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In einer Hausarztpraxis stehen Ampullen des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca auf einem Tisch.

© Nicolas Armer/dpa

Impfstoff-Streit zwischen Briten und EU: Ein Exportstopp wäre der falsche Ausweg aus der Krise

Die Lieferschwierigkeiten bei Astrazeneca sind skandalös. Ein genereller Exportstopp von Impfstoffen nach Großbritannien wäre dennoch falsch. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Rund zehn Millionen Impfdosen hat die EU zu Beginn dieses Jahres nach Großbritannien geliefert, ohne dass in der Gegenrichtung viel zurückgekommen ist. Das ist ein Skandal, gerade vor dem Hintergrund der schleppenden Versorgung der Europäer mit dem Vakzin des britisch-schwedischen Konzerns Astrazeneca.

Allerdings wäre ein genereller EU-Exportstopp von Impfstoffen nach Großbritannien, wie er beim Videogipfel der Europäer diskutiert wird, der falsche Weg.

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Wer wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beim weltweiten Kampf um die Vakzine eine Art Handelskrieg gegen die USA und Großbritannien heraufbeschwören möchte, übersieht die Risiken eines solchen Brachialkurses. Es mag richtig sein, Exporte nach Großbritannien zu beschränken, so lange Astrazeneca weit hinter den gemachten Lieferzusagen zurückbleibt.

Doch einen generellen Exportstopp nach Großbritannien und in die USA sollte es nicht geben. Der könnte gravierende Folgen für die Europäische Union haben. Denn die EU ist bei der Herstellung der Vakzine auf Vorprodukte angewiesen, die häufig aus eben jenen beiden Ländern kommen, die jetzt bei der Impfkampagne besser dastehen.

Dass das Impfen in der EU schlechter läuft als in den USA und in Großbritannien, hat viele Gründe – von einer weitsichtigeren Forschungs- und Entwicklungspolitik in London und Washington bis hin zu einem zögerlichen Bestellprozess in der EU. Doch es wäre ein Fehler, wenn die EU jetzt versuchen würde, die Versäumnisse aus der Vergangenheit durch pauschale Exportverbote wieder wettzumachen.

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Viel wichtiger wäre es stattdessen, den Blick nach vorn zu richten.  Das Rennen um die Impfstoffe der zweiten und dritten Generation, die auch gegen die Mutationen des Virus wirksam sind, hat längst begonnen.

Während das tägliche Krisenmanagement und die Eindämmung der dritten Corona-Welle die Verantwortlichen in der Gemeinschaft derzeit voll in Beschlag nehmen, sollte sich der Blick schon jetzt auf das Jahr 2022 richten. Denn im kommenden Jahr werden voraussichtlich bei Auffrischungsimpfungen weiter entwickelte Vakzine zum Einsatz kommen.

Gegenwärtig stellt die EU sicher, dass in ihrem Inneren auch ärmere Mitglieder wie Bulgarien überhaupt einigermaßen mit Vakzinen versorgt werden. Aber jenseits des EU-internen Gerangels um die Verteilung des Impfstoffs muss die Gemeinschaft schon jetzt die Lieferungen von Vakzinen für die nächste Impfkampagne mit den Herstellern fest vereinbaren. Ansonsten droht die Europäische Union gegenüber Großbritannien und den USA ein zweites Mal ins Hintertreffen zu geraten.

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