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Politik: In Nöten

Lindhs mutmaßlicher Mörder soll Stunden vor dem Attentat um psychiatrische Hilfe gebeten haben – vergeblich

Schon kurz nach dem Messerattentat auf die schwedische Außenministerin Anna Lindh vermutete die Polizei, dass es sich bei dem Täter um einen psychisch schwer gestörten Mann handele. Inzwischen verdichten sich die Anzeichen, dass die Fahnder damit richtig lagen – und der richtige Täter offenbar schon eine Woche vor seiner Festnahme am 17. September für kurze Zeit in Gewahrsam der Polizei war.

Die schwedische Boulevardzeitung „Aftonbladet“ schrieb unter Berufung auf eine Quelle aus Ermittlungskreisen, dass der am Mittwoch verhaftete 24-jährige Mann am Tag des Angriffs auf die populäre 46-jährige Politikerin bei einem psychiatrischen Notdienst um Behandlung gebeten habe. Dort sei sein Zustand jedoch als „nicht ernsthaft genug eingestuft“ worden, um aufgenommen und behandelt zu werden. Wenige Stunden später habe er Lindh attackiert. Die Polizei wisse bisher nicht, welchen Notdienst der Mann aufgesucht habe.

Lindh, Mutter zweier Söhne im Alter von neun und 13 Jahren, war am 10. September im Stockholmer Kaufhaus NK mit einem Jagdmesser von einem Mann mit mehreren Stichen schwer verletzt worden. Einen Tag später erlag sie ihren inneren Verletzungen. Die Polizei verhaftete zunächst einen 35-jährigen Mann. Er wurde nach acht Tagen in Untersuchungshaft als unschuldig entlassen. Am gleichen Tag nahm die Polizei den 24-Jährigen fest. Am Freitag waren gegen ihn wegen „dringenden Tatverdachts“ zwei Wochen Untersuchungshaft festgesetzt worden. Außerdem ordnete das Gericht ein psychiatrisches Gutachten an.

„Aftonbladet“ und die als seriös geltende Zeitung „Dagens Nyheter“ schreiben übereinstimmend, der Mann habe am Tag der Festnahme des 35-Jährigen – also am 17. September – bei einem befreundeten Paar in einem Stockholmer Vorort gewohnt. Dort habe er in der Nacht zum 17. September eine Panikattacke bekommen. Seine Freunde hätten aus Angst die Polizei gerufen. Eine Streife habe den Mann dann zu einem psychiatrischen Notdienst gefahren. Der Mann folgte der Polizei den Angaben zufolge freiwillig. Fredrik Kramp, einer der beiden Beamten, sagte „Aftonbladet“, sie hätten den Mann wie in solchen Fällen zum Notdienst gefahren und die Ärzte informiert. „Wir hatten keine Ahnung, was dann mit dem 24-Jährigen passierte.“ Eine Verbindung zu dem Mord an Lindh hätten beide Polizisen nicht hergestellt. Der am betreffenden Tag noch nicht als Verdächtiger gesuchte Mann habe zu diesem Zeitpunkt noch anders ausgesehen als der Mann auf den Bildern der Überwachungskameras des Kaufhauses.

Nach Informationen der Boulevardzeitung „Expressen“ leidet der aus Jugoslawien stammende Mann zurzeit unter einer akuten Psychose. Die Zeitung zitiert einen Ermittler mit den Worten: „Er weiß nicht, wer er ist.“ Die Polizei bestätigte, dass es an diesem Wochenende keine Verhöre mit dem 24-Jährigen gegeben habe.

Während Stockholms Polizeichefin Carin Götblad in „Dagens Nyheter“ anmahnte, es sei höchste Zeit, eine Debatte über den Umgang mit akut psychisch Kranken zu führen, geriet auch die für den Personenschutz zuständige Sicherheitspolizei Säpo in die Kritik. Beamte bestätigten der Zeitung, dass das Außenministerium mehrfach um Leibwächter für Lindh gebeten habe. Trotz mehrfacher Störungen und Pöbeleien während der Auftritte bei der Euro-Kampagne habe die Säpo dies mit der Begründung abgelehnt, „es gebe „kein Drohszenario“ gegen Lindh.

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