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Politik: In der Anspruchsfalle

Die Bundesanstalt für Arbeit hat Arbeitslose jahrzehntelang schlecht beraten: Zu diesem Ergebnis kommt ein Wissenschaftler des Kieler Weltwirtschaftsinstituts. "Langzeitarbeitslose überschätzen ihre Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt stark", heißt es in einem Arbeitspapier des Ökonomen Björn Christensen.

Die Bundesanstalt für Arbeit hat Arbeitslose jahrzehntelang schlecht beraten: Zu diesem Ergebnis kommt ein Wissenschaftler des Kieler Weltwirtschaftsinstituts. "Langzeitarbeitslose überschätzen ihre Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt stark", heißt es in einem Arbeitspapier des Ökonomen Björn Christensen. Nur zwölf Prozent derjenigen, die länger als eineinhalb Jahre ohne feste Stelle sind, haben realistische Gehaltsvorstellungen.

Zum Thema Online Spezial: Arbeit.los! Für seine Untersuchung griff Christensen auf Befragungen von jährlich bis zu 14 000 arbeitslos gemeldeten Personen im Zeitraum von 1984 bis 1999 zurück. Wer in Deutschland seine Arbeit verliert, erwartet im Durchschnitt fast 20 Prozent mehr Gehalt in einem neuen Job im Vergleich zum vorherigen, so eine weitere Studie des Wissenschaftlers. "Die Chancen, das gewünschte Gehalt zu erhalten, sinken aber mit anhaltender Arbeitslosigkeit massiv", sagt Christensen. Mit jedem weiteren Jahr ohne Anstellung sinkt der Lohn, den ein Arbeitgeber zahlen würde, um mehr als 20 Prozent. Doch das kümmert Arbeitslose wenig, so der Kieler Ökonom. Der so genannte Anspruchslohn, den jemand mindestens erwartet, um eine neue Stelle anzutreten, bleibt auch bei langer Arbeitslosigkeit konstant.

Im Vergleich zu anderen Ländern zahle der deutsche Staat relativ lange Arbeitslosengeld. Die Folge: Höhere Ansprüche an eine neue Stelle und das Gefühl, man könne sich Zeit lassen bei der Stellensuche. Der neue Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, forderte daher kürzlich, die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld zu verkürzen. Christensen fordert: "Junge Leute sollten extrem kurz Geld bekommen, höchstens drei Monate." Von älteren Arbeitslosen könne man diese Flexibilität allerdings nicht verlangen. "In anderen Ländern haben Jobsuchende realistischere Vorstellungen als in Deutschland", sagt Christensen. Sie erwarten das gleiche Gehalt wie früher oder nehmen sogar Einbußen in Kauf, in den USA bis zu 25 Prozent. Die Erfahrung zeigt aber: Oft arbeiten sich diese Arbeitnehmer schnell wieder hoch auf ihr früheres Niveau.

"Die Leute müssen wissen, dass es besser ist, erst einmal weniger zu verdienen, dafür aber eine langfristige Perspektive zu haben", sagt der Kieler Ökonom. Von den Behörden erwartet er: schnell fördern und fordern und nicht erst mit dem Qualifizieren beginnen, wenn jemand lange arbeitslos ist. In Deutschland sind gut ein Drittel der registrierten Arbeitslosen mehr als ein Jahr ohne feste Stelle. "Und dann ist das Kind schon in den Brunnen gefallen."

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