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Die Hausärztin Birgitt Lucas verabreicht einem Patienten die erste Impfung gegen Covid-19. Stadt und Landkreis Hof (Bayern) möchten im Rahmen eines Pilotprojektes Corona-Impfungen durch Hausarztpraxen erproben.

© Nicolas Armer/dpa

Impfen in den Praxen: Bezahlt den Hausärzten doch einen Impfmittwoch!

10 Millionen Impfungen pro Woche seien möglich, sagt Olaf Scholz. Das ist unrealistisch. Wie man trotzdem Millionen pro Woche schaffen kann. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thomas Trappe

Müsste man auf einer grünen Wiese die Infrastruktur für die größte Impfkampagne aller Zeiten planen, käme wohl ziemlich genau das raus, was es in Deutschland schon gibt: Ein barrierearmes und dichtes Netz an Hausarztpraxen.

Nahezu jede Gemeinde, jeder Stadtteil und jeder Kiez verfügen über eine solche Anlaufstelle, und dahinter stehen bundesweit zehntausende bestens ausgebildete Fachkräfte, die sich in jeder Grippesaison auf diesen Einsatz vorbereitet haben, mit millionenfachen Impfungen innerhalb weniger Wochen.

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Jetzt sollen die Hausärzte bei den Corona-Impfungen eingebunden werden, auch wenn die Vorbereitungen dafür viel zu spät begannen. Ein Selbstläufer wird das nicht, auch wenn das viele zu denken scheinen.

Eigentlich hätten mit der Eröffnung der ersten Impfzentren – das war in der Adventszeit – schon alle Vorbereitungen getroffen werden müssen, um in den Hausarztpraxen loslegen zu können, sobald die ersten dafür geeigneten Impfstoffe auf den Markt kommen.

Dass wir uns heute mit den vergleichsweise störanfälligen Strukturen von Impfzentren herumschlagen, hat ja fast ausschließlich mit den besonderen Kühlanforderungen an die Biontech/Pfizer-Impfstoffe zu tun (wobei wir inzwischen wissen, dass auch diese Vakzine offenbar durchaus ein paar Tage schadlos in einer Arztpraxis gelagert werden können).

Für AstraZeneca, Moderna und den demnächst aller Voraussicht nach verfügbaren Impfstoff von Johnson & Johnson gilt das sowieso.

Aber wie so oft in der Pandemie wurde auch bei der Einbindung der Hausärzte wertvolle Zeit vertan, die jetzt schnell aufgeholt werden muss. Es geht um Logistikfragen, um die ganz konkrete Ausgestaltung vor Ort und nicht zuletzt um die Vergütung.

Und es geht um die Übermittlung von Impfdaten aus den Praxen über die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder an Robert-Koch-Institut und Paul-Ehrlich-Institut.

Die Hausärzte sollen die Daten digital übermitteln

Das soll digital stattfinden, und bei „digital“ schrillen nach den Erfahrungen der letzten Monate die Alarmglocken, zumal die Ärzte Sanktionen fürchten müssen, wenn sie die Daten nicht übermitteln.

Die Hausärzte wollen möglichst schnell Spritzen setzen, dafür aber nicht noch selbst administrative Steine aus dem Weg räumen. Das muss die Politik, auf Bundes- wie Landesebene, im Vorfeld bewerkstelligen – da steht noch viel Arbeit ins Haus.

Die Bundesregierung aber wiegt sich in fataler Selbstgewissheit. Ein Beispiel ist Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Er verkündete gerade, dass schon bald bis zu zehn Millionen Menschen pro Woche geimpft werden könnten, mehr noch, „dass das gut vorbereitet wird“, so der Kanzlerkandidat. „Dafür habe ich gesorgt“, sagte er. 

Nein, hat er nicht, wie eine Nachfrage beim Finanzministerium zeigt. Die Aussage bezieht sich allein auf die erwarteten Impfstoff-Liefermengen der kommenden Monate, nicht aber auf die tatsächlichen Möglichkeiten, den Impfstoff auch zu verabreichen.

Dass Spritzen von Ärzt:innen oder medizinischem Fachpersonal gesetzt werden müssen, scheinen viele in Berlin inzwischen auszublenden. Zu sehr hat sich der Blick vieler, vor allem der von Wahlkämpfern, auf die Debatte über bestellte Impfstoffmengen verengt.

Die Politik muss Anreize schaffen

Dass die Niedergelassenen ordentlich was wegimpfen können, ist davon unbenommen, wenn auch nicht zehn Millionen Dosen pro Woche. Fünf Millionen pro Woche, sagte gerade der Chef der Kassenärzte Andreas Gassen, seien aber drin.

Damit das klappt, sollte die Politik Anreize schaffen, um die Ärzte zu motivieren und das Impfen in den Praxen zu beschleunigen. Niedergelassenen Ärzte sind schließlich freie mittelständische Unternehmer sind.

Ein „Impfmittwoch“ wäre eine gute Idee: Die Politik könnte die Ärzte dafür bezahlen, dass sie ihre Praxen an einem zusätzlichen Tag in der Woche öffnen und an diesem Tag impfen. Der zusätzliche Arbeitstag würde den Steuerzahler zwar etwas kosten, aber womöglich die Einschränkungen verkürzen.

Und wer weiß, vielleicht lässt sich die Impfquote ja auch noch weiter erhöhen, abseits der Hausarztpraxen und der nach wie vor vorgehaltenen Impfzentren. Die Betriebsärzt:innen zum Beispiel fallen da in den Blick, auch in der Bundesregierung. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, dafür alles Nötige einzuleiten. Wenn man sich nicht erst mal den Hausärzten widmen müsste. 

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