerung.

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