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Der Journalist Deniz Yücel sitzt seit fast einem Jahr in türkischer Haft.

© Karlheinz Schindler/dpa

In der Türkei in Haft: Neue Hoffnung für Deniz Yücel

Das türkische Verfassungsgericht könnte diese Woche ein Grundsatzurteil zu inhaftierten Journalisten fällen.

In der Türkei könnte es noch diese Woche eine Grundsatzentscheidung des obersten Gerichts zu den mehr als hundert inhaftierten Journalisten im Land geben. Nach übereinstimmenden Presseberichten will sich das Verfassungsgericht an diesem Donnerstag mit den Eingaben von drei türkischen Journalisten befassen. Eine Entscheidung des Gerichts könnte auch Auswirkungen auf das Schicksal des deutsch-türkischen Reporters Deniz Yücel haben, der seit fast einem Jahr ohne Anklage hinter Gittern sitzt und dessen Fall die deutsch-türkischen Beziehungen belastet.

Wie Yücel sitzen einige türkische Journalisten bereits sehr lange im Gefängnis, ohne dass es bisher Urteile gibt. In diversen Prozessen wird Reportern, Kolumnisten und Zeitungsmanagern die Unterstützung von Terrororganisationen vorgeworfen; Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Journalisten erst vor wenigen Tagen als „Gärtner“ des Terrorismus bezeichnet, die mit ihren Beiträgen zu Gewalttaten aufriefen. Kritiker sehen die Verfahren gegen die Journalisten dagegen als Versuch, Regierungskritiker kaltzustellen.

Nach Monaten des Stillstands scheint nun Eile geboten

Offenbar wegen der Aussicht auf bevorstehende Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs in Straßburg zu den Journalisten wird das türkische Verfassungsgericht jetzt aktiv. Nachdem die Verfassungsrichter in Ankara die Beschwerden der Betroffenen monatelang ignoriert hatten, nahmen sie jetzt die Fälle von drei Inhaftierten für den 11. Januar auf ihre Tagesordnung. Die Richter wollten den Straßburger Richtern möglicherweise zuvorkommen, da durch eine weitere Verschleppung ein „negatives Image“ für das eigene Gericht in Ankara entstehen könnte, schrieb der Kolumnist und Rechtsexperte Taha Akyol in der Zeitung „Hürriyet“.

Konkret geht es am Donnerstag um die Kolumnisten Sahin Alpay und Mehmet Altan sowie um den Chef der Buchbeilage der Oppositionszeitung „Cumhuriyet“, Turhan Günay. Sie hatten aus der Haft heraus vor dem obersten Gericht geklagt. In ihren Verfassungsbeschwerden geht es unter anderem um die Vorwürfe der Verletzung der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit und des ungerechtfertigten Freiheitsentzugs.

Aus Straßburg wird ein Grundsatzurteil erwartet

Alpay sitzt bereits seit Juli 2016 in Untersuchungshaft; eine solch lange Haftzeit könnte von den Europa-Richtern in Straßburg als unverhältnismäßig beanstandet werden. Da die Türkei als Mitglied des Europarats an Urteile aus Straßburg gebunden ist, müssten die Journalisten spätestens dann freikommen. Akyol erwartet deshalb, dass die türkischen Verfassungsrichter anhand der am Donnerstag anstehenden Fälle ein Grundsatzurteil für alle inhaftierten Journalisten fällen werden. Laut „Cumhuriyet“ könnte die Entscheidung schon am Donnerstag kommen.

Auch bei Yücels Verfassungsbeschwerde hatte es kürzlich Bewegung gegeben. Nachdem die türkische Regierung nach monatelangem Zögern ihre Stellungnahme zum Fall des „Welt“-Korrespondenten beim obersten Gericht eingereicht hatte, gaben die Richter Yücels Anwalt zwei Wochen Zeit für eine Erwiderung. Danach könnte über eine Haftentlassung entschieden werden. Die Bundesregierung macht eine Entspannung in den Beziehungen zur Türkei von der Freilassung von Yücel und weiteren inhaftierten Bundesbürgern abhängig.

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