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Hilft schwere Verläufe zu verhindern. Der Impfstoff Astrozeneca.

© dpa

Impfdebatte: Weg mit der deutschen Skepsis

Michael Müller hat mit seinem Unwillen gegenüber Astrozeneca-Verweigerern recht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Julius Betschka

Was wurde geschimpft, als der Impfstoff nicht rasch genug kam. Desaster, Skandal, tödliches Versagen, hieß es. Nun ist langsam ausreichend Impfstoff da – und plötzlich ist er denen, die das Glück haben, an der Reihe zu sein, nicht gut genug. Hunderttausende Dosen der Marke Astrazeneca verstauben in streng bewachten Lagerhallen, Menschen erscheinen nicht zu Impfterminen. Gleichzeitig warten Millionen Deutsche auf die lebensrettende Spritze.

„Wer den Impfstoff nicht will, der hat seine Chance erst mal vertan“, hat Michael Müller (SPD) nun gesagt. Es sind ungewohnt deutliche Worte von Berlins Regierendem Bürgermeister. Aber sie senden jetzt das richtige politische Signal: Unsere German Mäkeligkeit können wir uns nicht leisten! Impfstoff wird bald sehr viel mehr ausgeliefert, dann wird im Akkord gespritzt. Damit die Immunisierungskampagne schnell erfolgreich ist, muss nun die Skepsis der Deutschen überwunden werden. Die Politik muss dazu aus dem Schatten der Wissenschaft treten.

Natürlich, dass in Deutschland – anders als etwa in Russland – Impfstoffe nur nach gründlichen klinischen Studien erlaubt werden, dass Risiken deutlich kommuniziert werden, ist richtig – und kann lebensrettend sein. Das politische Sprechen über Impfungen darf aber kein ständiges Hadern sein. Ängstlich, hat man den Eindruck, jonglieren Politiker mit teils missverständlichen Prozentzahlen, getrieben vom lautstarken Zorn weniger Impfgegner.

Im Wirrwarr der Wirksamkeiten

Astrazeneca ist ein sehr guter Impfstoff. Das scheint im Wirrwarr der Wirksamkeiten völlig unterzugehen. Er scheint nach allem, was bekannt ist, genauso gut gegen schwere Krankheitsverläufe zu schützen wie die Vakzine von Biontech und Moderna. Er verhindert lediglich mit etwas geringerer Wahrscheinlichkeit, dass sich Geimpfte überhaupt anstecken.

Klinische Studien zeigen zwar, dass er womöglich schlechter gegen die südafrikanische Mutation schützt als die anderen Impfstoffe. Aber auch dort gilt: Schwere Krankheitverläufe wurden in Gänze verhindert. Astrazeneca macht aus Covid-19 eine Erkältung. So ist das. Es ist deshalb wichtig, dass Müller sagt, er würde sich „sofort impfen lassen“. Es ist klug, dass SPD-Gesundheitserklärer und Arzt Karl Lauterbach sich nun Astrazeneca spritzen lässt.

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Politik hat den Auftrag, Gesellschaft zu gestalten. Sie darf nicht rat- und tatenlos zusehen, wenn sich Pflegekräfte, Ärzte oder andere Impfprioritäre nicht spritzen lassen wollen. Es gilt aber, deren Willen zu achten. Deshalb müssen Alternativen organisiert werden: Lehnen Priorisierte ab, rücken Lehrkräfte, Polizisten oder Supermarktkassierer vor. Am Montag soll dieser Berliner Vorschlag in einer Bund-Länder-Runde debattiert werden. Wertvoller Impfstoff darf nicht vergammeln.

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